Schüchtern oder kühn – Wanderalbatrosse haben Persönlichkeit | Polarjournal
Wanderalbatros-Paar bei ihrem Nest bei Kap Ratmanoff auf den Kerguelen in den französischen Subantarktisgebieten. Bild: Camille Lin

Albatrosse haben unterschiedliche Persönlichkeiten und diese „Charaktere“ wirken sich auf ihre Jagdstrategien aus, die eng mit der Windstärke verknüpft sind.

Ist es besser, sich mit dem, was man gefunden hat, zufrieden zu geben oder noch länger zu suchen? In Bezug auf das Essen haben Wanderalbatrosse keine eindeutige Position, wobei es einen Unterschied zwischen den „Schüchternen“ und den „Kühnen“ gibt. Wissenschaftler haben am 26. Juni eine Arbeit veröffentlicht, die einen Zusammenhang zwischen der Persönlichkeit der Wanderalbatrosse und der Art und Weise, wie sie sich bei der Nahrungssuche an unterschiedliche Windstärken anpassen, hergestellt. Die Fachleute zeigen, dass Vögel mit einem „schüchternen“ Charakter früher aufhören, die Windstärke auszunutzen, als „kühne“ Vögel, wenn diese tendenziell abnimmt.

Die Fähigkeit zu fliegen und nach Nahrung zu suchen verdanken die Wanderalbatrosse der Kraft des Windes. „Wir wussten bereits, dass sich ihr Flug- und Nahrungssuchverhalten an den atmosphärischen Bedingungen und insbesondere am Wind orientiert“, erklärt Natasha Gillies, Hauptautorin der Studie, die im Journal of Animal Ecology veröffentlicht wurde.

Natasha Gillies erforscht seit 2020 Schwarzbrauenalbatrosse auf Falkland und Populationen anderer Seevögel. Sie arbeitet an der Universität Liverpool. Bild: DR

Albatrosse legen größere Entfernungen zurück, wenn der Wind stark ist. Wenn er sich legt, ruhen sich die Tiere aus und warten auf die Rückkehr der Luftbewegungen, indem sie an der Wasseroberfläche treiben. In solchen Momenten ist es für sie vorteilhafter, in einer Ecke des Ozeans, in der es reichlich Nahrung gibt, auf Stand-by zu sein.

Auf ihren Wanderungen erkunden sie den Ozean auf der Suche nach Nahrung und lassen manchmal vielversprechende Gebiete hinter sich. Sie gehen das Risiko ein, diese nicht zu nutzen, um noch dichtere Plankton- und Beuteansammlungen zu finden. Umgekehrt gehen sie, wenn sie sich in einem Fanggebiet aufhalten, weniger Risiken ein, verhalten sich exploitativ und operieren mit vielen kleinen Flügen in einem begrenzten Raum, um so viel Beute wie möglich zu machen. „Das nennt man Ausbeutungs- versus Erkundungsverhalten“, erklärt die Forscherin. Albatrosse wechseln während ihrer Aufenthalte auf dem Meer von einem Modus in den anderen. Die Studie zeigt, dass die Persönlichkeit die Nutzen-Risiko-Analyse jedes Einzelnen beeinflusst.

Wie kann man die Persönlichkeit eines Albatrosses erkennen?

Auf der Crozet-Insel in den Französischen Süd- und Antarktisgebieten ist die Kolonie der Wanderalbatrosse auf der Alfred-Fore-Basis ein Versuchsgebiet des Centre d’Études Biologiques de Chizé, das jedes Jahr Ornithologen des Französischen Polarinstituts dorthin entsendet. Seit 2010 wird die Unerschrockenheit einiger Vogelpaare, die zum Brüten kommen, von Ornithologen getestet.

Sie verwenden eine Skala von 0 bis 5, um die Persönlichkeit des Individuums zu bewerten, wobei 5 die höchste Stufe ist. Auf dieser Stufe steht der Vogel auf und verlässt das Nest als Reaktion auf die Annäherung eines Menschen ( über 5 Meter), bei 3 vokalisiert er und bei 0 bewegt er sich gar nicht. Die Vögel werden auch mit Peilsendern ausgestattet, um ihren Flug auf See aufzeichnen zu können.

Bei starken Winden reisen „Schüchterne“ und „Waghalsige“ länger zwischen den Planktonteppichen. Ihre Chance, viel Nahrung zu finden, steigt. Wenn der Wind jedoch nachlässt, bevorzugen die „Schüchternen“ die Ausbeutung eines produktiven Bereichs des Ozeans, während die „Kühnen“ weiter reisen und erforschen.

Zwischen Männchen und Weibchen

Die Unterscheidung zwischen „schüchtern“ und „kühn“ existiert bei den Männchen, aber sie unterscheiden nicht zwischen starkem und schwachem Wind. „Sie sind durch ihre Flügelspannweiten so stark eingeschränkt, dass sie nur eine Art von Verhalten pro Individuum entwickeln können“, erklärt die Forscherin. Die „Schüchternen“ halten öfter an, um ein Fanggebiet zu nutzen, und die „Kühnen“ gehen mehr Risiken ein und sind länger unterwegs. Dabei ziehen die Männchen in Gebiete mit stärkeren Winden, die weiter südlich liegen.

Die Weibchen sind weniger schwer und ihre Flügel sind weniger groß. Sie sind in den Teilen des Südpolarmeeres anzutreffen, in denen die Winde weniger stark und gleichmäßig sind. In der Gruppe der Weibchen sind die „Schüchternen“ in der Lage, je nach Windstärke von einer Fangstrategie zur anderen zu wechseln, „Kühne“ setzen ihre Erkundungstouren bei schwachem Wind fort. Diese Verhaltensvielfalt ermöglicht es ihnen, sich an Veränderungen in ihrer Umgebung anzupassen.

Wissenschaftler glauben, dass der Klimawandel die „Kühnen“ begünstigen könnte. Wenn dies der Fall wäre, könnte die Vielfalt der Persönlichkeit abnehmen und die Vogelpopulationen wären weniger flexibel gegenüber weiteren Veränderungen.

Camille Lin, PolarJournal

Link zur Studie : Gillies, N., Weimerskirch, H., Thorley, J., Clay, T.A., Martín López, L.M., Joo, R., Basille, M., Patrick, S.C., n.d. Boldness predicts plasticity in flight responses to winds. Journal of Animal Ecology n/a. https://doi.org/10.1111/1365-2656.13968.

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