Alles hängt mit allem zusammen, ganz gleich wie groß die Distanzen sind. Dies bestätigt sich einmal mehr. Das El Niño Southern Oscillation – Phänomen, kurz ENSO, bringt in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen die gewohnten natürlichen Abläufe im östlichen Pazifik aufgrund veränderter Meeresströmungen gehörig durcheinander. Aber nicht nur dort, wie ein internationales Forschungsteam unter der Leitung der australischen Wissenschaftsbehörde CSIRO jetzt herausgefunden hat. ENSO beeinflusst ihnen zufolge auch die Wassertemperaturen im Südlichen Ozean und bestimmt so das Schicksal von antarktischen Eisschelfen und Eisschilden mit.
El Niño — ungefähr alle vier Jahre, beginnend etwa zur Weihnachtszeit, bleiben aufgrund veränderter Luftdruckverhältnisse über dem Pazifik an der Westküste Südamerikas die Passatwinde aus. Damit kommt entlang der Küste der Auftrieb von nährstoffreichem Tiefenwasser allmählich zum Erliegen, was zum Absterben des Planktons und Zusammenbruch ganzer Nahrungsketten führt. Gleichzeitig schwappt aus dem Westpazifik eine Warmwasser-Blase Richtung Osten, da das Oberflächenwasser wegen der ausbleibenden Passatwinde nicht mehr in Richtung Westen getrieben wird. Für die marine Tierwelt an der Küste Südamerikas und auch auf den Galápagosinseln sind die El Niño-Phasen meist katastrophal.
Beim Pendant La Niña sind die Passatwinde stärker als normal ausgeprägt und bringen eine starke Abkühlung des östlichen Pazifiks mit sich.
Sowohl El Niño als auch La Niña beeinflussen wegen der Verlagerung des Jetstreams das Wettergeschehen weltweit, was das ENSO-Phänomen zu einer wichtigen Triebkraft für Klimaschwankungen macht. Bisher waren Auswirkungen vor allem aus Regionen wie dem Amazonasgebiet, Mexiko, Südostasien, Australien, Ostafrika und seit kurzem auch aus der Arktis bekannt.
Die Ergebnisse des Forschungsteams, die in Nature Climate Chance veröffentlicht wurden, zeigen jetzt anhand von 31 Klimamodellen, dass ENSO auch Auswirkungen auf die antarktischen Wassertemperaturen hat. Demnach führt eine höhere Variabilität von ENSO einerseits zu einer geringeren Erwärmung des antarktischen Oberflächenwassers, was gut ist für das Meereis, aber andererseits zu einer beschleunigten Erwärmung tieferer Wasserschichten, was wiederum die Eisschelfe und Eisschilde bedroht.
«Es wird erwartet, dass der Klimawandel das Ausmaß von ENSO erhöht und sowohl El Niño als auch La Niña stärker werden», sagt Wenju Cai, Experte für die Beziehung zwischen Klimawandel und ENSO und Hauptautor der Studie, in einer Pressemitteilung von CSIRO. «Diese neuen Forschungsergebnisse zeigen, dass ein stärkerer El Niño die Erwärmung des Tiefenwassers im antarktischen Schelf beschleunigen kann, wodurch Schelfeis und Eisschilde schneller schmelzen.»
Gleichzeitig, erklärt Dr. Cai weiter, wird die Erwärmung des Wassers an den Rändern des Meereises verlangsamt, wodurch auch das Schmelzen des Meereises verlangsamt wird. «Modelle mit erhöhter ENSO-Variabilität zeigen einen geringeren Auftrieb von tieferem, wärmerem Wasser, was zu einer langsameren Erwärmung der Meeresoberfläche führt», sagt er.
Als Ursache für diese Prozesse macht das Forschungsteam eine veränderte Intensität der Westwinde entlang des antarktischen Schelfs verantwortlich. Erhöht sich die ENSO-Variabilität, schwächen sich die Westwinde ab, wodurch der Auftrieb von warmem Wasser abnimmt — gut für das Meereis aber bedrohlich für die Eisschelfe und Eisschilde.
Co-Autorin Ariaan Purich von Securing Antarctica’s Environmental Future an der Monash University sagte, dass die Auswirkungen der zunehmenden ENSO-Variabilität über die Risiken extremer Wetterlagen hinausgehen und Veränderungen des antarktischen Meereises sowie der Schelfe und Eisschilde betreffen. «Dies könnte weitreichende Auswirkungen auf das globale Klimasystem haben. Daher ist es ein entscheidender Bereich der Klimaforschung, zu verstehen, wie ENSO auf den Klimawandel reagieren wird», sagt Dr. Purich und fügt hinzu: «Wir müssen noch viel mehr über die Prozesse verstehen, die die Schelftemperaturen beeinflussen, und die Ergebnisse sind ein wichtiges Puzzleteil.»
Julia Hager, PolarJournal