Freiwilligenarbeit hält Dinge am Laufen in der Arktis | Polarjournal
Dort, wo die Befestigung aus Steinen endet, sind Häuser und Infrastruktur bei Stürmen stark erosionsgefährdet. Während des Taifuns Merbok trugen Freiwillige neue Felsblöcke zusammen, um die Häuser zu schützen (Foto: Janet Mitchell)

Der Verlust des arktischen Meereises und heftige Stürme verlangen den freiwilligen Such- und Rettungsdiensten von Kivalina alles ab, um ihre Insel vor Klimakatastrophen zu schützen

Von P. Joshua Griffin

Als im vergangenen Jahr die Winde und Wellen des Taifuns Merbok die Gemeinden entlang der Küste Westalaskas verwüsteten, klingelte das Telefon von Reppi Swan Sr. auf Kivalina, einer 130 km nördlich des Polarkreises gelegenen Insel.

Eine benachbarte Familie habe eben einen Meter Land an die tosende Lagune verloren und ihr Hause sitze nur noch zwei Meter vom Rand des aufgewühlten Wassers entfernt. Reppi Swan rief sofort seinen Bruder Joe Swan Jr. an und zog sich seine gefütterte Regenschutzmontur über.

Als freiwilliger Ersthelfer plant Reppi Swan für Notfälle wie diesen. Er und seine Frau Dolly hatten die Insel während des Sturms alle paar Stunden auf gefährliche Erosionen kontrolliert. Um sich vorzubereiten, hatte er bereits das schwere Gerät der Stadt inspiziert und einen Haufen Felsbrocken ausfindig gemacht, die von einem kürzlichen Bauprojekt übrig geblieben waren.

Trotz des Regens lieferte Reppi Swan die Felsbrocken zu dem bedrohten Haus. Zusammen mit seinem Cousin Carl Swan, der als Beobachter diente, brachte Joe Swan die Felsbrocken sorgfältig mit einem Bagger an, um die Böschung zu stabilisieren. Sie würde mindestens so lange halten, bis der Sturm nachlässt.

Mit dem Rückgang des schützenden Meereises und der Erwärmung des Pazifiks, die die Herbststürme in der Bering- und Tschuktschensee verstärkt, sehen sich die Dörfer der Ureinwohner Alaskas wie Kivalina zunehmend mit Risiken für die küstennahen Lebensgrundlagen und die kritische Infrastruktur, einschließlich der Landebahnen, konfrontiert. Die Bemühungen von Reppi Swan spiegeln die Herausforderungen wider, denen sich viele Gemeinden an vorderster Front stellen müssen, wenn sie mit den Auswirkungen des Klimawandels zu kämpfen haben.

Der Umgang mit Katastrophen ist zur Normalität geworden

Indigene Regierungen, gemeinnützige Organisationen, Jäger und Ersthelfer aus Iñupiaq-, Yupik- und Unangan-Gemeinden in ganz Alaska bereiten sich schon lange auf die heutigen Klimagefahren vor. Sie ergriffen Massnahmen, die von der Küstenüberwachung bis hin zur Umsiedlungsplanung reichen, doch die staatlichen und bundesstaatlichen Unterstützungsprogramme sind unterfinanziert und für das Ausmaß der heutigen Herausforderungen unzureichend strukturiert.

Für Reppi Swan Sr., den Vorsitzenden des freiwilligen Such- und Rettungsdienstes von Kivalina, ist der Einsatz bei Katastrophen zu einem normalen Teil des Alltags geworden (Foto: Kirk Koenig)

Kivalina, eine Iñupiaq-Gemeinde mit 500 Einwohnern, hat seit Jahrzehnten mit klimabedingter Erosion und Überschwemmungen zu kämpfen. Vor fast 20 Jahren war es eines von vier Dörfern, die von den US-Bundesbehörden als „unmittelbar gefährdet“ eingestuft wurden. Im Jahr 2009 wurden 27 weitere Dörfer auf die Liste gesetzt.

Im Laufe der Jahre haben Reppi Swan, sein Sohn und zahlreiche andere Freiwillige in Kivalina mit allem möglichen improvisiert, von Sandsäcken bis hin zu Metallplatten, die aus dem Fahrgestell eines verlassenen Tankflugzeugs geschnitten wurden.

Als Einsatzleiter bei solchen Ereignissen denkt Reppi Swan darüber nach, wie schwierig es ist, jemanden in die Gefahr zu schicken, sei es, um nach einem verirrten Jäger zu suchen oder um Häuser und Infrastruktur zu retten. Er erinnert sich an einen Sturm, bei dem er seinen freiwilligen Helfern eine Rettungsleine umhängte, während sie versuchten, die Küstenlinie zu sichern. „Das war das Schwierigste, was ich tun musste“, erinnert sich Reppi Swan, „denn einer meiner Leute musste dort unten bleiben und jeden großen Sack zusammenbinden. Zu allem Überfluss wurden sie von den drei bis vier Meter hohen Wellen völlig überspült.“

Er spricht über den Taifun Merbok mit der Gelassenheit eines Menschen, für den die Bereitschaft zum Sturm und die Reaktion darauf zum Alltag gehören. Denn genauso ist es.

„Wir können uns einfach nicht so schnell anpassen“.

Für indigene Völker auf der ganzen Welt sind die Wurzeln des heutigen Klimarisikos oft kolonialen Ursprungs. Kivalinas „Unbehagen“ gegenüber Herbststürmen begann kurz nach 1905, als das US Office of Education eine Schule auf der Insel errichtete und einen mehrere Jahrzehnte dauernden Prozess zur Zwangsansiedlung des autonomen und halbnomadischen Volkes der Kivalliñiġmiut einleitete.

Nach jahrzehntelangen Überlegungen leitete die Stadtverwaltung von Kivalina 1981 einen Umsiedlungsplan ein, um fließendes Wasser und eine Kanalisation zu erhalten und die Überbevölkerung zu verringern. Es war ein Versuch, wie es der ältere Joe Swan Sr. ausdrückt, „Raum zum Atmen“ zu schaffen, damit künftige Generationen gedeihen können. Die Planung geriet jedoch 2008 ins Stocken, weil sich die Träger des traditionellen Wissens in Kivalina und das US Army Corps of Engineers über die Eignung des von der Gemeinde gewählten Standorts uneinig waren.

Joe Swan Jr. und Carl Swan beeilen sich, um ein Haus vor Erosion während des Taifuns Merbok zu schützen. Die Ecke des Hauses ist auf der rechten Seite zu sehen (Video: Janet Mitchell)

Die Umsiedlung von Kivalina wird inzwischen als Reaktion auf den Klimawandel gesehen, aber die ursprünglichen Bedürfnisse, die zur Planung der Umsiedlung geführt haben, bestehen weiterhin.

„Wir sind ein anpassungsfähiges Volk“, sagte mir Colleen Swan, die Stadtverwalterin von Kivalina, als ich vor 12 Jahren meine Doktorarbeit begann, „aber seit 2004 können wir uns nicht mehr so schnell anpassen.“

Das war das Jahr, in dem Teile der Insel begannen, im Meer zu verschwinden.

Der lokale Wert des schwindenden Meereises in der Arktis

In der Vergangenheit bildete sich das Meereis in Kivalina früh genug, um die Küste vor Herbststürmen zu schützen. Durch den Klimawandel bildet es sich jedoch viel später, wenn überhaupt, und macht die Küste anfällig für Schäden durch erhöhte Wellenaktivität.

Am 6. März, als das arktische Meereis seine größte Ausdehnung in diesem Jahr erreichte, war dies die fünftniedrigste maximale Ausdehnung seit Beginn der Satellitenaufzeichnungen. Kivalina hatte drei Kilometer vor der Stadt offenes Wasser, ein Bruchteil dessen, was für eine erfolgreiche Grönlandwaljagd erforderlich ist.

Im Jahr 2008 gehörte Colleen Swan zu den führenden Vertretern der Gemeinde, die die bahnbrechende Klimaklage Kivalina gegen ExxonMobil anstrengt hatten. Die Gemeinde forderte von den 24 größten Verursachern von Treibhausgasemissionen in den USA, also von Unternehmen, deren Gewinne den Klimawandel vorantreiben, eine Entschädigung von bis zu 400 Millionen Dollar (375 Millionen Euro). Dies hätte ausgereicht, um die Kosten für eine umfassende Umsiedlung des Dorfes zu decken.

Ein Foto aus dem Jahr 2021 zeigt das Meereis, das sich an der Küste von Kivalina gebildet hat. Das Eis schützt die Insel vor Erosion, aber es wird immer geringer (Foto: Replogle Swan Sr)

Die Klage wurde von einem Bundesgericht abgewiesen, eine Entscheidung, die 2012 vom 9. US-Berufungsgericht bestätigt wurde. Am 20. Mai 2013 lehnte es der Oberste Gerichtshof ab, eine weitere Berufung zu prüfen.

Durch das Medienecho, das die Klage ausgelöst hatte, wurde Colleen Swan weltweit als Vorkämpferin für Klimagerechtigkeit bekannt. Sie hat in den gesamten USA Vorträge gehalten und gehörte 2009 zu einer indigenen Delegation bei der UN-Klimakonferenz in Kopenhagen. Heute kämpft sie gegen den Klimawandel in einem anderen Rahmen.

Inzwischen leitet sie die freiwillige Such- und Rettungsorganisation (SAR) von Kivalina und ihr Bruder Reppi ist deren Vorsitzender. Die SAR von Kivalina ist eine Vereinigung von Jägern und Ersthelfern, die eine entscheidende Rolle für die Sicherheit der Gemeinde, die Widerstandsfähigkeit der Küsten und die Unterstützung der Jäger spielt. Doch der Klimawandel hat die Organisation verändert.

„Früher war es die Aufgabe von SAR, nach Menschen zu suchen, die sich verirrt hatten oder zu spät von einer Jagd zurückkehrten. Aber mit dem späten Frost, dem dünnen Eis und dem auftauenden Permafrost, erklärt sie, „verbringen wir mehr Zeit damit, Menschen zu helfen, weil sich die Umweltbedingungen verändert haben.“ Durch die Beschaffung von Mitteln, den Aufbau von Kapazitäten und strategische Partnerschaften baut Colleen Swan die SAR aus, um auf neue Gefahren zu reagieren, da sie mit einem sich rasch verändernden Umfeld konfrontiert ist.

Infrastrukturinvestitionen bleiben ohne Abschluss

Von 2008 bis 2009 errichtete das Army Corps of Engineers 490 m einer geplanten 600 m langen Steinmauer, um die Insel zu schützen. Diese Teilsicherungen, die gebaut wurden, als noch Mittel zur Verfügung standen, waren zwar wirksam, aber sie lassen wichtige Infrastrukturen und Häuser am Ufer der Lagune ungeschützt, wie der Taifun Merbok deutlich machte. Wie Reppi Swan Sr. erklärte: „Wir werden immer mit Erosion zu kämpfen haben.

Als die Erosion durch Herbststürme die Start- und Landebahn des Flughafens im Jahr 2019 bedrohte, trafen die Verantwortlichen der Stadt die schwierige Entscheidung, Felsbrocken aus der bestehenden Schutzwall umzulagern.

Reppi Swan Sr. und Joe Swan Jr. inspizieren ein erodiertes Grundstück, das sie während eines Sturms gesichert haben (Foto: Janet Mitchell)

Ohne umfassende Planung und Finanzierung sind wichtige Teile der Gemeinde weiterhin gefährdet. Kivalinas Ersthelfer müssen wachsam bleiben.

Nach 10 Jahren Lobbyarbeit bei staatlichen und bundesstaatlichen Behörden haben die Stammes- und Stadträte von Kivalina eine 13 km lange Evakuierungsstraße zum Kisimiġiuqtuq Hill durchgesetzt, die im November 2020 fertiggestellt wurde. Nachdem der Bundesstaat Alaska durch ein Gerichtsverfahren gezwungen wurde, seine systematische Unterfinanzierung der Schulen der Ureinwohner Alaskas zu beheben, schloss sich der Schulbezirk Northwest Arctic Borough dem Projekt an und eröffnete im vergangenen November eine neue Schule in Kisimiġiuqtuq Hill.

Doch diese Errungenschaften haben auch neue Sorgen mit sich gebracht, und Reppi Swan und seine Schwester bereiten ihre Freiwilligen darauf vor, auf andere Arten von Problemen zu reagieren, z. B. auf Verkehrsunfälle oder liegen gebliebene Fahrzeuge.

Seit Kivalina Search and Rescue im Sommer 2021 seinen ersten Lastwagen gekauft hat, fährt Reppi Swan regelmäßig Patrouillen, um jede Kurve der schlecht beleuchteten und steil abfallenden Straße zu untersuchen – oft durch Schneetreiben. Als die Kinder von Kivalina zum ersten Mal mit dem Schulbus fuhren, folgte er ihnen dicht auf den Fersen – hin und zurück, dreimal am Tag – nur für den Fall der Fälle.

In diesem Winter war der Schulbus von Kivalina zeitweise ohne einen zertifizierten Fahrer oder wegen mechanischer Probleme außer Betrieb. Wenn die Last der Beförderung auf die einzelnen Familien abgewälzt wird, versäumen diejenigen, die kein Fahrzeug haben oder sich die hohen Benzinkosten nicht leisten können, die Schule komplett. In Kivalina musste die Schule den ganzen März über geschlossen bleiben, weil die Stadt nicht über ausreichende Schneeräumgeräte verfügt.

Gemeindebemühungen schließen kritische Anpassungslücke

Während Kivalina, wie viele andere indigene Gemeinden auch, klare Prioritäten für die Anpassung an den Klimawandel gesetzt hat, war die Unterstützung durch Institutionen auf Bundes- und internationaler Ebene bisher begrenzt.

Die Regierung Biden hat vor kurzem 115 Millionen Dollar zur Verfügung gestellt, um 11 indigenen Gemeinden bei der Umsiedlung zu helfen, aber das Army Corps schätzte, dass allein Kivalina 250 bis 400 Millionen Dollar benötigen würde. Kivalina stand nicht auf der Liste.

Indigene Küstengemeinden sind durch den Klimawandel unverhältnismäßig stark gefährdet, und die Kosten für die Anpassung an den Klimawandel werden oft nicht vergütet. Ohne umfassende Investitionen in lokale Prioritäten – von der Planung und Infrastruktur bis hin zum Aufbau von Kapazitäten – werden Organisationen wie Kivalina Search and Rescue weiterhin eine kritische Lücke füllen und die unsichtbare Arbeit der Klimaanpassung leisten.

Der Autor ist Assistenzprofessor für Meeres- und Umweltangelegenheiten und American Indian Studies an der Universität von Washington.

Dieser Artikel wird von The Conversation unter einer Creative-Commons-Lizenz neu veröffentlicht.

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