Studie entdeckt mehr Fragen um mysteriöse Rossrobbe | Polarjournal
Rossrobben, die nicht in den Weiten des Südpolarmeeres unterwegs sind, ruhen sich gerne zwischen Tauchgängen auf Eisschollen aus. In den Weiten des Südlichen Ozeans gehen die nur rund 2 Meter langen Robben dadurch fast verloren, was ihre Entdeckung schwierig gestaltet. Bild: Michael Wenger

Tiere in den Weiten des antarktischen Packeises zu entdecken benötigt immer eine gewisse Portion Glück, da die Region unglaubliche Dimensionen hat. Das macht es für Forschende sehr schwierig, mehr über die Lebensweise von solchen Tierarten herauszufinden, die sich entweder tief im Packeis oder weit im Südlichen Ozean aufhalten. Zu diesen gehört die mysteriöse Rossrobbe, die eigentlich rund um Antarktika vorkommen sollte. Eine Studie eines Teams aus deutschen und südafrikanischen Forschenden wollte mehr über die Gewohnheiten der Robbe herausfinden und entdeckte stattdessen noch mehr Fragen.

Rossrobben scheinen zwischen 100 bis über 700 Meter während 5 bis oft über 20 Minuten zu tauchen und folgen dabei zumindest während des antarktischen Winters keinem bestimmten Tagesrhythmus. Doch zumindest während der Dämmerzeiten morgens und abends tauchen sie tiefer, doch wiederum nicht unbedingt länger oder häufiger als im restlichen Tagesverlauf. Das ist eines der wenigen Ergebnisse, die Dr. Mia Wege und Marthán Nieuwoudt Bester vom Institut für Meeressäugerforschung der Universität Pretoria und Dr. Horst Bornemann vom deutschen AWI bei ihrer Arbeit mit den geheimnisvollen und selten untersuchten Rossrobben herausgefunden haben. Die Resultate der Arbeit haben die drei Forschenden nun in der neuesten Ausgabe des Fachmagazins Antarctic Science veröffentlicht.

Um überhaupt an die Daten der Tauchgänge zu kommen, hatte man auf mehreren Expeditionsfahrten in die Ostantarktis Ausschau nach Rossrobben halten müssen, was bei der Weite des Gebietes und der mit knapp 2 Meter Länge nicht gerade riesigen Grösse der Robbe kein einfaches Unterfangen war. Hatte man eine entdeckt, wurde sie mit einem Netz gefangen und mit einem Satelliten-gestützten Sendern versehen, die ihre Tauch- und Ruhedaten messen und weiterleiten sollte und nach spätestens einem Jahr wieder mit dem Fellwechsel abfallen. Doch neben der Tatsache, dass Rossrobben schwer im Packeis zu entdecken sind, spielte auch die Technik nicht so mit, wie es das Forschungsteam gerne gehabt hätte. Nur gerade von zehn Robben konnte das Team genügend Daten für ihre Arbeit sammeln, was hinsichtlich einer statistischen Auswertung und damit einer gesicherten Aussage zu wenig ist. Besonders bei der Frage nach dem Ruheverhalten kamen die Forschenden an die Grenzen, da die Schwankungen zwischen den einzelnen Tieren beträchtlich waren. Immerhin konnte das Team zeigen, dass Rossrobben im Frühjahr bis Sommer gerne mitten am Tag auf Eisschollen ausruhen. Einige der Tiere zeigten sogar tagelanges Ruhen, nur unterbrochen durch kurze Tauchgänge. Da es dabei in der Regel weibliche Tiere waren, könnten sie in der Zeit ihre Jungen geboren haben und eine rund 13-tägige Fütterungsphase durchlebt haben, spekulieren Dr. Wege und ihr Team. Doch Daten dazu konnten sie keine aufzeichnen.

Trotz der geringen Zahl an besenderten Tieren und funktionierenden Sendern konnten die Forschenden zeigen, dass zumindest die bisherige Vermutung, dass die Tiere verstärkt in der Nacht auf Beutezüge gehen, nicht ganz korrekt ist. Vielmehr waren es die Dämmerungszeiten, in denen die Tiere meistens auf Tauchstationen gingen und folgten damit nicht ganz den Tagesrhythmus ihrer Beute, Fische und Kalmare. Interessanterweise scheinen die Tiere dieses Verhalten aber dem Faktor des Untergrundes anzupassen: Sind sie im Herbst im offenen Ozean, folgen sie dem Rhythmus, auf dem Eis aber nicht. Eine Erklärung dafür haben die Forschenden aber auch nicht.

Insgesamt zeige die Studie, so das Team, dass immer noch viele Fragen offen sind, die eigentlich für das Verständnis der Lebensweise von Rossrobben notwendig wären. Da wären beispielsweise die Frage nach dem Zeitpunkt und der Dauer der Fortpflanzungssaison. «Diese Einschränkung ergibt sich aus dem Pendelverhalten der Ross-Robben zu und von pelagischen Futtergebieten nördlich des Packeises, wo sie die meiste Zeit des Jahres im offenen Ozean unzugänglich sind», schreiben Dr. Wege und ihre Kollegen. Darum fordern sie eine koordiniertere, multinationale umfangreiche Untersuchung der geheimnisvollen Robbe. Denn in Anbetracht der Tatsache, dass sich auch die antarktische Welt mittlerweile verändert, könnte die Robbe plötzlich unter Druck kommen und zu verschwinden drohen, bevor man sie richtig kannte.

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

Link zur Studie: Wege, M., et al (2023). The nightlife of a Ross seal: Diving and haul-out behaviour from the eastern Weddell Sea. Antarctic Science, 1-12. doi:10.1017/S0954102022000438

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