Da ist zum einen die Wassermelone. Die klassische Sommerfrucht liebt Hitze und Feuchtigkeit und wird in Afrika und den Mittelmeerländern angebaut. Auf der anderen Seite ist da Antarktika. Ein eisbedeckter Kontinent, der die Hälfte des Jahres in die Polarnacht getaucht und für seine bittere Kälte bekannt ist. Dazwischen stellte sich ein russisches Forschungsteam einer scheinbar verrückten Herausforderung: Sie wollten in der Antarktis Wassermelonen anbauen. Den Erfolg konnten sie nun mit süssen Wassermelonen feiern.
Es gibt acht von ihnen. Sie wiegen jeweils etwa ein Kilo und haben einen Umfang von 13 Zentimetern. Und dank ihnen erhielten die Mitarbeiter der 68. russischen Antarktis-Expedition mitten im südlichen Winter einen kleinen Hauch von Sommer. Offenbar waren die südlichsten Wassermelonen der Welt geschmacklich durchaus mit ihren mediterranen Verwandten vergleichbar.
Die Pflanzen wurden in einer phytotechnischen Anlage gezüchtet und profitierten von einem dünnschichtigen Bodenersatz, Nährlösungen und speziell ausgewählter Beleuchtung ähnlich dem Sonnenlicht. Zwei Sorten wurden aufgrund ihrer Fähigkeit ausgewählt, sich sowohl an den niedrigeren Druck als auch an den geringeren Sauerstoffgehalt anzupassen, da sich die Station Vostok in einer Höhe von 3’488 Metern befindet. Anfang April gepflanzt und im Mai von Hand bestäubt, trugen sie bereits im Juli, 103 Tage nach Beginn des Versuchs, die ersten Früchte.
Allerdings stand die Sache auf der Kippe, da Wassermelonen unter solchen Bedingungen schwer anzubauen sind. „Das Institut für Agrarphysik hatte uns schon bei der Vergabe des Projekts gewarnt, dass die Wassermelone die temperamentvollste aller Pflanzen ist. Aber wir haben sie trotzdem ausgewählt – je schwieriger die Aufgabe, desto interessanter ist sie“, kommentiert Andrey Teplyakov, Geophysiker am AARI und Leiter des Projekts, und fügt hinzu, dass sein nächstes Ziel der Anbau von Gurken, Blaubeeren und Erdbeeren ist.
Neben dem Geschmack hatte auch das Experiment selbst eine positive Wirkung auf das Überwinterungsteam, das die Entwicklung der Pflanzen mit Freuden beobachtete: „Das Gewächshaus der Station wirkt sich positiv auf den emotionalen Zustand der Mitarbeiter der Polarforschungsstation aus, die viele Monate in Isolation, bei Polarnacht, niedrigen Temperaturen und beschränktem Wohnraum verbringen“, erklärt Andrey Teplyakov in einer auf der AARI-Website veröffentlichten Pressemitteilung.
Das im Februar 2020 gestartete Experiment “ Plants “ hat es bereits ermöglicht, 80 Gemüse- und Obstsorten anzubauen. In der letzten Saison konnte die Station 28 kg Tomaten und 9 kg Paprika ernten.
Für die Mitarbeiter der Station ist dies ein großer Motivationsschub, da sie sich nun mit Frischprodukten ernähren können – ein Vorteil, den man gegen die damit verbundenen Kosten abwägen muss: „Die Einführung des Pflanzenanbaus auf allen russischen Polarstationen wird seit langem diskutiert, erfordert aber eine genaue Berechnung der Effizienz und der Kosten der Umsetzung des Projekts. Die laufenden Experimente ermöglichen es, eine Datenbank zur Berechnung der benötigten Flächen, des Volumens des Pflanzmaterials sowie der Anzahl und Qualifikation der Fachkräfte zu erstellen. Weitere Arbeiten in dieser Richtung sind geplant. „
Die Vorteile des Anbaus von Obst und Gemüse unter extremen Umweltbedingungen sind auch für die Vorbereitung von bemannten Raumfahrtmissionen von Interesse. Tomaten und Himbeeren auf dem Mars anbauen? Durchaus, doch dafür ist eine genauere Untersuchung der Machbarkeit und der Kosten erforderlich. Daher das Interesse, solche Experimente in antarktischen Stationen durchzuführen. Und es ist nicht das erste Mal, dass Obst und Gemüse in antarktischen Gewächshäusern angebaut wird. Korea hat in seiner Station nahe der Halbinsel bereits Wassermelonen angebaut, und McMurdo produziert seinen eigenen Salat in Erde, die vom Kontinent selbst stammt. Außerdem führt Deutschland derzeit Studien über den Anbau von Pflanzen unter künstlichen Bedingungen für Weltraumprojekte durch.
Die bekannte Forschungsstation Wostok wurde 1957 von der UdSSR auf dem antarktischen Plateau am Pol der Unzugänglichkeit errichtet, dem am weitesten von jeder Küste entfernten Punkt des Kontinents. Die klimatischen Bedingungen in Wostok gehören zu den härtesten auf der Erde, mit Temperaturen von über -70°C im Winter und -30°C im Sommer. Jahrelang hielt Wostok den Rekord für die niedrigste jemals gemessene Lufttemperatur von -89,2 °C im Juli 1983.
Mit der Zeit türmte sich der Schnee rund um die Station auf und die Infrastruktur verfiel. Daher beschlossen die russischen Behörden, eine neue Anlage zu bauen. Die Arbeiten begannen im Jahr 2020 und sollen bis 2025 abgeschlossen sein.
Mirjana Binggeli, PolarJournal / Deutsche Version: Julia Hager, PolarJournal
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