Grönlandhaie — Immer noch die großen Unbekannten | Polarjournal
Grönlandhaie sind noch immer ein Mysterium. Doch neue Studien sind in Arbeit und liefern sicher spannende Erkenntnisse. Foto: Arve Lynghammar

Wo pflanzen sich Grönlandhaie fort? Wo bekommen sie ihre Jungen? Wie viele Jungtiere kann ein Weibchen zur Welt bringen? Wie groß ist die Population und was sind ihre Wanderrouten? Alles Fragen, auf die Forschende noch keine Antwort haben. Sicher hingegen ist ihre hohe Lebenserwartung von mehreren hundert Jahren. Einige der offenen Fragen können hoffentlich bald beantwortet werden, denn 40 Grönlandhaie werden momentan per Satellit verfolgt.

Schon vor einiger Zeit hat Julius Nielsen, der am Greenland Institute of Natural Resources in Nuuk forschte und jetzt zum Natural History Museum in Kopenhagen wechselt, im Rahmen seiner Doktorarbeit die erstaunliche Entdeckung gemacht, dass sich Grönlandhaiweibchen erst ab einem Alter von 100 bis 150 Jahren zum ersten Mal paaren. 

Aber auch bei der Fortbewegung lassen sie sich Zeit. Innerhalb einer Stunde schwimmen sie nur etwas mehr als einen Kilometer. Zum Vergleich, ein Mensch läuft etwa dreimal schneller bei einem gemütlichen Spaziergang. Dennoch gehen Forschende davon aus, dass die zu den Schläferhaien gehörenden Fische mehrere hundert oder gar tausend Kilometer innerhalb weniger Monate zurücklegen können.

(a) Das charakteristische kreisförmige Maul eines Grönlandhais. Foto: Julius Nielsen. (b) Grönlandhaie können große Beutetiere wie diese Sattelrobben im Ganzen verschlucken. Foto: Julius Nielsen. (c) Kreisförmige Bisspuren an Belugawalen. Foto: aus MacNeil et al. 2012. (d) Stücke von Robben aus dem Magen eines Grönlandhais. Foto: Julius Nielsen. Abbildung aus Nielsen et al. 2019

Gegenüber ScienceNorway sagte Nielsen, dass er auch herausfinden möchte, wovon sich Grönlandhaie ernähren. In den Mägen von Grönlandhaien, die als Beifang ins Netz gingen, wurden bereits einige, teils kuriose Funde gemacht, die von Kabeljau über komplette, unverletzte Robben und Überreste von Rentieren bis hin zu Eisbären und Schlittenhunden reichen. Netze aus der Fischerei und Cola-Dosen waren auch dabei.

Da stellt sich die Frage, wie fängt solch ein Langsamschwimmer agile, wendige Fische und Robben? Eine Hypothese ist Nielsen zufolge, dass Grönlandhaie lautlos schwimmen und so ganz nah an ihre Beute herankommen. «Dann öffnet er einfach schnell sein Maul und erzeugt einen Unterdruck im Inneren des Mauls», sagt Nielsen. «So können ganze Robben im Magen des Hais verschwinden.»

Neue Forschung vom Greenland Institute of Natural Resources deutet daraufhin, dass ein Grönlandhaiweibchen pro Wurf mehrere hundert Junge zur Welt bringen kann. In diesem Weibchen fanden die Forschenden 649 unbefruchtete Eier. Foto: Julius Nielsen

In einer neuen Studie arbeiten jetzt Forschende aus Grönland, Tromsø und Kopenhagen zusammen und statten 40 Grönlandhaie mit Satellitensendern aus. Sie hoffen so ihre noch geheimen Fortpflanzungsorte zu finden und auch die Region, in der die Weibchen ihre Jungen gebären.

Der dänische Forscher Kim Præbel vom Norwegian College of Fishery Science an der Universität Tromsø nimmt in einer anderen Studie die DNA der Grönlandhaie genauer unter die Lupe. Er sagt, das genetische Material der Haie könnte in Zukunft weitere spannende Forschungsergebnisse liefern. «DNA von Grönlandhaien vor der Küste Norwegens zeigt eine völlig andere genetische Struktur als erwartet», lässt er gegenüber ScienceNorway durchblicken.

So vermutet Præbel, dass Grönlandhaie im gesamten Weltozean zuhause sind. Vielleicht sind die verschiedenen Schläferhaiarten, die im Nordatlantik, im Pazifik, im Mittelmeer, vor Japan und in der Antarktis leben, gar nicht verschiedene Arten. 

Meeresbiologen von der Universität Kopenhagen, der UiT The Arctic University of Norway und der Universität Aarhus haben in der Fachzeitschrift Science bemerkenswerte Erkenntnisse über den Grönlandhai veröffentlicht. Anhand der Kohlenstoff-14-Datierung der Augenlinse des Hais haben die Forscher festgestellt, dass der Hai zwischen 270 und 510 Jahre alt sein könnte. 

Laut Præbel haben die Forschenden jetzt auch geschlechtsreife Weibchen und Männchen zur selben Zeit am selben Ort beobachtet — in einem Fjord der Lofoten in Nordnorwegen. In jedem Fall verspricht er aufregende Erkenntnisse über Grönlandhaie.

Julia Hager, PolarJournal

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