Der Fund der beiden Schiffswracks HMS Erebus 2014 und HMS Terror 2016 der verschollenen Franklin-Expedition hatte für enormes Aufsehen gesorgt. Die Fundstellen wurden relativ rasch zu Stellen von nationaler historischer Bedeutung erklärt. Dadurch war die kanadische Bundesbehörde Parks Canada dafür verantwortlich, einerseits die archäologische Aufarbeitung der Funde zu organisieren und zu leiten und auf der anderen Seite die Fundstellen zu verwalten. Doch das hat sich nun geändert und in die Hände von regionalen Inuitorganisationen übergeben.
Anfang März unterzeichneten der kanadische Minister für Umwelt und Klimawandel, Steven Guiltbeault und der Präsident der regionalen Inuitgesellschaft Kitikmeot Inuit Association KIA ein Abkommen, welches die Verwaltung der Fundstellen der beiden Wracks für die nächsten zehn Jahre in die Hände der Inuit der Region legen wird. Gleichzeitig werden die KIA und die Nattilik Heritage Society NHS, die sich mit der Geschichte und der Bewahrung des kulturellen Erbes der Inuit in der Region befasst, mehr als 15 Millionen Euro für die Kostendeckung der Verwaltung und des Betriebs der Fundstellen. Das Abkommen markiert damit einen Meilenstein in der Zusammenarbeit zwischen dem Staat und den Inuit, da dies das erste Mal ist, dass die Verwaltung eines solchen Ortes aus den staatlichen Händen in diejenigen der Ureinwohner in der Region geht. Minister Guiltbeault erklärte «Mit der Unterzeichnung dieses fortschrittlichen und innovativen Abkommens werden die Inuit der Kitikmeot-Region die Erhaltung und Verwaltung der Wracks der HMS Erebus und der HMS Terror National Historic Site sicherstellen.»
Auch Robert Greeney lobte die Übereinkunft: «Dieses Abkommen ist das Ergebnis einer grossartigen, mehrjährigen Zusammenarbeit zwischen den Inuit der Kitikmeot-Region und der kanadischen Regierung», erklärte er. Das Abkommen ist der Gipfel eines längeren Prozesses, der die Rechte und Pflichten der spektakulären Funde am Ende auf die Inuit der Region übertragen sollte. Nachdem 2014 das Wrack der HMS Erebus entdeckt und bestätigt worden war, mussten rasch Massnahmen ergriffen werden, um die Fundstelle zu schützen. Zwar war schon 1992 bestimmt worden, dass die Fundstellen bei ihrer Entdeckung zu Orten von nationaler historischer Bedeutung werden sollten. Aber erst 2015 wurde die Erebus erst in die entsprechende Liste aufgenommen und so durch ein nationales Gesetz geschützt. Gleichzeitig wurde dank einer Notfallbestimmung des Nunavut-Abkommens in Absprache mit Inuitvertretern der Startschuss für das jetzt im März unterzeichnete Abkommen gestartet. Ab 2018 galt die Bestimmung, dass alle Artefakte der beiden Wracks sowohl der kanadischen Regierung wie auch der den Inuit gehörten. Ein Jahr später wurde eine Absichtserklärung zwischen der Regierung Kanadas und dem Inuit Heritage Trust zur weiteren Zusammenarbeit bezüglich der Verwaltung, der Forschung und dem Umgang der Funde unterzeichnet.
Bisher war für die Verwaltung das Franklin Interim Advisory Committee zuständig. Dieses Komitee besteht aus Vertretern von Vertretern der Inuitgemeinden, des KIA, der Regierung und der regionalen Tourismusindustrie. Sie regelten auch den Zugang zu den Fundstellen, der im Allgemeinen verboten und nur mit einer Bewilligung möglich war. Sowohl die Regierung wie auch die Inuitvertreter hoffen aber, in Zukunft die beiden Fundstellen auch in ein Tourismuskonzept miteinbauen zu können. «Unter der Leitung der Inuit wird die Einrichtung dieser ersten nationalen historischen Stätte Kanadas in Nunavut die Geschichte der Franklin-Expedition und das Schicksal ihrer Seeleute in ganz Kanada und international bekannt machen», erklärt Robert Greeney von der KIA dazu. «Die Wracks der HMS Erebus und der HMS Terror National Historic Site werden ein Fenster in unsere Vergangenheit und ein Tor zu einem verbesserten Tourismusangebot für unsere Region sein.»
Und die NHS, die in Goa Haven ein Informationszentrum und Museum betreibt, ist sich sicher, dass die beiden Wracks nicht nur helfen werden, die Region touristisch aufzuwerten. Auch für die eigene Geschichte und dessen Verständnis bei der eigenen Bevölkerung sollen die Fundstellen und die Artefakte eine wichtige Rolle spielen. «Das Nattilik Heritage Centre ist ein Treffpunkt für Inuit und Besucher, um mehr über die Inuit-Kultur, frühere Entdecker und die zurückgelassenen Artefakte zu erfahren», sagt der Leiter des Museums Jacob Keanik. Das ist auch notwendig. Denn die Inuit der Region hatten das Schicksal der Expeditionsmitglieder hautnah miterlebt. Mehrere Berichte von nachfolgenden Suchtrupps beschreiben, wie Inuit auf die Männer der Expedition und ihre Hinterlassenschaften gestossen waren. Doch die Beschreibungen, die oft ein grausiges Bild über das Schicksal gezeichnet hatte, wurden meist als unwahr und Hirngespinste von Wilden abgetan. Doch nur dank Hinweisen der lokalen Inuit war es überhaupt möglich, die beiden Wracks zu entdecken und Licht in die Geschichte rund um die Franklin-Expedition zu bringen.
Dr. Michael Wenger, PolarJournal