Geräusche helfen Menschen und Tieren, sich in ihrer Umwelt zurechtzufinden, Partner zu finden oder Beute aufzuspüren. Sie geben aber auch der Forschung wichtige Hinweise über den Zustand eines Systems und den Organismen, die sich darin befinden. Besonders in den Polargebieten spielt die Akustik darum eine wichtige Rolle, sowohl für die Tiere wie auch die Wissenschaftlerteams. Doch man kann noch was ganz anderes mit diesen Geräuschen machen, wie ein Projekt des Alfred-Wegener-Instituts AWI und des Helmholtz-Instituts für funktionelle Marine Biodiversität HIFMB zeigt: Musik.
Die polare Geräuschkulisse, die von Wind- und Wasserbewegung, von krachenden Eisbergen und -schollen an der Oberfläche geprägt wird, zieht sich auch Unterwasser weiter. Klick- und Pfeifgeräusche von Schwert-, Beluga- oder Narwalen, die kaum hörbaren, aber fühlbaren tieffrequenten Töne von Blau- und Grönlandwal und das melodische Singen der Buckelwale wird begleitet von den ausserirdisch anmutenden Tönen von Bart-, Weddell-, Ringel- oder Rossrobben. Und dazu Musik aus den verschiedensten Stilrichtungen, das ist das Album Polar Sounds, das gestern Montag neu veröffentlicht worden ist. Das Album kann als Teil des grossangelegten Musikprojektes «Cities and Memories», welches die Vertonung der Erde als sein Ziel sieht, auf der Plattform von bandcamp.com gegen einen freiwilligen Unkostenbeitrag heruntergeladen werden.
Das Projekt wurde von Dr. Geraint Rhys Whittaker vom HIFMB koordiniert und in Zusammenarbeit mit dem AWI zusammengetragen. Dabei wurden Akustikdaten aus der Arktis und Antarktis verwendet, die im Rahmen verschiedener Forschungsprojekte im Laufe der Jahre gesammelt worden waren. «Die Klanglandschaften, die wir in den Polarmeeren aufzeichnen, sind atemberaubend in Bezug auf die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse, die sie liefern, seit wir unser passives akustisches Monitoring begonnen haben», sagt Dr. Ilse van Opzeeland, die Leiterin Meeresakustikgruppe des AW. Und Dr. Rhys Whittaker fügt an: «Wir haben uns gefragt, was wir mit diesen Daten tun können, ausser sie wissenschaftlich auszuwerten. Wie können wir diese weltfremden Klänge mit dem Rest der Welt teilen?», erklärt Dr. Rhys Whittaker. «Diese Fragen gaben uns den Anstoss zum Polar Sounds Projekt.»
Dem Aufruf zum Projekt folgten rund 300 Künstlerinnen und Künstler aus aller Welt und aus diesen wurden am Ende 105 ausgesucht, die aus einer Mischung von biologischen, geologischen und Menschverursachten Geräuschen auswählen und mit ihren persönlichen Musikstilen verbinden konnten. Daraus entstand eine Sammlung von 105 Musikstücken, die nun auf dem veröffentlichten Musikalbum zu hören sind. «Was mir bei der Arbeit an diesem Projekt besonders gut gefallen hat, ist die Einzigartigkeit dieser Klänge und wie sie eine intuitive Verbindung zwischen uns als Menschen und dem Meer herstellen können», sagt Dr. Rhys Whittaker zum Ergebnis. Mit dem Album wollen die Forschenden die allgemeine Öffentlichkeit auf die Vielfalt des Lebens in den polaren Regionen aufmerksam machen und auch auf die eigene Arbeit. «Eine «Übersetzung» durch die Kunst haucht unseren wissenschaftlichen Daten neues Leben ein, das über eine traditionelle Publikation oder ein Strategiepapier hinausgeht, indem es sie für Nichtwissenschaftler zugänglich macht», meint Dr. van Opzeeland.
Das Projekt Polar Sounds ist mit der Veröffentlichung des Albums aber noch nicht am Ende, wie Dr. Rhys Whittaker erklärt. «Der nächste Schritt des Projekts wird sein, diese Klänge in einer Wanderausstellung vorzustellen.» Und das soll bereits in diesem Jahr geschehen. Die Zeit drängt, denn die Ozeane, nicht nur in der Arktis und Antarktis, drohen von den Geräuschen, dem Klimawandel und der zunehmenden Vermüllung zu verstummen. «Die Vereinten Nationen haben die Jahre 2021 bis 2030 zur Dekade der Ozeane erklärt und es ist unerlässlich, dass wir wichtige Forschung über unsere Meere einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen», sagt Dr. Rhys Whittaker. Und Dr. van Opzeeland fügt an: ««Wir müssen die grössten Anstrengungen unternehmen, um die gefährdeten Lebensräume unseres Planeten zu schützen, zu erhalten und wiederherzustellen. Das Zusammenwirken von Kunst und Wissenschaft kann dabei helfen, indem es dafür ein Bewusstsein und Aufmerksamkeit schafft.»
Dr. Michael Wenger, PolarJournal
Link zur Webseite und zum Download von Polar Sounds