Wenn man sich die Fischlarven betrachtet, die in den Strömungen der Tschuktschensee treiben, machen die rein arktischen Arten Platz für Arten aus dem Pazifik.. Grund dafür ist der abnormale Rückgang des Eises im Frühjahr, der von wärmeren Strömungen aus dem Süden verursacht und begleitet wird.
Wird die Arktis immer weniger polar? Das scheint der Trend. Am 14. April wurde in der Zeitschrift Global Change Biology eine Studie der US-amerikanischen Behörde für Ozean- und Atmosphärenbeobachtung (NOAA) veröffentlicht, die zeigt, dass im Tschuktschenmeer immer mehr Fischlarven von Arten aus dem Nordpazifik stammen. Arten, die in der Umgebung der Beringstraße – zwischen der Tschuktschen-Halbinsel (Russland) und Alaska (USA) – leben, folgen den ungewöhnlich warmen Strömungen, die im Arktischen Ozean Lebensraum freigeben. Die Forscher verfolgten die Fluktuation der Fischlarven in diesem Meeresgebiet von 2010 bis 2019. Den Vorhersagemodellen zufolge wird sich dieses Phänomen fortsetzen.
Pazifische Fischarten, die früher nicht in der Arktis vorkamen, wandern aus küstennahen Gebieten, in denen das Wasser relativ wärmer ist als vor der Küste, in den offenen Ozean oder weiter nach Norden.
Dies gilt z. B. für Alaska-Seelachs, boreale Lodden und eine pazifische Plattfischart aus der Familie der Flundern. Diese bilden eine Gruppe, die in den Gewässern rund um die Beringstraße lebt. Die Larven dieser Fische vermischen sich seit einem Jahrzehnt mit anderen Arten, die an das Meereis gebunden sind und ausschließlich in den kalten Meeren der Arktis leben, wie der arktische Kabeljau. Diese Vermischung findet in einem Zwischenbereich des Arktischen Ozeans statt, der nach Norden hin ansteigt.
Diese Veränderung ist auf wärmere atmosphärische und ozeanische Strömungen zurückzuführen, die den Einfluss des Eises in der Arktis verringern. Die Forscher beobachteten Veränderungen in der Gemeinschaft von Phytoplankton, Zooplankton, Jungfischen und erwachsenen Fischen; dies vor allem seit 2017. Auch wenn in den kältesten Jahren dieses Jahrzehnts die arktischen Arten am Tschuktschenmeer-Schelfeis etwas nach Süden zurückkehrten, zogen sie sich in den wärmsten Jahren, d. h. 2018 und 2019, um etwa 250 Kilometer nach Norden zurück.
In der im Tschuktschenmeer beobachteten intermediären Gemeinschaft von Fischlarven wuchs die Zahl der sogenannten „borealen“ Arten wie Flundern, Seelachs oder Myzopsetta proboscidea, einer Form der Flunder, um 30 Prozent. Gleichzeitig sehen die Forscher, dass 17 % der arktischen Arten wie der Polardorsch oder die Scheibenbäuche abnehmen. Die Arten, die von der Erwärmung der Arktis profitieren, sind diejenigen, deren Eier und erwachsene Tiere innerhalb einer großen Temperaturamplitude überleben. Arten, die diese Toleranz nicht haben, müssen sich dagegen nach Norden zurückziehen.
Camille Lin, PolarJournal
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