Multitalent Gletschermehl als CO2-Fänger und Dünger | Polarjournal
Glaziale Gesteinsmehlablagerungen, hier bei Ilulialik im Nuuk Fjord, sind etwas erhöht und leicht zu erkennen (Foto: Minik Rosing)

Das von grönländischen Gletschern zu Pulver zermahlene Gestein kann in sauren Böden beträchtliche Mengen an Kohlendioxid binden und hat auch ein großes Potenzial als Düngemittel im biologischen Pflanzenanbau

Zwei Experimente mit Gestein, das von grönländischen Gletschern zu Schluff pulverisiert wurde, haben gezeigt, dass es dazu beiträgt, in sauren Böden beträchtliche Mengen an Kohlendioxid zu binden und dass Biobauern damit einen hochwirksamen Dünger erhalten.

Das als Gletschermehl bekannte feine graue Pulver kann durch eine Technik, die als verstärkte Verwitterung bekannt ist, so viel Kohlendioxid binden, dass die dänischen Wissenschaftler, die die Experimente durchgeführt haben, glauben, dass es „einen wichtigen Teil“ zur Abschwächung des Klimawandels beitragen kann.

In einem der Versuche wurde silikathaltiges Gletschermehl auf sauren landwirtschaftlichen Boden ausgebracht. Die Ergebnisse zeigen, dass eine Tonne Gletschermehl über einen Zeitraum von drei Jahren 14,6 kg Kohlendioxid binden kann, was insgesamt 728 kg Kohlendioxid pro Hektar entspricht. Würde dies auf alle geeigneten Flächen in Dänemark angewandt, könnten mehr als 27 Millionen Tonnen Kohlendioxid der Atmosphäre entzogen werden – das ist etwas weniger als die 29 Millionen Tonnen Kohlendioxid, die das Land im Jahr 2021 ausstieß.

„Es handelt sich um eine einfache und skalierbare Lösung, die sowohl in Dänemark als auch weltweit eingesetzt werden könnte“, so Christiana Dietzen, Bodenwissenschaftlerin an der Universität Kopenhagen und Hauptautorin des Artikels über das Kohlenstoffsequestrierungsexperiment, der im International Journal of Greenhouse Gas Control erschienen ist.

Auf der Insel Maalutu, nördlich von Nuuk, vermittelt eine 16 m hohe Klippe (rechts – zum Grössenvergleich eine Person links) einen Eindruck von der Menge an Gletschermehl, die in Grönland zu finden ist. Das Sediment wurde durch den langsamen Rückzug eines Gletschers vor etwa 8’000 Jahren am Ende der letzten Eiszeit hinterlassen (Foto: Minik Rosing)

Ein Vorteil des Gletschermehls ist, dass es nicht gemahlen werden muss. Andere Materialien, die für eine verstärkte Verwitterung verwendet werden könnten, wie z. B. Basalt, müssen zunächst in einem energieintensiven Verfahren gemahlen werden. Außerdem finden sich in Grönland praktisch unbegrenzte Mengen an Gletschermehl, und es wird jedes Jahr mehr produziert, als für den Export gesammelt werden kann, so Christiana Dietzen.

Sie weist jedoch darauf hin, dass die Emissionen, die durch die Gewinnung und den Transport von Gletschermehl entstehen, die Menge an Kohlenstoff, die es aus der Atmosphäre entfernen kann, übersteigen könnten.

Mehr Kartoffeln und Mais dank glazialem Gesteinsmehl

Der zweite, ein Jahr dauernde Versuch zeigte zum ersten Mal, dass Gletschermehl auch ein wirksamer Dünger für biologisch angebaute Pflanzen ist. In dem Versuch erzielten die mit biologischem Dünger behandelten Pflanzen keine höheren Erträge, weil vermutlich der Boden, auf dem sie angebaut wurden, ohnehin nährstoffreich war. Doch die Pflanzen, die auf dem mit Gletschermehl behandelten Teil des Feldes angebaut wurden zeigten ein anderes Bild: Die Maiserträge waren um 24 % höher, und die Kartoffelpflanzen erzielten 19 % höhere Erträge. Da die Studie jedoch nur ein Jahr lang lief, kann das Team nicht sagen, wie sich das Gletschergesteinsmehl im Laufe der Zeit auf die Erträge auswirkt.

„Die Bodenbedingungen an diesem Standort waren für die Bindung von Kohlendioxid geeignet, und das Gletschergesteinsmehl hatte auch den Nebeneffekt, dass die Bodenfruchtbarkeit leicht höher lag. Andererseits haben wir einige Experimente in Ghana durchgeführt, bei denen wir eine wirklich beeindruckende Steigerung der Ernteerträge um durchschnittlich 35 % feststellen konnten und die bisher vier Vegetationsperioden lang anhielt“, erklärt Christiana Dietzen, die auch an der zweiten Studie mitgewirkt hat, die in Nutrient Cycling in Agroecosystems erschienen ist.

Glaziale Gesteinsmehlablagerungen bei Ilulialik (Foto: Minik Rosing)

Die Auswirkung der verstärkten Verwitterung auf die Kohlendioxidbindung ist der Studie zufolge nicht unmittelbar erkennbar. Nach dem dreijährigen Experiment stellten die Forscher fest, dass nur 8 % der maximal möglichen Kohlendioxidaufnahme des Gletschermehls erreicht wurden.

„Das bedeutet, dass dieser Prozess zwar wirksam ist, aber keine schnelle Lösung darstellt, sondern Jahrzehnte dauern könnte, um sein volles Potenzial auszuschöpfen“, meinte Christiana Dietzen weiter. Wenn sie jedoch jetzt umgesetzt wird, kann die verstärkte Verwitterung dazu beitragen, das globale Ziel Netto-Null-Emissionen bis zum Jahr 2050 zu erreichen.

Die Forschenden haben gerade eine Finanzierung für die Gründung eines neuen Forschungszentrums erhalten, das die Verwendung von Gletschermehl weiter untersuchen soll. Auch in Dänemark, Ghana und Australien sollen mehrere Dreijahresversuche durchgeführt werden. „Wir hoffen, dass innerhalb dieses Zeitraums auch die ersten kommerziellen Anwendungen von Gletschermehl auf dänischen landwirtschaftlichen Feldern beginnen werden, so dass der Prozess der Kohlendioxidabscheidung beginnen kann.“

Julia Hager, PolarJournal

Links zu den Studien
Dietzen C, Rosing M (2023) Int J Greenh Gas Ctrl 126 Quantification of CO2 uptake by enhanced weathering of silicate minerals applied to acidic soils; doi.org/10.1016/j.ijggc.2023.103872

Jensen KC et al (2023) Nutr Cycl Agroecosys 126 Greenlandic glacial rock flour improves crop yield in organic agricultural production; doi.org/10.1007/s10705-023-10274-0

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