Ein Problem, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei der Beobachtung von arktischen Tieren haben, ist die relative Nähe der Menschen. Andererseits sind Drohnen ebenfalls Störfaktoren und feststehende Kamerasysteme zu wenig flexibel und können nur an Land verwendet werden. Ein Forschungsteam hat nun einen Drohnentyp entwickelt, der die Problematiken lösen könnte, denn sie kann fliegen und segeln.
Still und leise arktische Tiere auf dem Wasser oder am Ufer beobachten und bei Bedarf einfach woanders hinfliegen, auf dem Wasser landen und weitersegeln, dass kann SailMAV, die neueste Entwicklung eines Forschungsteams der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt EMPA und einer Forschungsgruppe am Imperial College London. Die nur rund 520 Gramm leichte Drohne kann ihre Flügel nach dem Wassern zu Segeln zusammenfalten und so ruhig auf der Wasseroberfläche treiben. Sollte ein Standortwechsel notwendig werden, faltet sie die 3-teiligen Segel wieder auseinander, startet die Motoren und hebt innerhalb von Sekunden und wenigen Metern wieder ab. Eigentlich ganz einfach.
Hinter dem Projekt steckt Dr. André Farinha, ein Experte für Robotik und Umweltbeobachtungen bei der «Sustainable Robotics»-Gruppe am EMPA und zurzeit Mitarbeiter in der Forschungsgruppe «Aerial Robotics Laboratory» des Imperial College in London. Er und seine Kolleginnen und Kollegen haben SailMAV (MAV = Micro Aerial Vehicle) entwickelt und sind davon überzeugt, dass dieser Drohnentyp einen wesentlichen Beitrag bei der Erforschung der Auswirkungen des Klimawandels auf arktische und alpine Regionen leisten kann. «Wasservögel oder Säugetiere am Ufer lassen sich von der «SailMAV» nicht stören, so dass die Drohne unverfälschte Aussagen etwa zu den Auswirkungen des Klimawandels auf den Zustand des Ökosystems machen kann», sagt Dr. Farinha dazu.
Drohnen sind in der Forschung für Aufnahmen von oben zwar beliebt, doch die kleinen Fluggeräte verursachen zu viel Lärm und gelten als Störfaktor. Ausserdem sind ihre Fähigkeiten und Reichweiten begrenzt. Darum haben viele Länder die Nutzung der fliegenden Systeme mit strengen Auflagen verbunden. Gerade über dem Wasser sind Drohnen besonders eingeschränkt, denn die Geräte können nicht schwimmen und ein Absturz könnte nicht nur Tiere verletzen oder töten, sondern stellt auch eine Belastung der Umwelt dar.
Um all diese Probleme zu lösen, kam André Farinha und den Expertenteams die Idee eine Drohne zu entwickeln, die in beiden Welten, Luft und Wasser, zuhause ist. Obwohl die physikalischen Anforderungen an ein solches Objekt teilweise diametral auseinandergehen, schaffte es das Entwicklerteam, diese Hindernisse zu umgehen. ««Wir konnten die aerodynamischen Eigenschaften nach mathematischen Modellierungen und dem Bau einiger Prototypen schliesslich so optimieren, dass «SailMAV» tatsächlich wie ein Katamaran auf dem Wasser segeln und mit geöffneten Flügeln fliegen kann», erklärt Dr. Farinha weiter.
Die Lösung für die Anforderung, fliegen und segeln zu können, liefern die dreiteiligen Flügel, die rasch zu Segeln zusammengefaltet werden können und innert zwei Sekunden auf eine Spannweite von einem Meter ausgebreitet werden können. Um Gewicht beim Fliegen zu sparen und gleichzeitig stabil genug für das Segeln zu sein, wurden die beiden Schwimmkörper wie bei einem Katamaran gestaltet und bestehen aus einem Polymerschaum in einer dünnen Carbonhülle, die mit einer wasserabweisenden Nanopartikelschicht überzogen ist. Ein Kamerasystem erlaubt nahe Tierbeobachtungen und die Steuerung während des Fliegens.
Die Entwicklung der Drohne ist jedoch noch nicht abgeschlossen. Das Team prüft zurzeit Möglichkeiten für ein autonomes Fliegen und Segeln. Dazu benötigen sie weitere Sensoren am Gerät. Ausserdem muss SailMAV noch für die etwas extremeren Bedingungen in der Arktis und im alpinen Bereich angepasst und getestet werden und zusätzliche Sensoren zur Messung von Umweltdaten eingeplant werden. Wenn das Gerät aber fertiggestellt ist, steht Forschenden eine einmalige Plattform zur Verfügung, die tiefere Einblicke in die arktische Tierwelt als jemals zuvor erlauben dürfte… und erst noch still und leise.
Dr. Michael Wenger, PolarJournal
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