Alltägliche Chemikalien wie Koffein, Nikotin, Medikamente und UV-Filter, die andernorts schon lange ein Problem darstellen, wurden nun in Gewässern in Teilen der Antarktis nachgewiesen, in denen es keine menschlichen Aktivitäten gibt.
Aktivitäten in der Antarktis wie Forschung und Tourismus hinterlassen einen chemischen Fußabdruck in den Küsten- und Binnengewässern des Kontinents, wie Wissenschaftler zum ersten Mal festgestellt haben.
Das spanische Team, das die Untersuchungen auf Livingston Island und Deception Island durchführte, fand im Süßwasser der beiden Inseln sowie in den umliegenden Küstengewässern Antibiotika, Antidepressiva, Stimulanzien, UV-Filter aus Kosmetika und ein Korrosionsschutzmittel.
Das Forschungsteam hatte dazu Proben an verschiedenen Orten auf und vor den Inseln gesammelt, unter anderem an Forschungsstationen, Forschungscamps und beliebten Touristenorten. Auch in Gebieten ohne menschliche Aktivitäten wurden Proben entnommen und man fand hier ebenfalls Spuren von Chemikalien, was darauf hindeutet, dass die Verschmutzung durch Eis, die Luft oder andere natürliche Prozesse verlagert werden kann.
Die in der Studie identifizierten besonders besorgniserregenden Substanzen sind Citalopram (ein Antidepressivum), Clarithromycin (ein Antibiotikum), Nikotin (ein Stimulans, das auch ein tödliches Nervengift ist), Venlafaxin (ein weiteres Antidepressivum) und Hydrochlorothiazid (ein Diuretikum), so Cristina Postigo, Umweltchemikerin an der Universität Granada und Hauptautorin der Studie, die in der Zeitschrift Journal of Hazardous Materials erschien.
Alle diese Stoffe werden als besonders bedenkliche Schadstoffe (CEC) eingestuft. Im Gegensatz zu den persistenten organischen Schadstoffen werden CEC erst seit den 1990er Jahren untersucht. Einige dieser Chemikalien sind in der Umwelt extrem langlebig und hochgiftig für Tiere und Pflanzen.
Die vorläufige Risikobewertung für Organismen zeigt, dass die Höhe der Konzentrationen nur ein geringes oder mäßiges Risiko darstellt. Allerdings haben die Autoren nur nach zwölf Schadstoffen gesucht, während andere Schadstoffe, von denen bekannt ist, dass sie in aquatischen Lebensräumen der Antarktis vorkommen, nicht berücksichtigt wurden. Außerdem weist die Studie darauf hin, dass das verwendete Risikobewertungsmodell die Schadstoffe nur einzeln analysiert und mögliche Wechselwirkungen beim gleichzeitigen Auftreten mehrerer Chemikalien vernachlässigt hat.
Dr. Postigo empfiehlt daher, die Überwachung der antarktischen Gewässer sowie der Pflanzen und Tiere des Kontinents fortzusetzen.
Tolyltriazol, ein Korrosionsinhibitor, war die am häufigsten identifizierte Chemikalie, die in 89 % der 38 Proben vorkam. Nikotin, die am zweithäufigsten identifizierte Chemikalie, und Citalopram waren zuvor in der Antarktis noch nicht untersucht worden, aber laut Miren López de Alda, einer Mitautorin der Studie und promovierten Pharmazeutin, wurden die beiden Chemikalien in 74 % und 55 % der Proben gefunden.
Venlafaxin, Hydrochlorothiazid und Clarithromycin sowie Koffein (ein Stimulans) wurden ebenfalls in großen Mengen gefunden und kamen in bis zur Hälfte der Proben vor.
Das einzige Schmerzmittel, das das Forschungsteam fand, war Diclofenac, in 3 % der Proben. Ibuprofen, Paracetamol und andere gängige Schmerzmittel waren nicht nachweisbar.
Benzophenon (ein UV-Filter) wurde in etwa einem Viertel der Proben nachgewiesen.
Die Konzentrationen der verschiedenen Schadstoffe waren im Süßwasser mit einem Maximum von 292 Nanogramm pro Liter (Citalopram) höher als in den Küstengewässern, wo Benzophenon mit einer Konzentration von 92 Nanogramm pro Liter am stärksten auffiel. Eine frühere Studie, die antarktisches Meerwasser untersuchte, ergab vergleichbare Konzentrationen ähnlicher Schadstoffe.
Julia Hager, PolarJournal