In einigen Teilen der Welt brennt die Sonne mittlerweile seit Monaten vom Himmel und sorgt für übermässige Hitzewellen. Wer kann, begibt sich an Orte, die kühl und vor der Sonne geschützt sind, beispielsweise hinter abgedunkelte Scheiben eines Geschäftes oder Fahrzeugs. Ein ähnlicher Vorschlag, aber auf globaler Ebene zur schnellen Milderung der Klimaerwärmung steht im Raum: die Abdunkelung der Erde. Eine Studie geht diesem Lösungsvorschlag nach, mit zwiespältigem Ergebnis.
Auf künstliche Weise die Menge an Aerosolen, also Gasteilchen, in der Stratosphäre erhöhen und damit eine Art Sonnenschirm kreieren, der die Erde abdunkelt und vor der Sonneneinstrahlung schützt, das haben Doktor Johannes Sutter vom Oeschger Zentrum für Klimaforschung OCCR und seine Kollegen genauer untersucht. Dabei fokussierten sich die Forscher vor allem auf die Auswirkungen auf den westantarktischen Eisschild und stellten fest, dass eine solche Verdunkelung das Abschmelzen nur teilweise verzögern würden: Je nachdem wie stark die CO2-Emissionen global reduziert würden, desto länger wäre die Verzögerung und würde Zeit bringen, weitere Massnahmen zur Verminderung der Klimawandeleffekte zu ergreifen. Doch ein Aufhalten würde diese Abdunkelung nicht bringen. Die Ergebnisse der Studie veröffentlichten die Forscher in der neuen Ausgabe der Fachzeitschrift Nature Climate Change.
Das Team untersuchte für seine Studie die Auswirkungen einer Reduktion der Sonneneinstrahlung auf Antarktika und besonders den westantarktischen Eisschild. Dabei betrachteten sie die verschiedenen CO2-Emissionszenarien und modellierten das Verhalten des Eisschildes und des Südlichen Ozeans mit und ohne Abdunkelung. Die Ergebnisse der Modellierungen waren ernüchternd: Bei einem «Weiter wie bisher» Szenario reduziert die Abdunkelung lediglich die Geschwindigkeit der Erwärmung und Abschmelze. Erst bei einer kombinierten Anwendung von CO2-Reduktionsmassnahmen und Abdunkelung könnte unter Umständen ein Kollaps des Eisschildes verhindert werden. Eine echte Stabilisierung würde am ehesten bei einer Reduktion des CO2-Ausstosses auf Null entstehen.
Das Zauberwort, das die Forscher untersucht haben, heisst «Geoengineering». Damit gemeint ist das künstliche Eingreifen in verschiedene natürliche Prozesse durch technische Methoden, um die Auswirkungen des Klimawandels zu reduzieren oder gar nicht erst aufkommen zu lassen. Es geht den Befürwortern dabei darum, das Überschreiten von Kipppunkten zu verhindern und Massnahmen zur Reduktion von Treibhausgasen zu ergreifen, um so langfristig das Klima zu stabilisieren. «Das Zeitfenster, in dem sich der globale Temperaturanstieg auf unter 2 Grad beschränken lässt, schliesst sich schnell», erklärt Dr. Sutter, ein Eismodellierungsspezialist. «es ist deshalb möglich, dass technischen Massnahmen zur Beeinflussung des Klimas in Zukunft ernsthaft in Erwägung gezogen werden.»
Dazu zählen auch Massnahmen zur Reduzierung der Sonneneinstrahlung auf die Erde, das Solar Radiation Management SRM. Dabei sollen Gasteilchen in die Stratosphäre transportiert und dort freigesetzt werden, die in ihrer Dichte eine Art künstlichen Vorhang bilden und so die Menge an Energie, die auf die Erde fällt reduzieren soll. Als Beispiel für solche Aerosole dient Schwefeldioxid, das vielen noch als Verursacher von saurem Regen in den 1980er Jahren bekannt sein dürfte.
Geoengineering wäre ein weiteres globales Experiment und ein potenziell gefährlicher Eingriff der Menschen in das Klimasystem.
Prof. Thomas Stocker, Universität Bern
Hier liegt auch die Schwierigkeit der ganzen Sache, wie Sutter und seine Kollegen erklären. Einerseits müssen jährlich Millionen von Tonnen der Aerosole mittels Fluggeräte kontinuierlich in die Stratosphäre transportiert werden, was zu einem massiven CO2-Ausstoss führen wird. Andererseits sind die Auswirkungen auf die natürlichen Prozesse und Organismen auf der Erde durch das Abdunkeln und die Aerosole nicht genau untersucht, dürften aber in Richtung Versauerung wieder gehen. Ausserdem, so erklärt Mitautor Professor Thomas Stocker, von der Universität Bern, bestehe die Gefahr, dass man andere Klimaschutzmassnahmen aussetzen oder verhindern würde. Seiner Meinung nach, sollte Geoengineering nicht als Klimaschutzmassnahme in Betracht gezogen werden, denn «Geoengineering wäre ein weiteres globales Experiment und ein potenziell gefährlicher Eingriff der Menschen in das Klimasystem.»
Dr. Michael Wenger, PolarJournal