Wenn man in der Arktis lebt, muss man nicht nur mit der klimatisch harschen Umgebung zurechtkommen, sondern auch mit der Tatsache, dass man den Lebensraum mit dem grössten Landraubtier der Erde teilt, dem Eisbären. Doch das Zusammenleben gestaltet sich gerade heutzutage als nicht einfach, besonders wenn verschiedene Aspekte wie traditionelle Lebensweise und die Realität über die Situation des Königs der Arktis aufeinanderprallen. Grönland ist ein gutes Beispiel dafür, wo die Regierung mit nun überarbeiteten Gesetzen und Verordnungen versucht, allen Aspekten gerecht zu werden.
Mehr Schutz für die Eisbären im Südosten Grönlands und für Weibchen mit Jungtieren, neue Bestimmungen und eine Erlaubnis für Eisbärensightseeing und ein erleichterter Umgang mit Eisbären, die in Siedlungen eindringen. Das sind zusammengefasst die Kernpunkte der neuen Verordnungen im Umgang mit Eisbären in Grönland, die von der grönländischen Regierung vor kurzem verabschiedet und veröffentlicht worden sind. Damit will die Naalakkersuisut (Regierung) den neuen Gegebenheiten die Situation der Tiere auf ihrem Gebiet betreffend für die Wirtschaft, die Gesellschaft und den Naturschutz anpassen.
Schon seit längerem waren die bestehenden Gesetze und Verordnungen, die in Grönland das Zusammenleben zwischen Mensch und Tier regeln, von verschiedenen Seiten kritisiert worden. Besonders der Umgang mit Eisbären, die vermehrt in Siedlungen auftauchten, und der steigende Tourismus standen im Zentrum der Kritik.
Auf der einen Seite waren (und sind) Naturschützer, die mehr Schutz vor Jägern und Touristen forderten, die den Druck auf die Eisbärenpopulation noch verstärken, auf der anderen Seite Jäger und Fallensteller, die sich an der Quotenregelung und an den umständlichen Gesetzen besonders bei Bären, die sich den Siedlungen zu stark nähern, störten.
Dann waren da aber auch noch die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die zeigten, dass in Südostgrönland eine neue, besser an den Klimawandel angepasste Eisbärenpopulation lebt, die geschützt werden muss.
Und es kamen auch die lokalen und nationalen Tourismusvertreter hinzu, die sich daran störten, dass ausländische Touranbieter ihren Gästen Eisbären zeigen konnten, wenn sie in den Fjorden herumfuhren, man aber selber durch Gesetze daran gehindert worden war.
Kurz: es hagelte von allen Seiten Kritik auf Grönlands Regierung. Deswegen diskutierte man einen Monat lang neue Massnahmen und Verordnungen, die man in das Gesetz «zum Fang und Schutz von Eisbären» einbaute. Diese sind nun seit dem 7. März in Kraft und der zuständige Minister Karl Tobiassen ist mit dem Ergebnis sehr zufrieden, da man signifikante Veränderungen erreichen konnte.
Eine der neuen Verordnungen sieht vor, dass jeder, der in Zukunft als grönländischer Tourenanbieter seinen Gästen Eisbären zeigen will, dies unter der Voraussetzung offerieren kann, dass eine entsprechende Bewilligung vorliegt und dass die Tiere nicht gejagt werden. Ausserdem muss ein Mindestabstand von 200 Metern eingehalten werden und der Anbieter muss die Sicherheit für Tier und Mensch jederzeit gewährleisten können. Weitere Verordnungen befassen sich intensiver mit dem Schutz der Raubtiere. So steht die neuentdeckte Population im Südosten Grönlands ab sofort unter Schutz und darf nicht mehr aktiv aufgesucht und bejagt werden. Ferner dürfen Tiere nicht mehr über die Bestandsgrenzen hinaus gejagt werden und für Weibchen mit Jungtieren gelten die erleichterten Verordnungen zum Umgang mit «Problembären» nicht, was bedeutet, dass sie stärker geschützt bleiben.
Eine Reihe von anderen Erlassen definieren den Umgang mit Eisbären, die in Siedlungen eindringen, ebenfalls neu. Hier dürfen lizenzierte Jäger in Zukunft die Tiere auch ohne vorher eingeholte Bewilligung abschiessen, wenn eine Bedrohungslage vorliegt. Der getötete Bär gehört dann dem Jäger, der die resultierenden Produkte verkaufen darf, notfalls auch ohne behördliche Genehmigung. Der Fang muss dann lediglich nachgemeldet werden. Ausserdem muss die Regierung in Zukunft bei der Erstellung der Fangquoten für Eisbären den Kenntnisstand der lokalen Jäger miteinbeziehen und berücksichtigen. «Es ist gut, dass die neue Durchführungsverordnung das Wissen der Jäger einbezieht, so dass die Regierung im Zusammenhang mit der jährlichen Festlegung der Eisbärenquoten auch dieses berücksichtigen muss,» betont Karl Tobiassen. Sein Ministerium für Fischerei und Jagd ist für die Umsetzung und Kontrolle der neuen Gesetze verantwortlich. Ob mit den neuen Verordnungen insgesamt die Kritik an ihm und der Regierung leiser werden wird oder gar ganz verstummt, wird sich in den nächsten Jahren zeigen.
Dr. Michael Wenger, PolarJournal