Der Eurovision Song Contest ESC gilt als der grösste Musikwettbewerb der Welt und zieht jedes Jahr Millionen vor die Bildschirme. Nun existiert ein arktisches Pendant zum ESC, die PanArctic Vision, die zum ersten Mal vergangenen Samstag im nordnorwegischen Vadsø durchgeführt wurde und sich der Stärkung arktischer Vielfalt in Sachen Musik und Menschen verschrieben hat.
Insgesamt neun musikalische Beiträge, die von den unterschiedlichsten Stilrichtungen geprägt sind, wurden am letzten Samstag, 12. August, in der Vadsøhallen vorgestellt. Die Interpretinnen und Interpreten der Beiträge stammten aus den verschiedensten arktischen Regionen, aus dem heimischen Nordnorwegen und dem nahegelegenen Nordfinnland über Grönland, die Färöer-Inseln, Yukon und Alaska bis nach Island. Auch eine russische Vertreterin, die aufgrund der politischen Situation im georgischen Exil lebt, war an diesem panarktischen Anlass vertreten. Und trotz einiger Unterschiede zum ESC besonders in Sachen Grösse und Reichweite, waren Parallelen ersichtlich, die darauf abzielten, ein arktisches Zusammengehörigkeitsgefühl zu stärken und die Vielfalt der arktischen Kulturen und der arktischen Gesellschaft zu zeigen und zu feiern.
Die Teilnehmenden wurden im Vorfeld von regionalen Jurys ausgewählt dann von den Organisatoren offiziell eingeladen. Geplant waren zwar zehn Beiträge, am Ende waren es jedoch neun. Gewonnen wurde der Event von der grönländischen Band «Nuija» (dt. Wolken), die mit ihrem seht mitreissenden Song «Takutillara» die Zuschauer des Live-gestreamten Wettbewerbs am stärksten überzeugen konnte. Die eigentlich sechsköpfige Band, die aus Kostengründen nur zu dritt anreisen konnte, freut sich zwar riesig über den Gewinn. «Wir feiern den Sieg selbst nicht so sehr, denn das Wichtigste ist, dass es eine tolle Erfahrung war; wir haben viele neue Leute kennengelernt und neue Verbindungen und Freundschaften geschlossen», erklärt Nick Ørbæk, der Sänger und Gitarrist der Band gegenüber der Zeitung Sermitsiaq.
Anders als am ESC wurde aber nicht nur ein Gewinnerbeitrag erkoren, sondern gleich deren drei. Denn für die Organisatoren des PanArctic Vision standen auch andere Aspekte im Vordergrund, die mit dem Event gestärkt und gefeiert werden sollten. So gewannen die vier Jugendlichen der nordnorwegischen Punkrock-Band «Sköll» mit «Skansen» den Preis für den innovativsten Song und die färöische Sängerin Guðrið Hansdóttir die Kategorie «Song für das stärkste Zusammengehörigkeitsgefühl» mit ihrem Beitrag «Blátt myrkur» (dt. Blaue Dunkelheit).
Obwohl oft als kommerzielle und seichte Angelegenheit verschrien, setzt sich der ESC nicht nur für musikalische Vielfalt ein, sondern wirbt für mehr Gleichberechtigung, Vielfalt und Verständnis zwischen den Menschen. Und genau dasselbe will der PanArctic Vision erreichen, jedoch explizit für die arktischen Regionen. Und dabei gibt man sich auch schon mal politisch, indem man als Moderator explizit darauf hinweist, dass Russland trotz allem ein Teil der Arktis ist und man auch einen russischen Beitrag im Programm hat, der aber dann nicht aus dem offiziellen Russland stammt, sondern von den russischen Künstlerinnen und Künstler, die heute im Exil leben, sei es aufgrund ihrer politischen Ansichten oder ihrer geschlechtlichen Identität.
Letztere zu stärken und die Diskussion über die Rechte der LGBTQ* auch in der arktischen Gesellschaft zu fördern, wird, wie auch beim ESC, beim PanArctic Vision grossgeschrieben. Und wo sich der ESC darauf beschränkt, keine Grenzen bei den Künstlern zu setzen, geht der PanArctic Vision einen Schritt weiter und lässt die wichtigste Stimme der Bewegung, den 28-jährigen Davvet Bruun Solbakk den Wettbewerb Co-moderieren.
Ein weiterer Unterschied zum ESC lag auch darin, dass nicht das Gewinnerland automatisch den nächsten Wettbewerb ausrichten wird. Vielmehr konnten die Zuschauer in den einzelnen Regionen abstimmen und dabei auch ihrer Region ihre Stimmen geben. Und wer nun glaubt, dass so jede Bevölkerung nur ihrer Region die Stimme gab, wurde eines Besseren belehrt. Am Ende gewann Grönland die Abstimmung vor den Färöer-Inseln. Und das Land steht nach eigenen Angaben bereit, den Event im kommenden Jahr auszurichten. Der Leiter des Katuaq Kulturzentrums, Arnakkuluk Jo Kleist wartet auf die Entscheidung der Hauptorganisatoren, Nordting, einer nordnorwegischen Vertretung für die Belange arktischer Ureinwohner. «Wir sind gerade dabei, die Veranstaltung auszuwerten. Es war wild, es war gut und wir hatten viel arktische Musik, daher ist es definitiv unser Eindruck, dass die Veranstaltung fortgesetzt werden sollte», erklärt der Leiter von Nordting, Musiker Amund Sjølie Sveen.
Dr. Michael Wenger, PolarJournal
Link zum Video des PanArctic Vision (Dauer: 2h45min)
Wer alle Beiträge hören will, findet hier die Spotify-Playlist des Wettbewerbs