Die 1. Deutsche Antarktisexpedition 1901-03 | Polarjournal
Erich von Drygalski leitete die 1. Deutsche Expedition von 1901-1903 in die Antarktis, auch als Gauss-Expedition bekannt. Nach der Rückkehr verfasste Erich von Drygalski die Erzählung der Expedition und redigierte die umfangreichen wissenschaftlichen Daten. Zwischen 1905 und 1931 veröffentlichte er die 20 Bände und zwei Atlanten, welche die Expedition dokumentierte.

Der Direktor der Deutschen Seewarte Georg von Neumayer war der Initiator der deutschen Arktisforschung. Zum VIII. Internationalen Geographenkongress im Oktober 1899 in Berlin konnte er das Vorhaben einer Südpolar-Expedition vorstellen. Erich von Drygalski, Professor für Geographie und Geophysik an der Universität Berlin, wurde ausgewählt, die Expedition zu leiten, da er bereits Polarerfahrungen bei einer Expedition nach Grönland gesammelt hatte. Er zeigte eine gute Erfolgsbilanz bei der Durchführung ernsthafter wissenschaftlicher Studien unter polaren Bedingungen.

Die «Gauss» auf der Fahrt nach Süden.

Der Deutsche Reichstag unterstützte finanziell die Expedition mit eineinhalb Millionen Mark. Der Bau des Expeditionsschiffes begann im Jahre 1900. Das Schiff kostete 500.000 Mark, es war 46,3 Meter lang (152 Fuß) und 11,2 Meter (37 Fuß) breit. Bug und Heck waren mit Stahlverstärkungen versehen. Die Eigenschaften des Schiffes waren aber weniger beeindruckend, es war langsam, unbequem in rauer See, dunkel im Inneren und drückend heiss in den Tropen.

Zur Ausrüstung gehörte noch ein 325 PS starker Hilfsmotor. Segeln war aber noch immer das Hauptantriebsmittel. Jeder Offizier und Wissenschaftler hatte seine eigene Kabine, es gab zwei Speise- und Aufenthaltsbereiche. Ein Jahr später wurde das Schiff auf den Namen des Begründers der wissenschaftlichen Antarktisforschung, Karl-Friedrich Gauss, getauft. 

Die «Gauss» verliess am 11. August 1901 Kiel und kehrte im November 1903 wieder nach Kiel zurück.

Die «Gauss» verliess am 11. August 1901 Kiel in Richtung Antarktis. Sie sollte den Sektor zwischen 60° und 90° Ost erforschen, da dieser in der Nähe des magnetischen Südpols lag und wenig über das Gebiet bekannt war. Die «Gauss» erreichte am 2. Januar 1902 die im Indischen Ozean liegenden Inseln der Kerguelen. Am 31. Januar verliess die «Gauss» die Kerguelen in Richtung Antarktis und sieben Tage später sichteten sie ihren ersten Eisberg.

Am 21. Februar 1902 wurde erstmals Land gesichtet, gesäumt von 40 bis 50 Meter hohen Eisklippen. Dieses wurde Kaiser-Wilhelm-II.-Land betitelt und später in Wilhelm-II.-Küste umbenannt. Die «Gauss» versuchte weiter zu segeln, wurde aber von der Bildung von Meereis eingeschlossen. Die Besatzung versuchte, mit Sprengstoff einen Ausweg zu sprengen, aber ohne Erfolg. Am 2. März wurde klar, dass die «Gauss» 74 Kilometer (46 Meilen) von der Küste entfernt für den Winter eingeschlossen war.

Erich von Drygarski:  „Es war dort oben so warm, dass ich sogar meine Handschuhe ausziehen konnte … der Anblick aus dieser Höhe war grandios. Ich konnte den neu entdeckten Gaussberg sehen und … gab meine Beschreibung per Telefon an das Deck des Schiffes weiter. Der Berg war die einzige eisfreie Landmarke in der Umgebung“.

Drygalski war in erster Linie Wissenschaftler. Seine Absicht war es, so viel wie möglich über den Sektor der Antarktis, in dem er sich befand, herauszufinden. Er und die wissenschaftlichen Mitglieder der Besatzung machten sich bereit zur Beobachtung magnetischer, meteorologischer und astronomischer Phänomene. Beobachtungsposten wurden errichtet und Löcher durch das Eis gebohrt, um vom Meeresboden Steine zu sammeln.

Am 29. März 1902 unternahm Drygalski den ersten Aufstieg in einem mit Wasserstoff gefüllten Aufklärungsballon auf eine Höhe von 490 m (1600 Fuß) und sichtete in der Ferne eine dunkle Erhebung. Wenige Tage später unternahmen Drygalski und einige seiner Männer eine Erkundungsfahrt mit Schlitten zu dem etwa 80 km entfernten Berg. Während einer insgesamt 13-tägigen Mission wurde der 371 Meter hohe Vulkan erforscht und vermessen. Sie benannten ihn – wie schon das Forschungsschiff der Expedition – nach dem Mathematiker Carl Friedrich Gauss, oder Gauss Berg.

Auf dem Inlandeis nordwestlich des Gauss Bergs. Vanhöffen, Drygalski, Friedrich Bidlingmaier mit Gauss Berg in der Ferne.

Der Gauss Berg stellte sich als der am weitesten südlich erreichte Punkt der Expedition heraus. Weitere Schlittenfahrten dorthin wurden im April unternommen, bevor der Winter vollständig einsetzte. Drygalski bestieg auf der letzten Fahrt den Gipfel des Gauss Bergs und beschrieb eine Landschaft, die ausser dem Felsvorsprung des Gauss Bergs selbst vollständig aus Eis besteht.

Der Winter kam und die Männer beschäftigten sich so gut sie konnten. Das Schiff war gut versorgt und es gab genügend privaten und öffentlichen Raum. Vorträge wurden arrangiert und Clubs entstanden, ein Musik-Club, ein Raucher-Club, Karten-Clubs und ein Mittwinterfest wurden organisiert. Obwohl die Männer feststellten, dass der Winter seine Härten hatte und aufgrund des Mangels an Tageslicht und der Kälte und der Stürme draussen, die sie häufig auf das Schiff einsperrten, depressiv wurden, überlebten sie so gut wie alle anderen zeitgenössischen Winterfahrer.

Drygalski hatte gehofft den 72 ° oder 73 ° S erreichen zu können, aber die Umstände im Frühjahr 1903 führten dazu, dass diese Idee aufgegeben wurde. Er dachte, es gäbe keinen guten wissenschaftlichen Grund, weiter nach Süden zu fahren. Er hatte über die Umstände der Besatzung der «Belgica» und die Schwierigkeiten, die sie hatte, dem Eis zu entkommen, gelesen. Während die «Belgica» in einer Eisdicke von etwa 2 m (7 Fuß) eingeschlossen war, befand sich die Gauss in einer Eisdicke von 5 bis 6 m (16 bis 19 Fuß), und darüber hinaus gab es Schneeverwehungen von bis zu 12 m (40 Fuß). 

Die «Gauss» war 14 Monate im Eis gefangen und kam erst am 16. März 1903 wieder frei.

Das Freikommen schien Anfang Jahr immer näher zu rücken, aber am 21. Januar 1903 schloss ein heftiger Sturm den Kanal und trieb Schnee über die offenen Wasserflächen, als wären sie nie dort gewesen. Eine Woche später, am 28. Januar, war das gesamte Gebiet in Bewegung und Drygalski befahl, die gesamte Ausrüstung vom Eis wieder an Bord zu bringen. Die Gauss trieb jetzt mit dem Eis, obwohl sie immer noch darin gefangen war.

Es wurde wärmer und Robben und Vögel wurden wieder in grosser Zahl gesichtet. Das Eis begann aufzubrechen, aber das Schiff war aber immer noch etwa 600 m (2000 Fuß) vom offenen Wasser entfernt. Mit Sprengstoff und langen Eissägen wurde versucht, einen Kanal zum offenen Wasser zu schneiden, aber ohne Erfolg. Die Besatzung streute daraufhin mehrfach Asche in den Bereich zwischen der «Gauss» und der Eiskante. Die Sonnenstrahlen schmolz unter der dunklen, Wärme absorbierenden Ascheschicht eine Fahrrinne von zwei Metern Tiefe in das Eis.

Während der Expedition wurden auch Aufzeichnungen und Skizzen der Flora und Fauna gemacht. Das Bild zeigt eine Zeichnung eines Zügelpinguins.

Am 8. Februar schrieb Drygalski: „Wir spürten plötzlich zwei scharfe Stöße in schneller Folge … es war wie eine Offenbarung, und mit einem Schrei ‚Das Eis bricht‘ sprang ich auf das Deck.“ Die «Gauss» kam frei und erreichte am 16. März wieder das freie Wasser. 

Das Schiff segelte erneut zu den Kerguelen-Inseln und fuhr dann weiter nach Kapstadt in Südafrika, wo es am 9. Juni 1903 anlegte. Von dort sandte Drygalski eine Anfrage nach Berlin, um einen weiteren Winter in der Antarktis zu verbringen. Seine Bitte wurde abgelehnt, höchstwahrscheinlich, weil der Kaiser enttäuscht war, dass weder ein bedeutendes Neuland entdeckt noch ein sensationelles Abenteuer zu vermelden war. Die «Gauss» brach am 23. November 1903 wieder nach Norden auf und erreichte Kiel. Sie wurde nach Kanada verkauft, um die Expedition zu bezahlen.

Die «Gauss» wurde Anfang 1904 von der kanadischen Regierung gekauft und auf den Namen «CGS Arctic» umbenennt. Das Bild zeigt das Schiff im Jahr 1923 vor Anker in Pond Inlet.

Was hat die Expedition gebracht

Als wissenschaftliche Expedition war sie ein grosser Erfolg gewesen, und die Errungenschaften wurden von der wissenschaftlichen Gemeinschaft hoch gelobt. Von 1905 bis 1931 wurden zwanzig Bände mit Berichten veröffentlicht. Die Expedition lieferte starke Beweise für die Existenz der Antarktischen Konvergenz, sechshundert Meilen Küstenlinie wurden vermessen und 1.440 Arten lebender Organismen beschrieben, die in der Antarktis endemisch sind.

Als Expedition von öffentlichem Interesse wurde sie jedoch weit von anderen überschattet, die ungefähr zur gleichen Zeit höhere Breiten (näher am Pol) erreicht hatten. Was in der Öffentlichkeit nicht gewürdigt wurde, war, dass die «Gauss» in einer völlig neuen Region war, die sie noch nie zuvor besucht hatte, wo sie alleine arbeitete und völlig neue Entdeckungen veröffentlichte. Im Vergleich zu sensationelleren Abenteuern sieht der Laie jedoch eine oder zehn neue Arten obskurer Fauna oder sorgfältig beschriebene wissenschaftliche Beobachtungen als wenig wertvoll an.

Heiner Kubny, PolarJournal

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