Inuit-Genom beleuchtet Wanderungen der Menschen | Polarjournal
Dieser uralte Schädel aus Israel ist etwa 80-100’000 Jahre alt. Bild: Wapondaponda

Die Bewohner Grönlands tragen ähnliche genetische Besonderheiten der Kälteanpassung in sich, wie sie in der DNA früher moderner Menschen zu finden ist, die einst direkt aus Afrika in die Welt ausgewandert sind.

Die grönländischen Inuit sollen die gleichen Genomfragmente (Loci) tragen wie die Menschen auf der Arabischen Halbinsel, die zwischen 80’000 und 50’000 Jahren vor unserer Zeitrechnung lebten. Ihre Gemeinsamkeit ist die Adaption an die Kälte, ein wichtiges Element, das die Anpassung der Menschen in dieser Zeit beeinflusste, so eine Studie, die diese Woche in der Zeitschrift PNAS veröffentlicht wurde.

Nachdem die modernen Menschen begonnen hatten, aus Afrika auszuwandern, waren sie erst auf der Arabischen Halbinsel gelandet. Diese Region war damals durschschnittlich 5°C kälter als der ursprüngliche Lebensraum in Afrika, dafür aber auch grüner. „Man vermutet, dass die Kälte sie davon abhielt, andere Regionen zu erforschen“, erklärt uns Dr. Yassine Souilmi, Genetiker an der Universität von Adelaide in Australien und Mitautor der Studie.

Die Forscher haben Genfragmente, sogenannte Loci, gefunden, die dieser besonderen Periode der Anpassung entsprechen. Diese Loci sind an der Fettspeicherung, der Hautphysiologie, neuralen Funktionen, die für die Motorik verantwortlich sind, beteiligt oder beeinflussen den Wasserhaushalt der Zellen.

„Wir haben sogenannte „alte DNA“-Proben (Ancient DNA, Anm. d. Red.) verwendet. Auch wenn sie selten sind, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie für die gesamte menschliche Bevölkerung repräsentativ sind und so eine starke Vielfalt an Orten und Zeiten abbilden“, erklärt er.

Als die Migrationsgeschichte weiterging und die Menschen die Arabische Halbinsel verliessen, verhinderte die Vermischungen zwischen den Populationen, dass die Forscher die Spur dieser Loci heute verfolgen können. Wir haben in der Literatur nachgesehen, ob diese Genfragmente untersucht wurden“, fügt Dr. Souilmi hinzu. „Wir fanden die gleichen Loci in Studien über die grönländischen Inuit!“ Diese Loci kodieren für dieselben biologischen Funktionen zur Anpassung an Kälte und sind auch in arktischen Säugetieren zu finden.

Die ersten Wanderungen des modernen Menschen folgten diesen Achsen, wie archäologische Modelle aus dem Jahr 2016 zeigen. Bild: Saioa López, Lucy Van Dorp und Garrett Hellenthal

Nach dieser 30’000-jährigen Pause in der geografischen Ausbreitung des Menschen hatte die Migration in alle Himmelsrichtungen wieder eingesetzt. Bereits 5’000 Jahre später erreichten die Menschen das heutige Sibirien und dann die Beringstraße zwischen 18’000 und 16’000 Jahren vor unserer Zeitrechnung.

In diesem Zeitraum hatte sich das Klima verändert. Es wurde wärmer und dann vor mehr als 10’000 Jahren wieder kälter. „Dieser Anpassungsdruck hat sich im Laufe der Zeit erst gelockert und dann wieder verstärkt“, erklärt Dr. Souilimi. Auch wenn es nicht der einzige Einflussfaktor ist, hat der Biss der Kälte tief in den Menschen, in ihren Genen und in ihrer Geschichte seinen Abdruck hinterlassen und sie bis tief in die Arktis hinein mitgeprägt.

Camille Lin, PolarJournal

Link zur Studie : Tobler, R., Souilmi, Y., Huber, C.D., Bean, N., Turney, C.S.M., Grey, S.T., Cooper, A., 2023. The role of genetic selection and climatic factors in the dispersal of anatomically modern humans out of Africa. Proceedings of the National Academy of Sciences 120, e2213061120. https://doi.org/10.1073/pnas.2213061120

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