Erstmals Vogelgrippevirus in Grönland offiziell bestätigt | Polarjournal
Seit letztem Frühling dürfte das für Vögel hochansteckende HPAI-H5N1-Virus in Grönlands Vogelkolonien zumindest an der Westküste gewütet haben. Doch viele Kolonien sind derart abgelegen, dass nicht klar ist, wie gross die Zahl an verstorbenen Tieren tatsächlich sein könnte. Bild: Michael Wenger

KORREKTUR: Im ursprünglichen Artikel wurde gemeldet, dass das Virus in den Dickschnabellummen und den Eiderenten nachgewiesen worden war. Tatsächlich war das Virus aber nur in den beiden Dickschnabellummen nachzuweisen. Dieser Fehler ist jedoch aufgrund eines Übersetzungsfehlers der Pressemitteilung entstanden. Desweiteren wurden wir vom grönländischen Institut für Natürliche Ressource darauf hingewiesen, dass im vergangenen Jahr an mehreren Orten Monitorings der Vogelbestände durchgeführt worden waren, aber keine Tests auf Vogelgrippe durchgeführt worden waren, da die Beobachter keine ungewöhnlichen Sterblichkeiten festgestellt hatten. Beide Fehler wurden im Text korrigiert. Wir bedauern die Fehler und entschuldigen uns für allfällige Unannehmlichkeiten.

Nicht nur Menschen sind von Pandemien betroffen. Auch die Tierwelt kennt solche globalen Ausbrüche von Krankheitserregern. Das beste Beispiel dafür liefert die gegenwärtig grassierende, sehr virulente Form der Vogelgrippe H5N1, die im vergangenen Jahr auf der Nordhalbkugel zirkulierte und mittlerweile auch weit in den Süden gelangt ist, vor allem durch die Wanderbewegungen der Vögel zwischen Sommer- und Winterquartieren. Auch auf Svalbard und in Nunavut wurde das Virus nachgewiesen. Nun reiht sich auch Grönland in die Liste ein.

Von fünf toten Eiderenten aus der Region der grönländischen Ortschaft Qeqertarsuaq und zwei toten Dickschnabellummen in der Fyllas Bank in der Nähe von Grönlands Hauptstadt Nuuk wurde das HPAI-H5N1-Virus in den Dickschnabellummen serologisch nachgewiesen. Damit ist klar, dass auch Grönland von dieser hochansteckenden und mittlerweile global zirkulierenden Form der Vogelgrippe heimgesucht worden war. Das meldet die Veterinär- und Nahrungsmittelbehörde von Grönland VFMG in einer Pressemitteilung, die von der Regierung gestern veröffentlich worden ist. «Dies ist das erste Mal, dass die hochansteckende Form der Vogelgrippe in Grönland entdeckt worden ist», schreiben die Behörden in der Mitteilung.

Die toten Eiderenten stammten aus dem Gebiet rund um die Ortschaft Qeqertarsuag auf der Disko-Insel nahe Ilulissat und die beiden toten Lummen wurden im offenen Meer an der Fyllas Bank westlich von Nuuk entdeckt. Das Virus wurde in den beiden Dickschnabellummen nachgewiesen. Bild: Michael Wenger

Schon im Frühjahr 2022 hatten lokale Einheimische an mehreren Orten in Westgrönland von ungewöhnlich hohen Zahlen an toten Vögeln berichtet. Das grönländische Naturinstitut und die grönländische Veterinär- und Nahrungsmittelbehörde untersuchte gemeinsam mit den dänischen Kollegen die Meldungen und schickten die gesammelten toten Tiere an das staatliche Institut für Serologie der Universität Kopenhagen. Diese bestätigten mithilfe von serologischen Tests, dass die beiden Dickschnabellummen Träger des Virus waren und vermutlich auch an den Folgen der Erkrankung gestorben sind. Woher die Tiere das Virus hatten, ist jedoch unklar. «Die Fyllas Bank ist ein wichtiges Überwinterungsquartier für zahlreiche Vogelarten, die im Sommer auf Svalbard, Island und Nunavut brüten», erklärt die Veterinärbehörde in ihrer Mitteilung.

Das Virus, das den offiziellen Namen HPAI-H5N1 trägt, hat auf der Nordhalbkugel im vergangenen Jahr praktisch alle Länder erreicht und in Vogelkolonien massive Schäden angerichtet. Wirtschaftlich war es ebenfalls ein absolutes Desaster, denn Millionen von Hühnern, Truthähnen, Gänsen und Enten wurden notgeschlachtet, teilweise wegen einem Befall, teilweise, um die Ausbreitung einzudämmen. Wie viele Vögel in Grönland zugrunde gegangen sind, lässt sich nach Angaben der Experten aber nicht beziffern. Man geht jedoch davon aus, dass zahlreiche Kolonien betroffen waren und hohe Todesraten verzeichnet haben mussten. Die beiden Regionen, aus denen die toten Vögel stammten, sind beliebte Vogelgebiete aufgrund ihrer hohen Produktivität. Viele Lummenarten und andere Seevögel verbringen die Wintermonate im Südwesten Grönlands, wo die Bedingungen etwas angenehmer sind als in den Sommergebieten von Svalbard, Nunavut und Nordgrönland. Doch wenn der Frühling kommt und die Vögel in ihre Brutgebiete ziehen, bringen sie das Virus ganz automatisch mit. Besonders bei Lummen, die nahe aufeinander sitzen und auch sonst nicht gerade sanft miteinander umgehen, könnte so das Virus ungebremst zirkulieren. Wenn die Vögel durch den Brutbetrieb dann wegfliegen und während der Nahrungssuche auf dem Meer sterben, wird ein Befall auch erst spät erkannt.

Zwar ist das Virus für den Menschen in normalen Fällen harmlos und kann nur bei intensivem und langanhaltendem Kontakt auf den Menschen übertragen werden. Doch die Behörden warnen trotzdem die Bevölkerung, in diesem Jahr besonders vorsichtig zu sein. Eine Reihe von einfachen Massnahmen soll davor schützen, dass nicht doch noch das Virus auf den Menschen überspringt. Die Vorsicht ist auch angesagt, denn eine Studie aus Spanien zeigte, dass H5N1 durchaus das Potential hat, von Säugetier zu Säugetier übertragen zu werden. Und eine neue Pandemie «Made in the Arctic» ist definitiv in Niemandes Interesse.

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

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