Auswirkungen des Krieges auf indigene Völker der Arktis | Polarjournal
Völker in der Beringstraße, wo die Küsten Russlands und der USA nahe beieinander liegen. Die indigenen Gemeinschaften der Arktis sind den Folgen des Krieges in der Ukraine besonders stark ausgesetzt. Bild: Heiner Kubny.

Am 24. Februar 2022 überfiel Russland die Ukraine in einem Konflikt, dessen Auswirkungen weltweit zu spüren sind. Zwischen Inflation, Sicherheits- und Umweltbedenken und Menschenrechten: Welche Auswirkungen hat dieser Konflikt auf die indigenen Völker der Arktis?

Finnland, das nun Mitglied der NATO geworden ist, und Schweden, das bald folgen soll, stellen sich nun die Frage, wie die Anliegen der arktischen Urbevölkerung der Mitgliedsländer auf ihren eigenen Gebieten berücksichtigt werden sollen. Und wie sieht es mit der Militarisierung ihrer Regionen aus?

Diese Fragen sind umso wichtiger, als die Arktis seit langem eine strategische Herausforderung darstellt, sowohl in wirtschaftlicher als auch in politischer und militärischer Hinsicht. Daher äußerten indigene Führer ihre Besorgnis, insbesondere auf dem letzten Arctic Encounter, der vom 29. bis 31. März in Anchorage, Alaska, stattfand: „Wenn man an Sicherheitsfragen denkt, ob in der NATO, den USA oder Kanada – oder in Russland – und dabei die indigenen Völker nicht in die Verhandlungen einbezogen werden, hat das negative Auswirkungen und Folgen für die indigenen Völker. Die NATO sollte uns daher in ihre Gespräche einbeziehen“, sagte Edward Alexander, Co-Vorsitzender des US Gwich’in Council Internation (GCI), gegenüber High North News im März dieses Jahres.

Die Lebenshaltungskosten

Abgesehen von den Sicherheitsfragen gibt es für die arktischen Gemeinschaften noch ein weiteres Problem: die Inflation. Die Frage der Energieversorgung und die Störung des Warenverkehrs haben weltweit zu einer galoppierenden Inflation geführt, die sich bereits während der Pandemie andeutete.

Der allgemeine Kostenanstieg, insbesondere bei Lebensmitteln, Grundnahrungsmitteln und Energie, belastet das Budget der in der Arktis lebenden Menschen weitaus stärker. Die Waren werden auf dem See- oder Luftweg transportiert, wobei die hohen Transportkosten den Preis des importierten Produkts noch erhöhen. In den sozialen Netzwerken kursieren Videos, die von den Bewohnern einiger Gemeinden in Nunavut ins Internet gestellt wurden und die Preise für alltägliche Konsumgüter in den örtlichen Supermärkten zeigen. Darauf zu sehen ist, wie die Packung Zucker für 17 $ neben dem Waschmittel für 40 $ steht, obwohl viele dieser Gemeinden bereits von prekären Verhältnissen betroffen sind.

Und auch für die indigenen Völker auf der russischen Seite sieht es nicht viel besser aus: „Gemeinden, die in abgelegenen Gebieten liegen, sind aufgrund neuer Handelsbarrieren besonders stark von steigenden Preisen oder dem Mangel an lebenswichtigen Gütern wie Medikamenten oder Ersatzteilen für notwendige Ausrüstungen betroffen“, erklärt Simon Benthaus, Programmmanager für die Arktis bei der Gesellschaft für bedrohte Völker.

Russland, dieses riesige Gebiet mit einer Fläche von 17 Millionen km2, dessen Küstenlinie 53% des Arktischen Ozeans ausmacht. Die autochthone russische Bevölkerung beläuft sich auf 250’000 Personen. Bild: Google Maps.

Die Auswirkungen auf die Umwelt, die große Unbekannte

Die russischen Öl-, Gas- oder Mineralvorkommen sind daher für Russland von entscheidender Bedeutung geworden. Nun befinden sich diese Vorkommen auch in abgelegenen Gebieten, in denen möglicherweise indigene Völker leben. Was geschieht jedoch mit diesen Völkern angesichts der enormen wirtschaftlichen Herausforderungen, die sich auf ihrem Land befinden? Und wie steht es mit den Umweltfragen, die mit einer möglichen Ausbeutung dieser Lagerstätten verbunden sind?

Diese Frage wurde bereits vom Arktischen Rat aufgeworfen, der sich nicht nur über die Umweltproblematik in Russland, sondern auch über die „Datenlücke“ (übersetzt als fehlende oder mangelnde Daten) Sorgen macht. Da die Aktivitäten des Rates aufgrund des Krieges in der Ukraine auf Eis gelegt wurden, leidet die gesamte wissenschaftliche Zusammenarbeit darunter, da die russischen Daten für den Rest der wissenschaftlichen Gemeinschaft nicht mehr zugänglich sind.

Menschenrechte

Die Sorge, dass Ureinwohner in den Konflikt hineingezogen werden oder dass es zu Einschüchterungen oder Zensur kommt, wird bei Menschenrechtsorganisationen ebenfalls geäußert: „Die Repressionen gegen kritische Stimmen in Russland haben seit Beginn des Krieges zugenommen. So wurde beispielsweise die letzte unabhängige, kriegskritische einheimische Nachrichtenplattform in Russland blockiert. Außerdem stirbt eine unverhältnismäßig hohe Zahl von Ureinwohnern in diesem Krieg“, stellt Simon Benthaus fest.

Die Frage der indigenen Soldaten in der russischen Armee bereitet den Organisationen der arktischen Ureinwohner gleichermaßen Sorge: „Wir erhalten gemischte Botschaften darüber, was dort mit den indigenen Völkern passiert. Die offizielle Stimme, die wir hören, ist zum Beispiel: „Mit den indigenen Völkern ist alles in Ordnung“. Dennoch hören wir aus anderen Quellen, dass es nicht so gut läuft. „, sagte Gary Harrison, Anführer von Alaska’s Chickaloon Native Village und Mitglied des Arctic Athabaskan Council gegenüber Alaska Beacon am 3. April, und äußerte den Wunsch, den Dialog offen zu halten.

Titelbild: Dr. Michael Wenger

Mirjana Binggeli, PolarJournal

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