Die Chemie der arktischen Flüsse verändert sich | Polarjournal
Flüsse spielen eine wichtige Rolle bei der Vernetzung von Land und Ozeanen. Jede Veränderung in der chemischen Zusammensetzung riesiger Flusssysteme wie der Lena in der russischen Arktis hat Auswirkungen auf die Ozeane. Bild: AWI, Bremerhaven.

Eine von der Universität von Florida veröffentlichte Studie zeigt, dass sich die Chemie der sechs wichtigsten arktischen Flüsse verändert, was sich auf alle Ozeane der Erde auswirken kann.

Ein Team amerikanischer, russischer, kanadischer und französischer Forscher des Arctic Great River Observatory veröffentlichte kürzlich in der Zeitschrift Nature Geosciences eine Studie über die chemischen Veränderungen in arktischen Flüssen. Die über einen Zeitraum von mehr als 15 Jahren, zwischen 2003 und 2019, durchgeführte Studie basiert auf den Ergebnissen von Probenahmen aus den sechs wichtigsten Flüssen, die in den Arktischen Ozean fließen: die russischen Flüsse Ob, Jenissei, Lena und Kolyma sowie die nordamerikanischen Flüsse Mackenzie und Yukon. Die Ergebnisse zeigen, dass das Wasser der arktischen Flüsse einem chemischen Wandel unterliegt.

Die Autoren betonen die Bedeutung solch großer Flusssysteme für den Arktischen Ozean. „Flüsse integrieren Prozesse, die in ihrem gesamten Einzugsgebiet ablaufen, und sind daher Wegweiser für Veränderungen auf breiter räumlicher Ebene“, schreiben die Autoren in ihrem Artikel. „Nirgendwo ist das so wichtig wie in der Arktis, wo etwa 11 % der Abflüsse der Erde in ein geschlossenes Becken fließen, das 1 % des weltweiten Ozeanvolumens enthält.“

Da die Chemie der Flüsse die Ökosystemfunktionen im gesamten Land-Ozean-Kontinuum unseres Planeten reguliert, beeinflussen sie auch die Nahrungsnetze und den globalen Kohlenstoffkreislauf. Einfach ausgedrückt: Flusswasser und seine chemische Zusammensetzung verändern die Physik der Ozeane. Darüber hinaus können sich chemische Veränderungen in Flüssen auch auf die Menge an CO2 auswirken, die in die Luft abgegeben wird, sowie auf die Art und Weise, wie Pflanzen und Tiere in den Ozeanen gedeihen können.

Der Ob, der Jenissei, die Lena, die Kolyma, der Mackenzie und der Yukon, die sechs wichtigsten Flüsse der Arktis, entwässern zusammen zwei Drittel der panarktischen Wasserscheide, die durch eine dicke blaue Linie dargestellt ist. Die Ausdehnung des Permafrosts ist durch eine blaue Schattierung gekennzeichnet. Die Punkte stellen die Probenahmestandorte dar. Karte: Greg Fiske

Die Wissenschaftler konzentrierten sich insbesondere auf drei Komponenten: gelöster organischer Kohlenstoff, Alkalinität und Nitrate, wobei sich bei den beiden letztgenannten signifikante Veränderungen zeigten. Der Alkaligehalt in den Flüssen des hohen Nordens stieg in einem Zeitraum von 17 Jahren um 18 %. Dies bedeutet eine stärkere Verwitterung und Zersetzung von Gestein und eine stärkere Verwitterung in den Wassereinzugsgebieten. Die Werte von Nitraten, die Pflanzen und Tieren wie Algen und Fischen als Nährstoffe dienen, sind dagegen um 32 % gesunken. Dies wirft letztlich die Frage nach dem Gleichgewicht des Lebens in den Ozeanen auf.

Die Studie ergab zwar allgemeine Trends, die auf eine großflächige Störung in der gesamten Arktis hindeuten, doch die einzelnen Ergebnisse waren nicht einheitlich. So nahm beispielsweise der Alkaligehalt in allen untersuchten Flüssen zu, mit Ausnahme des Mackenzie, der einen rückläufigen Trend aufwies. Dies deutet darauf hin, dass die Mechanismen der Veränderungen von einem Fluss zum anderen variieren.

Ein Wassereinzugsgebiet ist das gesamte Gebiet, das von einem Wasserlauf entwässert wird. Es umfasst kleinere Wassereinzugsgebiete und Ausläufe, die die Austrittsstellen der fließenden Gewässer sind. Ein Auslass kann ein See, ein Fluss oder ein Ozean sein. Video: Battle River Wassereinzugsgebiet / YouTube

Die globale Erwärmung ist für diese Veränderungen verantwortlich: „Die Arktis erwärmt sich schneller als jeder andere Ort auf der Erde, was zu einer Vielzahl von Veränderungen führt, vom Auftauen des Permafrosts, der lange gespeicherten Kohlenstoff mobilisiert, bis hin zu Veränderungen in der Vegetation und der Umwandlung von Nährstoffen und Kohlenstoff in den Flüssen“, sagt Robert G.M. Spencer, Professor und Biogeochemiker an der Universität von Florida und einer der Autoren der Studie. Alle diese Phänomene führen zu chemischen Veränderungen in den Flüssen, die sich wiederum nicht nur auf den Arktischen Ozean, sondern auf die Weltmeere insgesamt auswirken.

Das Auftauen des Permafrostbodens durch Thermokarst, d. h. das Zusammenbrechen der Landschaft, kann sich insbesondere auf die langfristige Veränderung der Chemie eines Flusses auswirken, je nach Art des Bodens und dem Ausmaß des Auftauens. So kann das Vorhandensein einiger anorganischer Nährstoffe zunehmen, während andere, wie z. B. der gelöste organische Kohlenstoff, abnehmen können.

Die Ergebnisse zeigen tiefgreifende und schnelle Veränderungen und sollten die Tür zu neuen Projekten öffnen, da es nicht nur wichtig ist zu verstehen, wie sich die Arktis entwickelt, sondern auch das Tempo dieser Veränderungen: „Unsere Ergebnisse sprechen eindeutig für eine kontinuierliche und integrierte Beobachtung des arktischen Land-Ozean-Systems in all den verschiedenen Rechtsgebieten, die das pan-arktische Gebiet ausmachen. Aber, was ebenso wichtig ist, sie verstärken die Notwendigkeit, der Erwärmung des Erdklimas und ihren Multiplikatoreffekten im Norden schnell Aufmerksamkeit zu schenken“, sagen die Forscher zum Schluss.

Link zur Studie : Tank, S.E., McClelland, J.W., Spencer, R.G.M. et al. Recent trends in the chemistry of major northern rivers signal widely Arctic change. Nat. Geosci. (2023). https://doi.org/10.1038/s41561-023-01247-7

Mirjana Binggeli, PolarJournal / Deutsche Version: Julia Hager, PolarJournal

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