Einsatz chinesischer Akustikbojen im Arktischen Ozean löst Bedenken aus | Polarjournal
Die Polarregionen sind eine wichtige Zone für Chinas Aufstieg zur Weltmacht. China hat langfristige strategische und wirtschaftliche Interessen in der Arktis. Dies sind Gründe dafür, dass China dort aktiv werden möchte. (Foto: CHINARE)

Der Arktische Ozean ist längst ins Zentrum wissenschaftlicher, wirtschaftlicher und politischer Gedanken gerückt. Auch China sieht sich als «nah-arktischer» Staat und weitet seine Aktivitäten in der Region aus. Nun haben chinesische Presseberichte und eine wissenschaftliche Studie für Wirbel bei Sicherheitsexperten gesorgt, denn es geht um den Einsatz von neuen, hochmodernen Akustikbojen und deren Nutzung.

Ein Netzwerk von Bojen, die mit verschiedenen Messsystemen für ozeanographische Untersuchungen und mit einem Vektorhydrophon ausgerüstet sind, sollen zurzeit im Arktischen Ozean von chinesischen Expertenteams ausgesetzt werden. Beim Vektorhydrophon handelt es sich um ein Unterwassermikrofon mit Mehrfachsensoren für die gerichtete Aufnahme von Unterwassergeräuschen aus mehreren Richtungen. Das meldete unter anderem die chinesische Zeitung South China Morning Post vor kurzem und beruft sich dabei auf Informationen des chinesischen Polarinstituts, das für die Arbeit verantwortlich ist. Diese Mikrofone sollen helfen, Strömungsbedingungen und -richtungen im Arktischen Ozean zu untersuchen und gleichzeitig auch Organismen wie Wale, Robben und Fische und deren Wanderverhalten zu studieren. Soweit also eigentlich eine normale wissenschaftliche Arbeit.

Ein Team des chinesischen Eisbrecher-Forschungsschiffs Xue Long beim Versetzen einer Sonde im Arktischen Ozean. (Foto: Wu Yue / Xinhua)

Doch die Aktivitäten und die Pressemeldungen der chinesischen Medien werden in sicherheitspolitischen Expertenkreisen argwöhnischer beäugt, wie ein Artikel in der Eurasian Times zeigt. Denn die eigentlich nach offiziellen Angaben rein wissenschaftlichen Geräte könnten auch anderweitig genutzt werden. Unterwassermikrofone wie die nun eingesetzten Geräte können auch für das Aufspüren und Verfolgen von U-Booten und Schiffen verwendet werden oder zur Untersuchung des Meeresbodens nach Ressourcen. Dabei berufen sich die Expertenteams auf eine zuvor veröffentlichte Studie, welche die Ergebnisse von Tests der Bojen zusammenfasst.

«Die akustischen Informationen, die durch das geplante großflächige Abhörnetzwerk gesammelt werden, könnten für eine Vielzahl von Anwendungen genutzt werden, darunter subglaziale Kommunikation, Navigation und Positionierung, Zielerfassung und die Rekonstruktion von marinen Umweltparametern», heisst es in der Studie, die im Chinese Journal of Polar Research veröffentlicht wurde.

Will China also ein Abhörnetzwerk eher für Spionage als für Forschung einrichten?

Möglich wäre es schon, denn Chinas Interesse an der arktischen Region ist enorm und basiert auf wirtschaftlichen und strategischen Überlegungen. Dabei stehen die neue polare Seidenstrasse zur Stärkung der chinesischen Exportwirtschaft und die Sicherung von Ressourcen wie russisches Erdöl und Erdgas sicherlich im Vordergrund. Daraus macht man in Beijing keinen Hehl und unterstützt die Bemühungen Russlands bei der Förderung der Energieträger. Die Daten, die von den Bojen gesammelt werden, könnten dazu ebenfalls verwendet werden und könnten China einen grossen Vorteil beim Rennen um die arktischen Ressourcen liefern, an dem auch zahlreiche andere Staaten, arktische und nicht-arktische, teilnehmen.

Chinas starke Präsenz in polaren Regionen, die Eisbrecher Xue Long-1 und Xue Long-2. (Foto: CHINARE)

Es ist aber nicht nur die weiter steigende wirtschaftliche Stärke Chinas, die aus der Etablierung eines solchen Netzwerks entstehen kann, die bei Expertenteams Bedenken auslösen. Die Bojen können auch für sicherheitspolitische und militärische Zwecke verwendet werden und der Militarisierung der Arktis weiteren Vorschub leisten. Anzeichen dafür sehen sie bei der Tatsache, dass die Daten der Bojen über chinesische Satelliten direkt nach Hause geliefert werden und weil das chinesische Polarinstitut direkt vom chinesischen Staat geleitet wird. Das dürfte besonders die USA beunruhigen, die in ihrer Veröffentlichung zur nationalen Arktisstrategie explizit vor chinesischen und russischen Aktivitäten in der Region warnen und damit begonnen haben, selbst ihre militärische Präsenz in der Arktis zu verstärken, notabene auch durch den Einsatz ihres Eisbrechers Healy zur Verbesserung von KI-gestützten Analysewerkzeugen von arktischem Meereis.

Die Idee der Nutzung wissenschaftlicher Forschung für andere Zwecke ist nichts Neues. Doch sie hat auch zahlreiche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf den Plan gerufen, die sich für ein ähnliches Modell in der Arktis wie in der Antarktis aussprechen: der Etablierung eines Systems für Frieden und Forschung in einer Region, die so stark den globalen Veränderungen unterworfen ist wie keine andere, sowohl klimatisch wie auch politisch.

Heiner Kubny, PolarJournal

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