Wale spielen eine wichtige Rolle in den Meeresökosystemen und im Kohlenstoffkreislauf, aber wir sollten uns nicht darauf verlassen, dass sie dabei helfen können, den Klimawandel umzukehren.
Wale verschlingen riesige Mengen an kohlenstoffreicher Nahrung und fungieren als lebende Kohlenstoffspeicher. Gleichzeitig düngen sie das Kohlendioxid aufnehmende Phytoplankton. Und wenn ein Wal schließlich stirbt, landet sein Kadaver in der Regel auf dem Meeresboden, wo er von Sedimenten bedeckt wird, die verhindern, dass der Kohlenstoff, den er während seines Lebens gespeichert hat, zurück in die Atmosphäre gelangt.
Frühere Studien zufolge könnte dies bedeuten, dass die Wale tatsächlich dazu beitragen, den Klimawandel zu verlangsamen. Eine aktuelle Forschungsarbeit, die den Kohlenstoffkreislauf und den Beitrag der Wale unter die Lupe genommen hat, zeigt jedoch, dass dies doch nicht der Fall ist. Das von der australischen Griffith University geleitete Forschungsteam untersuchte die wichtigsten Mechanismen, mit denen Bartenwale wie Buckel- und Finnwale Kohlenstoff aus der Atmosphäre entfernen, und kam zu dem Ergebnis, dass ihre potenzielle Kohlenstoffbindung nicht ausreicht, um den Verlauf des Klimawandels wesentlich zu verändern.
„Unsere Studie belegt, dass Wale für das marine Ökosystem wichtig sind, ihr Beitrag zum globalen Kohlenstofffluss jedoch zu gering ist, um den atmosphärischen Kohlenstoff wirksam zu reduzieren“, so Olaf Meynecke, Meereswissenschaftler an der Griffith University und Hauptautor der Studie, in einer Pressemitteilung.
Auch wenn die Darstellung von Walen als Kohlenstoffsenken die Schutzbemühungen unterstützen könnte, wäre es seiner Meinung nach irreführend, sie beizubehalten. Dr. Meynecke befürchtet, dass es falsche Hoffnungen weckt, wenn man den Walen eine Rolle bei der Bekämpfung des Klimawandels zuschreibt und dass dies „dazu führen könnte, dass die dringend erforderlichen Verhaltensänderungen, die zur Abwendung katastrophaler Auswirkungen des Klimawandels erforderlich sind, weiter verzögert werden“. Eine solche Verzögerung könnte, zumindest indirekt, die Erholung der Walpopulationen beeinträchtigen, meint er.
Doch genau das ist noch in vollem Gange: Bei einer nicht-repräsentativen Internet-Suche nach den Stichworten «Wale» und «Kohlenstoff» stellte das Forschungsteam fest, dass 352 Zeitungsartikel zum Thema in mehr als 45 Ländern in den Jahren zwischen 2012 und 2022 veröffentlicht wurden, mit „einem starken Anstieg“ in den letzten drei Jahren. Im Gegensatz dazu wurden im gleichen Zeitraum nur sechs wissenschaftliche Arbeiten zu diesem Thema veröffentlicht, was die Diskrepanz zwischen den verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen und dem Medienecho unterstreicht, so die Studie. Die sozialen Medien verstärken dieses Phänomen zusätzlich.
Wale sind zwar für das gesunde Funktionieren der Meeresökosysteme von entscheidender Bedeutung, doch Dr. Meynecke befürchtet, dass eine Überbewertung ihrer Fähigkeit, vom Menschen verursachte Veränderungen im globalen Kohlenstoffhaushalt zu verhindern oder auszugleichen, unbeabsichtigt die Aufmerksamkeit von bewährten Methoden zur Reduzierung von Treibhausgasen ablenken könnte.
Frühere Schätzungen vernachlässigten den Maßstab, in dem die Kohlenstoffbindung sowohl zeitlich als auch räumlich erfolgte. Dies gilt insbesondere für „Whale Falls“ (wenn Wale sterben und ihr Kadaver auf den Meeresboden sinkt, wo der Kohlenstoff jahrzehntelang gespeichert wird). „Einige der vorgeschlagenen Wege für die Kohlenstoffbindung, wie z.B. der Whale Fall, unterschätzen auch die Atmung der Wale.“
Statt sich nur auf Wale zu konzentrieren, sollten wir den Schutz der Meeresökosysteme im Allgemeinen vorantreiben, schlagen die Autoren vor. Mangroven, Salzwiesen, Seegraswiesen und die Tiefsee sind besonders gut in der Lage, der Atmosphäre Kohlenstoff zu entziehen. „Der großflächige Schutz der Meeresumwelt, einschließlich der Lebensräume von Walen, wird die Widerstandsfähigkeit stärken und die natürliche Kohlenstoffbindung unterstützen“, heißt es in der Studie.
Der Kohlenstoffkreislauf der Ozeane spielt eine wichtige in der Regulierung des globalen Klimas: zwischen 20 % und 32 % des vom Menschen verursachten CO2 gelangen über verschiedene Prozesse aus der Atmosphäre in die Ozeane. Etwa 40 % davon nimmt allein der Südliche Ozean auf. Wir können uns darauf verlassen, dass die Wale etwas davon für uns einfangen, bloß nicht genug, um uns vor uns selbst zu retten.
Julia Hager, PolarJournal