Junge Polarfüchse in Nunavut unternehmen ausgedehnte Wanderungen | Polarjournal
Polarfüchse sind mit ihren knapp 3 Kilo richtige Leichtgewichte. Doch die flinken und intelligenten Raubtiere sind an das arktische Leben perfekt angepasst und können auch tausende von Kilometern auf der Suche nach neuen Jagdgebieten zurücklegen. Bild: Michael Wenger

Die Arktis ist mit ihren rund 16.5 Millionen Quadratkilometern Fläche gewaltig. Sich darin zu bewegen und geeignete Plätze für Fortpflanzung und Nahrung zu finden, bedeutet für Tiere, weite Strecken zurücklegen zu müssen. Als vor vier Jahren Forschende eine junge Polarfüchsin entdeckt hatten, die über 4’400 Kilometer zurückgelegt hatte, als sie von Svalbard in die kanadische Arktis gewandert war, zeigten sich Experten überrascht über diese riesige Distanz. Doch einer neuen Langzeitstudie zufolge, dürfte diese Wanderung der jungen Füchsin nur die Spitze des Eisberges gewesen sein.

Wenn junge Füchse den elterlichen Bau am Ende eines arktischen Sommers verlassen, machen sie sich auf die Suche nach einem eigenen geeigneten Revier und können dabei durchschnittlich über 4’800 Kilometer innert knapp eines Jahres zurücklegen. Im Vergleich dazu sind ausgewachsene Tiere eher «Stubenhocker», die «nur» noch etwa ein Drittel der Distanz zurücklegen und auch nur noch rund ein Drittel der Zeit unterwegs sind. Das ist das Ergebnis einer rund 13 Jahre dauernden Langzeitstudie an Polarfüchsen im Osten der kanadischen Arktis, die von Dr. Richard Gravel und seinen Kolleginnen Dr. Sandra Lai und Dr. Dominique Berteaux von der Universität Québec in Rimouski vor kurzem in der Fachzeitschrift Royal Society Open Science veröffentlicht worden ist.

Polarfüchse, die mit ihren knapp 3 Kilogramm Lebendgewicht keine grossen Raubtiere sind, haben es im Laufe ihrer Entwicklung geschafft, sämtliche Bereiche der Arktis und Teil der Subarktis zu besiedeln. Die Tiere sind bekannt dafür, dass sie auch ohne zu zögern auf dem arktischen Meereis unterwegs sind und einen breite Nahrungspalette aufweisen. Doch bisher waren nur wenige Details über das Wanderverhalten der Tiere bekannt. «Die meisten Studien konzentrierten sich auf Vögel», schreibt das Team in ihrer Arbeit. Doch Richard Gravel wollte für die Studie untersuchen, inwieweit die verschiedenen Lebensabschnitte von Polarfüchsen bei den Wanderungen und der Ausbreitung der Art eine Rolle spielen. Das ist auch im Hinblick auf die Verbreitung von Krankheiten wie Tollwut wichtig. Denn gerade in der kanadischen Arktis werden immer häufiger Fälle von Fuchsbissen an Hunden gemeldet.

Für die Resultate der Studie wurden die Wanderbewegungen von 170 Polarfüchsen, die mit GPS-Halsbändern versehen worden waren, im Laufe von 13 Jahren untersucht. Die Tiere wurden alle auf der Bylot-Insel, die am nördlichen Eingang zur Nordwestpassage in Nunavut, Kanada liegt, gefangen und besendert. Diese hohe Zahl war auch notwendig, denn am Ende unternahmen lediglich 10 junge Polarfüchse und 27 ausgewachsene Tiere Langstreckenwanderungen innert einem Jahr.

Im Verlauf der Studie wanderte ein Tier von Nunavut bis nach Nordwestgrönland und wieder zurück. Ein anderes zog von der Grenze zu Alaska bis nach Baffin Island. Der Rekord, den Gravel und sein Team verzeichneten, lag bei über 6’000 Kilometern und zeigt, wie weit diese kleinen Raubtiere wandern können. Bild: Michael Wenger

Dabei machten Polarfüchse auch vor dem Meereis zwischen Kanada und Grönland nicht halt. Eines der Tiere wanderte tatsächlich im Laufe der Zeit von Nunavut in die Nordwestecke Grönlands, danach der Küste entlang nach Süden und wieder zurück nach Nunavut. Ein anderes Tier legte die Strecke zwischen der Grenze zu Alaska bis nach Baffin Island zurück. Doch trotz des grossen Unterschieds in Sachen Minimumdistanz zeigten die verschiedenen Altersklassen auch Ähnlichkeiten. So waren beispielsweise Jungfüchse zwar länger unterwegs, legten dabei aber einen wenige direkten, linearen Weg zurück und auch ihre Tagesleistungen waren geringer als diejenigen von Erwachsenen, jedoch nicht statistisch signifikant. Am Ende blieben die Tiere meist im grösseren Umkreis von Bylot. «Dies steht in direktem Zusammenhang mit ihrer anfänglichen Phase der Wanderschaft, die aufgrund des fehlenden Meereises im Herbst auf die Insel Bylot beschränkt war», ist das Team überzeugt. Für sie ist das Meereis einer der wichtigsten Faktoren, die für die Ausbreitung und die Wanderbereitschaft von Polarfüchsen eine Rolle spielen. Und obwohl ihre Studie einen wichtigen Einblick in die altersabhängige Lebensweise von Polarfüchsen bietet, warnen sie davor, ihre Resultate zu verallgemeinern. «Die Muster können je nach den örtlichen ökologischen Bedingungen von Population zu Population unterschiedlich sein», kommen sie zum Schluss. Darum möchten sie gerne die Studie an anderen Orten mit jungen Füchsen weitergeführt sehen und so noch mehr über die Wanderfreude dieser kleinen, anpassungsfähigen Raubtiere zu lernen.

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

Link zur Studie: Gravel et al (2023) R Soc Open Sci 10 (220729) Long-term satellite tracking reveals patterns of long-distance dispersal in juvenile and adult Arctic foxes (Vulpes lagopus); doi.org/10.1098/rsos.220729

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