Neue, alte Attraktion in Grytviken öffnet seine Tore | Polarjournal
Noch vor zehn Jahren war das Hauptlager der ehemals grössten Walfangstation Grytviken (Bildmitte) eine historische Ansammlung von Blech und Eisen und für Besucher aufgrund von Einsturzgefahr geschlossen. Doch dank fünf Jahre dauernder Restaurationsarbeiten ist das grosse Gebäude nun für Besucher geöffnet. Bild: Michael Wenger

Südgeorgien ist nicht nur ein Naturparadies, sondern auch ein Paradies für Historiker. Denn die Insel war über Jahrzehnte auch das Zentrum des industriellen Walfangs im Südatlantik und in der Antarktis. Von dieser wichtigen, aber auch traurigen Geschichte zeugt vor allem Grytviken, heute das Verwaltungszentrum von Südgeorgien und den Südsandwichinseln, aber auch vom South Georgia Heritage Trust und der Verwaltung unterhaltenes Freilichtmuseum über die Geschichte der Region. Nun können Besucher ein neues Highlight des Museums besuchen und tief in das Alltagsleben der Walfänger von Südgeorgien eintauchen.

Das grösste Gebäude der ehemaligen Walfangstation Grytviken, das Hauptlager, wurde nach fünf Jahren aufwändiger und sorgfältiger Restaurierungsarbeiten offiziell freigegeben und ist ab sofort für Besucher von Grytviken geöffnet. Laura Sinclair-Willis, Direktorin der Verwaltung von Südgeorgien und den Südsandwichinseln, meint dazu: «Der Hauptlagerraum ist von zentraler Bedeutung für die faszinierende Geschichte Südgeorgiens, und dank der Unterstützung eines Expertenteams ist er nun eine begehbare Zeitkapsel, die Besucher empfangen kann und ein wichtiger Teil unserer Arbeit ist, um die reiche Kulturgeschichte der Insel zu erklären.»

Das langgezogene Gebäude zwischen den Öltanks und der Flensplattform, wo die angelandeten Wale verarbeitet wurden, liefert den Besuchern einen sehr genauen Einblick in den Betrieb der Walfangstation, aber auch in das Alltagsleben der Menschen, die hier zwischen 1904 und 1965 gearbeitet und gelebt hatten. In langen Regalreihen, die frei begehbar sind, liegen unzählige Nieten, Bolzen, Schrauben und andere Materialobjekte. Aber auch Gegenstände wie Knochensägen, Blubberhaken für die Fettschichten der Wale, Flensmesser, mit denen die Wale zerlegt worden waren oder Harpunenköpfe, die mit Sprengladungen gefüllt die Wale rasch töten sollten, zeigen ein detailliertes Bild der industriellen Walfangzeit. Aufgehängte Schilder beschreiben die Gegenstände und deren Verwendungszwecke und liefern so wertvolle Informationen über diesen wichtigen Aspekt der Region. «In Anbetracht der abgelegenen Lage Südgeorgiens spielte es eine wichtige Rolle bei der Lagerung der zahlreichen Vorräte, die für den Betrieb der Walfangstation und ihrer Schiffsflotte benötigt wurden, einschliesslich der Verpflegung und Versorgung der vielen Männer, die die Walfangcrews bildeten, was ein gewaltiges Unterfangen war,» erklärt Jane Pierce, Museumskuratorin beim South Georgia Heritage Trust.

Doch nicht für die 10’000 – 15’000 jährlichen Besucher von Südgeorgien ist das Gebäude ein neues Highlight. Auch für Wissenschaftler war und ist das Lager eine wahre Schatztruhe und liefert viel Material für die Forschung. Denn in den vergangenen Jahren wurden die Gegenstände und das Gebäude nicht nur restauriert, sondern auch genauer untersucht und katalogisiert. Dazu waren umfangreiche und auch kostspielige Arbeiten notwendig, denn die abgeschiedene Lage Südgeorgiens und die harschen klimatischen Bedingungen machten die Arbeiten nicht einfach. «Nach einer Zustandsuntersuchung und einem Bericht über die Bausubstanz des Hauptlagers, die 2018 veröffentlicht wurden, arbeiteten unser Heritage Bauteam, die Museumskuratoren des SGHT und ein Beratungsgremium aus Denkmalschutzexperten in den Sommersaisons 2018 bis 2023 an der Sanierung der Gebäudestruktur», sagt Laura Sinclair-Willis. «Dazu gehörte der Neuanstrich des gesamten Aussenbereichs, die Entfernung moderner Geräte und Materialien, die Installation von elektrischen Leitungen und historischen Beleuchtungskörpern sowie der Austausch von Fenstern, so dass wir heute ein vollständig zugängliches Gebäude haben. Die Restaurierung des Hauptlagers der Insel wäre ohne die grosszügige Unterstützung der vielen Organisationen und Freunde, die eine enge Beziehung zu Südgeorgien haben, nicht möglich gewesen.»

Der Erhalt von Grytviken und den anderen auf Südgeorgien stehenden Stationen ist ein wichtiges Anliegen für den South Georgia Heritage Trust. Denn das einstige Zentrum des industriellen Walfangs, wo über 175’000 Wale in 61 Jahren geschlachtet und verarbeitet wurden, steht heute als Mahnmal dafür, wie der Mensch nicht mit den Schätzen der Natur für den technologischen Fortschritt umgehen sollte. Gleichzeitig steht Südgeorgien aber auch für eine erfolgreiche Renaturierung einer einst kommerziell ausgebeuteten und stark beeinträchtigten Region. Dies einerseits durch die erfolgreichen Bemühungen des SGHT bei der Schädlingsbekämpfung, dank dessen die einzigartige Flora und Fauna auf der Insel wieder gedeihen kann. Andererseits aber auch dank dem Aufrechterhalten des Walfangmoratoriums, wodurch Wale heutzutage wieder in den Gewässern rund um Südgeorgien in grosser Zahl zu sehen sind und die Besucher in ihren Bann ziehen… genauso wie es das neue, alte Hauptlager in Grytviken tun wird.

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

Link zur Webseite des South Georgia Heritage Trust

Link zur interaktiven Karte von Grytviken via South Georgia Museum

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