Die Ankunft des Frühlings auf der Südhalbkugel gibt Anlass zur Sorge. Das internationale Netzwerk zur Überwachung von Wildtier-Epidemien warnt vor einem erneuten Auftreten von H5N1 und dem Risiko, dass das Virus in die Antarktis eindringt.
Am 29. August 2023 berichtete die spanische Tageszeitung El Pais über den Tod von 20 Pelzrobben, die an der argentinischen Küste dem H5N1-Virus zum Opfer gefallen waren – die ersten Fälle, die in diesem Land so gemeldet wurden. Am selben Tag titelte die südatlantische Nachrichtenagentur MercoPress: „Falklandinseln warnen vor der Rückkehr der Zugvögel und höchstwahrscheinlich der Vogelgrippe“.
Seit August warnen Experten der Weltorganisation für Tiergesundheit (WOAH) und der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) vor dem Risiko, dass sich das Vogelgrippevirus H5 über die subantarktischen Inseln in bisher unberührte Gebiete ausbreitet: die Antarktis. Und unter den Inseln sind die Falklandinseln diejenigen, bei denen das Risiko am größten ist.
„Das Problem auf den Falklandinseln ist das Zusammenleben mit der Wildnis: Wir können die Bewegung von Tieren nicht kontrollieren, geschweige denn die See- und Luftgrenzen von Meeressäugern und Vögeln“, sagt Keltoum Boumedjane, eine junge Forscherin an der Ecole des Hautes Etudes en Sciences Sociales, der sich auf Biosicherheit und Governance auf den südlichen Inseln spezialisiert hat.
Das H5-Virus soll 2022 in Kolumbien erstmals in Südamerika angekommen sein. Seitdem sollen in Peru 500’000 Wildtiere verendet sein und in Chile sollen 13 % der Humboldtpinguine vom Virus betroffen sein. Weiter soll es sich mit einer Geschwindigkeit von 6’000 Kilometern in drei Monaten ausgebreitet haben. H5N1 befällt zwar in erster Linie Vögel, aber auch Säugetiere wie Seelöwen und Wale sind Träger.
Die Falklandinseln sind nur etwas mehr als 500 Kilometer vom südamerikanischen Kontinent entfernt. „Bei der Überwachung achten die lokalen Behörden auf verdächtige Todesfälle, z. B. auf eine ungewöhnliche Anzahl von Kadavern. Sie achten auch auf die klinischen Anzeichen der Vogelgrippe, insbesondere auf neurologische Störungen, die sie beobachten können: desorientierte Vögel, Schwierigkeiten, sich zu bewegen“, erklärt sie. „Was die Vorbereitung auf das Vogelgrippe-Risiko und das Management angeht, sind die Tierärzte für die Überwachung der Situation zuständig, aber sie sind unterbesetzt und haben nur drei oder vier Tierärzte für das gesamte Gebiet, die bereits mit dem Management des Viehbestands mit 500.000 Schafen und 4.500 Kühen ausgelastet sind.
Die Experten von FAO und WOAH weisen darauf hin, dass die Epidemie vor allem von Wildtieren übertragen wird, aber auch von Haus- und Nutztieren auf den Falkland-Inseln übertragen werden könnte, und rufen daher zu erhöhter Wachsamkeit auf. Außerdem betonen sie, dass der Tourismus und wissenschaftliche Aktivitäten nicht außer Acht gelassen werden dürfen.
„Die Passagiere reinigen ihre Stiefel auf dem Schiff vor und nach dem Besuch der Inseln, es kann Stiefelwaschstationen am Ufer geben, bevor sie das Schiff betreten, und sowohl Touristen als auch das Personal müssen einen (bio)sicheren Abstand zu den Tieren einhalten“, meint Keltoum Boumedjane, die sich mehr Sorgen um das Verhalten von Profifotografen macht, die allein reisen, um die Falklandinseln zu fotografieren.
Ein Ausbruch auf den Falklandinseln hätte wahrscheinlich schwerwiegende Auswirkungen auf die Wildtiere und möglicherweise auch auf die Viehzucht und in seltenen Fällen auf die Gesundheit der Einwohner. Die Wirtschaft der Insel wäre ebenfalls betroffen und würde vorübergehend die Einnahmen aus dem Tourismus und aus einen Teil der landwirtschaftlichen Produktion verlieren, wenn die Viehzucht betroffen ist.
Die Epidemie könnte sich auch weiter nach Süden ausbreiten. Die Antarktis und die Subantarktis beherbergen jeden Frühling etwa 100 Millionen Brutvögel und 23 Arten von Robben, Seelöwen und Walen. Unter diesen Arten erklären Experten, dass sich Adeliepinguine, Riesensturmvögel oder Skuas bereits mit niedrig pathogenen Stämmen der Vogelgrippe wie H4N7 angesteckt haben. Und Riesensturmvögel und Skuas sind potenzielle Überträger von H5N1, da sie die Drake-Passage durchqueren und zwischen Kontinenten und Inseln zirkulieren, Territorien, die bislang verschont geblieben sind.
Camille Lin, PolarJournal
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