US-Forscher wünschen Speicher für antarktische Artenvielfalt | Polarjournal
Die Idee der US-Arbeitsgruppe ist es, dass sämtliche Einrichtungen, die Daten zur Antarktis bisher für sich aufbewahrt haben, diese zentral ablegen und damit einen Ort schaffen, an dem alle, die Arbeiten mit der Antarktis als Teil der Fragestellung durchführen, willkommen sind. Bild: Michael Wenger

Die Antarktis ist per Vertrag zu einem Ort des Friedens und der Wissenschaft deklariert worden. Denn hier laufen zahlreiche global wichtige Prozesse ab. Gleichzeitig gilt die Antarktis als auch ein der wenigen noch verbliebenen Plätze auf der Welt, in denen die Artenvielfalt riesig ist. Doch Forschung hier ist kostspielig, zeit- und materialaufwändig, was es für viele wissenschaftliche Einrichtungen schwierig gestaltet, hier überhaupt Daten zu sammeln. Eine Gruppe von US-Forscherinnen und -forschern haben zur Lösung dieses Problems einen Vorschlag erarbeitet und diesen nun veröffentlicht.

Das Team um Dr. Kristin O’Brien (Universität von Alaska Fairbanks) und Dr. Elizabeth Crockett (Ohio Universität) fordert in einem offenen Brief die Schaffung eines internationalen Netzwerkes von sogenannten Biotheken, an denen Daten von Proben aus der Antarktis zentral gelagert werden und die für die Forschungsgemeinschaft einfach und rasch zugänglich ist, «um die wichtigsten Fragen der antarktischen Wissenschaft zu beantworten, das Wohlergehen der Menschen zu verbessern und die Auswirkungen des Klimawandels abzumildern», wie das Team in der Arbeit schreibt. Dafür rufen sie sämtliche Institutionen, die solche Organismen, Proben und Daten gesammelt und gelagert haben, dazu auf, gemeinsam eine virtuelle Drehscheibe zu entwickeln und darin all das bisher gesammelte Wissen über die biologische Vielfalt des südlichen Kontinents zu speichern. Den Aufruf veröffentlichte das Team Anfang Dezember letzten Jahres in der Fachzeitschrift Proccedings of the National Academy of Sciences.

Die Autorinnen und Autoren des Aufrufes weisen auf die Tatsache hin, dass weltweit in zahlreichen Institutionen wie Museen, Forschungsinstituten, Universitäten und Laboren unzählige Proben, ganze, Exemplare, Präparate und Daten von antarktischen Organismen lagern, die irgendwann im Laufe von Jahrzehnten gesammelt worden waren und nun auf ihre Auswertung warten. «Sammlungen von Organismen, Umwelt- und Gewebeproben sowie daraus abgeleitete Daten stellen eine Ressource von aussergewöhnlichem Wert für Wissenschaft und Gesellschaft dar und tragen zu unserem Verständnis von Umweltverschmutzung, biologischen Invasionen und den Auswirkungen des Klimawandels bei» schreibt das Team in seiner Arbeit. Sie glauben, dass viele Forschende und Einrichtungen sind nicht einmal dieser Vielfalt, die in ihren Lagern, Schubladen und auf Festplatten lagern, bewusst sind, obwohl einige Länder sogar gesetzliche Vorgaben kennen, wie man mit Proben, Daten und Exemplaren umgehen sollte und sogar auf nationaler Ebene solche Datenbanken bereits existieren.

An vielen Orten in der Antarktis sind Forschungsarbeiten ohne die Zusammenarbeit von Institutionen gar nicht mehr denkbar oder sogar möglich. Doch in den Lagerräumen vieler Länder, die schon lange in der Antarktis forschen, liegen noch unzählige Proben, die anderen, gerade neueren Nationen in der Antarktis, hilfreich bei deren Arbeiten sein könnten und die darum in einer zentralen Datenbank gelagert werden sollten. Bild: Michael Wenger

Die Schaffung eines Netzwerkes von Biotheken rund um den Globus würde in vielerlei Hinsicht Vorteile schaffen und die internationale Zusammenarbeit, einer der Eckpfeiler des Antarktisvertrages, stärken, sind die Autorinnen und Autoren überzeugt. «Ein Netzwerk von Antarktischen Biotheken würde die Zusammenarbeit, Koordination und Kommunikation zwischen den Partnern fördern und eine breitere und effektivere Nutzung der antarktischen Proben für Forschung, Bildung, Öffentlichkeitsarbeit und Naturschutz ermöglichen», erklären die Autorinnen und Autoren. Auch eine Reduktion von logistischen Hürden und Kosten und weniger Einfluss von Forschungsteams auf die antarktische Umwelt zählt das Team zu den Vorteilen hinzu. Denn die Zahl von Feldarbeiten würde sich auf jeden Fall verringern, wenn Proben bereits vorhanden sind. Ausserdem würde ein solches Netzwerk helfen, bessere Techniken zur Konservierung und Aufbewahrung der teilweise historisch wichtigen und wissenschaftlich wertvollen Proben und Präparaten führen. Davon würde auch die Allgemeinheit profitieren, die dann solche Exponate bestaunen könnten.

Nach Ansicht des Autorenteams profitieren auch Länder, die neu in der Antarktisforschung mit dabei sind (hier eine thailändische Forscherin), von einem Biotheken-Netzwerk und würden so weitere wichtige Beiträge zum Verständnis der Antarktis leisten. Bild: Handout

Einen ebenfalls nicht zu unterschätzenden Vorteil eines Netzwerkes wäre die bessere Einbindung neuer Nationen, die erst mit antarktischer Forschung begonnen haben. Da die Antarktis immer stärker in den Fokus des wissenschaftlichen Interesses rückt, besonders durch ihre Verbindung zu den klimatischen Prozessen auf der Erde, planen mehr und mehr Institutionen, die Antarktis in ihre Forschungsarbeiten einzubinden. Solchen Ländern könnte ein Biotheken-Netzwerk nach Ansicht der Autorinnen und Autoren sehr Unterstützung liefern und sie so besser in die Forschungsgemeinde einbinden. «Wir stellen uns mehr Möglichkeiten nicht nur für Forscher in der Antarktis vor, sondern auch für Forscher, die neu in die Antarktisforschung einsteigen, indem wir die Forschung auch dann ermöglichen, wenn Feldsaisons logistisch nicht möglich oder praktisch sind», schreibt das Team. Kooperation durch Kollaboration mit weniger Druck auf die antarktische Umwelt, das wäre ja ganz im Sinne des Antarktisvertrages.

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

Link zur Studie: O’Brien et al (2022) PNAS 119 (50) The time is right for an Antarctic biorepository network; doi.org/10.1073/pnas.2212800119

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