Touristen sollen wieder in die Nordostpassage | Polarjournal
Am westlichen Ende der Nordostpassage wartet Murmansk, einst das Tor zum Nordpol, nach Franz-Josef-Land und in die legendäre Wasserstrasse, darauf, dass wieder eine touristische Verbindung mit dem russischen Fernen Osten entsteht. Bild: Michael Wenger

Seit dem 24. Februar letzten Jahres ist viele anders auf der Welt. Beispielsweise schlossen sich die Tore für touristische Aktivitäten in der russischen Arktis zwischen Murmansk und Wladiwostok. Zahlreiche Anbieter von Expeditionsreisen, die stark auf die bisher wenig bereiste Region gehofft hatten, mussten ihre Pläne komplett begraben. Die russische Regierung, die immer wieder eigene, grosse Pläne für die Durchführung von touristischen Aktivitäten in der Region angekündigt hatte, wird nun die Lücke füllen. Doch die grossen Pläne sind ziemlich reduziert worden.

Zwei Veteranen polarer Expeditionsreisen, die Kapitan Dranitsyn in Murmansk und die Kapitan Khlebnikov in Wladiwostok, sollen so bald wie möglich durch die Nordostpassage fahren und dabei jeweils rund 120 Gäste in die Region bringen. Die rund vierwöchige Reise soll dabei in einer Art Shuttle-Service geführt werden. Das bedeutet, dass die Dranitsyn von Murmansk aus nach Wladiwostok fahren wird und die Khlebnikov in die umgekehrte Richtung. Dabei sollen neben den klassischen Orten wie Wrangel Island, Severnaja und Nowaja Semlja und Franz-Josef-Land auch Orte wie Anadyr, Pevek, oder Dickson angesteuert werden. Verantwortlich für die Planung und die Durchführung soll der russische Staatsbetrieb «Rosmorport» sein und die Pläne von Vize-Premierminister Juri Trutnev umsetzen, wie mehrere russische Quellen berichten. Ob die Pläne noch in diesem Jahr in die Tat umgesetzt werden, ist jedoch nicht restlos geklärt.

Die beiden noch aus Sowjetzeiten stammenden Schwesterschiffe, die in den 1980er Jahren in Finnland gebaut worden waren, sind beide immer als Arbeitsschiffe in den jeweiligen Regionen als Eisbrecher für Transportschiffe eingesetzt worden, auch heute. Da in der Vergangenheit in den Sommermonaten ihre Dienste nicht notwendig waren, wurden die Schiffe immer wieder von ausländischen Firmen gechartert, wenn spezielle Reisen geplant waren, beispielsweise im Oktober zu den Kaiserpinguinen von Snow Hill Island oder eine komplette Umrundung der Arktis oder von Antarktika. Weil die Schiffe aber in erster Linie Arbeitsschiffe waren, standen den Gästen nur die Kabinen und die Infrastruktur der Besatzung zur Verfügung. Dies soll nun nach den Plänen von Rosmorport geändert und die Schiffe auf Passagierbetrieb umgestellt werden. Modernisierungsarbeiten sind dazu angekündigt worden und beide Schiffe sollen in Zukunft 120 Passagieren Platz und Komfort bieten, wie der stellvertretende Leiter von Rosmorport, Wasily Strugov, erklärt.

In den letzte drei Jahren wurde von der Regierung mehrfach angekündigt, den arktischen Tourismus zu stärken. Die von Vizepremier Trutnev vorgesehenen Pläne beinhalteten den Bau von neuen, eigene Kreuzfahrtschiffen, dem Ausbau der Infrastrukturen in den Orten entlang der Nordostpassage und einer Stärkung des heimischen Marktes. Man wollte sich ein Stück des lukrativen Kuchens sichern, denn die Reisen in die Regionen der russischen Arktis wurden zum grössten Teil von ausländischen Firmen durchgeführt, mit russischer Beteiligung notabene. Doch mit der Isolierung Russlands und den Auswirkungen der wirtschaftlichen Sanktionen müssen die Pläne wohl nun stark reduziert werden. Auch die Modernisierung der beiden Schiffe und ihr Einsatz dürfte auf Schwierigkeiten stossen. Beide Schiffe sind beinahe 40 Jahre alt und Ersatzteile können nur noch die vier anderen Eisbrecher der gleichen Baureihe liefern. Ob dies für die im letzten Oktober angekündigte Laufzeitverlängerung von 15 Jahren reicht, wird sich erst noch zeigen müssen.

Westliche Touristen werden es kaum sein, die auf den beiden Eisbrechern durch die Nordostpassage fahren werden. Russlands Regierung hofft auf den heimischen Markt und sicherlich auch auf chinesische Touristen, die Interesse an der Arktis haben. Bild: Michael Wenger

Eine weitere Frage stellt sich, wer denn die angepeilten Gäste sein sollen. Durch die Sanktionen und die Isolation des Landes fallen die meisten westlichen Länder weg, die früher einen wesentlichen Anteil der Gästezahlen ausgemacht hatten. Nun setzt Moskau einerseits auf seinen heimischen Markt und Moskau will den eigenen Leuten seine arktischen Regionen schmackhaft machen. So wurde beispielsweise im letzten Jahr eine russische Schule als Wettbewerbsgewinner auf einem Atomeisbrecher zum Nordpol gebracht und russische Medien berichteten Anfang März, dass fast die Hälfte der russischen Bevölkerung eine Reise in die Arktis unternehmen wolle. Die Aussage basiert auf einer Umfrage bei 1’600 Russen aus allen Landesteilen. Zum Vergleich: die Bevölkerung Russlands zählt rund 180 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner.

Andererseits schielt Moskau mit grosser Wahrscheinlichkeit nach China. In der gegenwärtigen geopolitischen Situation sind Reisende aus dem Reich der Mitte der wahrscheinlichste Markt, auf den man bei solchen Reisen in Russland hoffen darf. Polare Regionen stehen bei chinesischen Touristen hoch im Kurs und Reisehindernisse herrschen kaum. Und die chinesische Führung hat bereits mehrfach bekräftigt, seine Ambitionen in der Arktis auszuweiten, was den Tourismus sicherlich miteinschliesst.

Kommen mit den Touristen auch mehr Einnahmen in die wirtschaftlich schwachen Regionen entlang der Nordostpassage? Bild: Michael Wenger

Ob am Ende eine wirtschaftliche Rentabilität bei den Plänen Moskaus entstehen wird, ist mehr als fraglich. Zwar waren Reisen in die russische Arktis von Anfang an ein Nischenprodukt, da die behördlichen Auflagen und die bürokratischen Prozesse bis zur endgültigen Reise enorm hoch. Und nach der Pandemie und dem stark anwachsenden Angebot an Reedereien und Schiffen glaubten viele Unternehmen an das Potential der Region. Auch in den Regionen selbst war man zuversichtlich, dass durch mehr Reisen auch die wirtschaftliche Situation sich verbessern würde. Doch seit dem 24. Februar ist vieles anders und das gilt auch für die Arktis.

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

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