Schärfere Massnahmen für Svalbard-Tourismus empfohlen | Polarjournal
Schon jetzt versuchen die Mitglieder der AECO, den Tourismus auf nachhaltige Weise in der Arktis zu betreiben, indem sie ähnliche Massnahmen wie in der Antarktis umsetzen. Doch die Umweltbehörden Norwegens empfehlen eine Verschärfung der Massnahmen von Seiten der Regierung. Bild: Michael Wenger

Der Polartourismus boomt schon wieder kurz nach der Pandemie. Das sieht man, wenn man die steigende Zahl von Anbietern von Expeditionstouren in die Arktis und Antarktis betrachtet. Dieses Bild zeigt sich vor allem auf Svalbard, wo letzten Sommer schon wieder beinahe Vor-Pandemie-Zahlen erreicht worden sind. Aber schon seit einiger Zeit sind dort Diskussionen im Gange, wie die arktische Natur des Archipels vor dem Boom geschützt werden soll. Nun hat die norwegischen Umweltbehörde dem zuständigen Ministerium für Klima und Umwelt eine Reihe von Vorschlägen unterbreitet, die eine Verschärfung der existenten Massnahmen und dunkle Zeiten für den Tourismus im Land des Polarlichts bedeuten könnten.

Nur noch 43 kontrollierte Landestellen im gesamten Bereich der Nationalparks des Svalbardarchipels für Schiffe mit maximal 200 Passagieren an Bord, keine aktive Suche nach Eisbären mehr und ein Mindestabstand von 500 Metern, falls auf einen Eisbären getroffen wird, keine Fahrten mehr ins Festeis in den Fjorden, ein Mindestabstand von 150 Metern von Schiffen zu Walrossliegeplätzen und ein Verbot von Schneemobilen ab dem 1. März in ausgewählten Fjorden zum Schutz der arktischen Tierwelt. Das sind die Massnahmen, die von der Umweltbehörde Miljødirektoratet an die Adresse des Ministeriums für Klima und Umwelt in Oslo abgegeben worden sind. Das schreibt die Behörde in einer Pressemitteilung letzte Woche. Nun liegt es in den Händen des zuständigen Ministeriums, diese Vorschläge zu evaluieren und in entsprechende Regelungen umzusetzen.

Schon jetzt sind die Beschränkungen für touristische Aktivitäten auf Svalbard viel rigoroser als noch vor wenigen Jahren. Dabei konzentrierte man sich erst auf den klassischen Kreuzfahrttourismus, der einer Studie entsprechend, viel weniger einbringt, als der Expeditionstourismus. Doch dieser soll nun auch stärker reguliert werden, vor allem wegen der steigenden Zahl an Schiffen. Bild: Michael Wenger

Der Grund für die neuen Vorschläge ist, dass die Zahl der Schiffe in den vergangenen Jahren (abgesehen von den Pandemiejahren) auf Svalbard massiv angestiegen ist. Dieser Boom steht schon seit einigen Jahren im Fokus und die Regierung in Oslo will dieser Entwicklung Einhalt gebieten. Das Ministerium für Klima und Umwelt sieht es als seine Aufgabe an, die Natur Svalbards zu schützen, indem es den Einfluss des Verkehrs auf Svalbard einschränken will. «Angesichts des raschen Klimawandels und des Wachstums von Tourismus und anderem Verkehr reichen die aktuellen Umweltvorschriften nicht aus, um die gefährdete Natur und das kulturelle Erbe Spitzbergens zu schützen», erklärt die verantwortliche Leiterin Ellen Hambro. Deswegen wurde die Behörde mit der Aufgabe betreut, Vorschläge auszuarbeiten, die den Schutz der Umwelt auf dem von Norwegen verwalteten Archipel gewährleisten würden. Die Behörde hatte dafür ein Konsultationsverfahren eingeleitet und die betroffenen Interessenvertreter um deren Meinungen und Vorschläge gebeten. Dabei kamen mehrere hundert Seiten zusammen, aus denen die Behörde dann insgesamt sieben Vorschläge für Änderungen für die Regierung zusammenstellte. «Unsere Einschätzung nach der Konsultation ist, dass es keine Alternative gibt, die die Verkehrsbelastung in gleichem Masse reduziert, ohne dass wir auch die Anzahl der Schiffe oder Personen regeln, die in einem Gebiet fahren dürfen», sagt Ellen Hambro zu den Ergebnissen des Verfahrens, die in einem Bericht an das Ministerium zusammengefasst sind.

Der Schutz der fragilen arktischen Natur ist nicht nur der Umweltbehörde ein Anliegen, sondern auch den Tourismusbetrieben, denn sie liefert deren Existenzgrundlage, sagen Branchenvertreter. Zumindest in diesem Punkt sind sich beide Seiten einig. Doch wie das erreicht werden soll, daran scheiden sich die Geister. Bild: Michael Wenger

Der erste Eindruck von den Regelungsempfehlungen der norwegischen Umweltbehörde ist, dass diese, wenn sie verabschiedet werden, dramatische Folgen für die Tourismusindustrie und die empfindliche Natur haben können, die wir alle schützen wollen

Anders la Cour Vahl, stellvertretender Direktor AECO

Während Umwelt- und Naturschützer über die Verschärfungen existenter Massnahmen erfreut sein dürften, stehen Tourismusvertreter den Vorschlägen sehr kritisch gegenüber. Anders La Cour Vahl, stellvertretender Direktor der AECO, deren Ziel ein umweltverträglicher, nachhaltiger Tourismus in der Arktis ist, erklärt uns auf Nachfrage: «Der erste Eindruck von den Regelungsempfehlungen der norwegischen Umweltbehörde ist, dass diese, wenn sie verabschiedet werden, dramatische Folgen für die Tourismusindustrie und die empfindliche Natur haben können, die wir alle schützen wollen. Es scheint, dass die Folgen der Vorschläge nicht richtig eingeschätzt werden und die enormen Anstrengungen, die in die Entwicklung des verantwortungsvollen und professionellen Teils des Tourismus, den wir heute in Svalbard haben, geflossen sind, ausser Acht gelassen werden.»

Einer der wichtigsten Kritikpunkte der Branchenvertreter ist, dass die Behörde die zahlreichen Vorschläge von Seiten des Tourismus nicht oder zumindest kaum beachtet und nicht in den Massnahmenkatalog miteingebaut hatten. «Während des Konsultationsverfahrens haben die AECO und viele andere Betreiber Antworten eingereicht, die bei der endgültigen Vorlage der Empfehlung offenbar nicht berücksichtigt wurden», sagt Anders La Cour Vahl weiter. «Dies hinterlässt den Eindruck, dass die Schlussfolgerungen bereits gezogen wurden, ohne die Beiträge der Branche zu berücksichtigen.» Auch andere Anbieter und Vertreter sind dieser Meinung gemäss Einträgen in den Sozialen Medien. Doch die Umweltbehörde teilt diese Einschätzung nicht und verweist auf die Natur der Eingaben. Mehrere Konsultationsparteien hätten vorgeschlagen, Richtlinien für den Verkehr zu verwenden oder die Kontrolle und Durchsetzung bestehender Vorschriften zu verstärken, schreibt die Behörde. Doch damit werde man die Ausbreitung des von Verkehr betroffenen Gebiete nicht verringert und für grosse Gebiete, die nur wenig von menschlichen Aktivitäten betroffen sind, nicht ausreichen.

Ganz unschuldig an der möglichen Verschärfung ist die Tourismusbranche jedoch nicht. Immer wieder ist es in der Vergangenheit zu Verstössen von Anbietern gegen geltende Natur- und Umweltschutzregelungen gekommen, besonders im letzten Jahr, wie die Verwaltung von Svalbard erklärt. Zu den schwersten gehörte das unerlaubte Eindringen in ein Vogelschutzgebiet, um eine Eisbärin und ihre Jungen aus nächster Nähe zu betrachten. Beobachter der Szenen hatten damals erklärt, dass die Boote sich dabei auch zu nahe an den Bären befunden hätten. Zwar wurden die entsprechenden Verantwortlichen gebüsst. Aber solche Vorfälle sind Wasser auf die Mühlen der Behörden, die erklärt haben, dass sie in Zukunft solche Störungen und Regelverstösse mit den neuen Massnahmen verhindern wollen.

Zumindest einen Vorschlag, der aus dem Konsultationsverfahren resultierte, könnte nach Meinung der Behörde noch weiterverfolgt werden: ein Lizenzierungsverfahren, bei dem nur Anbieter mit gültigen Lizenzen touristische Aktivitäten anbieten dürfen. Doch mehr ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zu erfahren. Auf Nachfrage bei einigen Vertretern touristischer Aktivitäten auf Svalbard sagen diese, man müsse nun abwarten, was die norwegische Regierung mit den Vorschlägen der Umweltbehörde macht. Dies dürfte noch einige Zeit dauern und den Betrieb in diesem Jahr nicht betreffen, meint die AECO auf Nachfrage.

Doch damit setzt nun auch eine Zeit der Ungewissheit und Unsicherheit für die Tourismusbetriebe ein, besonders für diejenigen im Schifffahrtsbereich, auf den die Massnahmen nach Angaben der Behörde vor allem abzielen. Wohin die Reise am Ende geht, ist schwierig abzuschätzen. Einige lokale Vertreter in Longyearbyen und Experten aus der Reisebranche sind der Ansicht, dass am Ende ein Schema ähnlich wie auf den Galapagosinseln mit geführten Touren an ausgewiesenen und entsprechend präparierten Stellen mit einem strengen Besucherregime was Anzahl der angelandeten Gäste und deren Aufenthaltsdauer angeht, resultieren könnte. Doch ob das tatsächlich das Ziel sei, oder eine andere für beide Seiten akzeptable Lösung gefunden werden kann, steht noch in den Sternen, oder besser, im Polarlicht über Svalbard.

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

Link zur Webseite der Norwegischen Umweltbehörde und ihren Vorschlägen (als pdf, in Norwegisch)

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