Matthias Jaggi, Techniker am Schweizerischen WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF, wird die Feiertage in der Antarktis verbringen. Das Gepäck für seine mehrmonatige Expedition reist ihm voraus.
Matthias Jaggi grübelt. Warme Stiefeleinlagen baumeln in seiner Hand. Wohin damit? Die Aluminiumkiste vor ihm ist fast voll, aber die Stiefel müssen mit. Unbedingt. Zwar ist es Ende August selbst im hochgelegenen Davos noch angenehm warm. Aber der SLF-Techniker wird die Stiefel schon bald brauchen. Er bereitet seine Expedition vor. Noch im September wird sein Gepäck auf den Weg gebracht. Was nicht dabei ist, ist nicht dabei. Nachkaufen kann er am Ziel nichts, denn am Zielort existieren keine Geschäfte und der Onlineversandhandel liefert dort auch nicht hin. Jaggi reist in die Kälte.
Anfang November wird er aufbrechen, erst nach Neuseeland, dann weiter in die Antarktis. Sein Gepäck reist ihm voraus, mit Flugzeug, Eisbrecher und Pistenbully bis zur Forschungsstation Dome Concordia auf dem Hochplateau Dome C. Jaggi wird dort den Advent verbringen, Weihnachten und Sylvester feiern und erst Anfang Februar zur Fasnacht in die Schweiz zurückkehren.
Der Prototyp kommt mit
Er, seine Geräte – und drei grosse Styroporkisten. Dort legt er hunderte kleiner Kunststoffbehälter hinein, für Schneeproben. Daneben hat er zwei Fässchen mit Diethylphthalat bereitgestellt. Die Flüssigkeit wird er zu Schneeproben hinzugeben. So füllt er den Leerraum der Schneestruktur und friert sie dann bei minus zwanzig Grad ein. «Das hält die Eiskristalle langfristig stabil, die Struktur bleibt so intakt», erklärt Jaggi.
In der Antarktis wird er, eingebettet in das Forschungsprojekt NIVO3 des französischen Polarinstituts IPEV, zahlreiche Daten sammeln. Beispielsweise untersucht er, wie die Metamorphose des Schnees, der Wandel jedes einzelnen Schneekristalls zum Eiskorn, darauf auswirkt, wie sich verschiedene Isotope des Sauerstoffs im Eis verteilen. Sauerstoff-Isotope, das sind Sauerstoff-Atome mit unterschiedlich schweren Atomkernen. «Für Klimawissenschafter ist das extrem wichtig, um globale Temperaturrückschlüsse zu machen», erläutert Jaggi und legt einen schwarzen Kasten in eine Metallkiste.
Es ist der SnowImager, eine Entwicklung von Kollegen am SLF, um mit einem optischen Verfahren Schneeprofile zu vermessen. Noch handelt es sich um einen Prototypen, und Jaggi will damit die Schneedecke in der Antarktis und die Metamorphose des Schnees untersuchen. Gleichzeitig wird es ein Härtetest für das Gerät bei niedrigen Temperaturen um vierzig Grad unter null.
Sonnige Weihnachten …
Weisse Weihnachten erwarten ihn garantiert. Allerdings wird das Fest eher mediterran geprägt sein, vermutet er. Schliesslich betreiben Italien und Frankreich die Forschungsstation. Zudem wird an den Feiertagen kaum eine besinnliche Atmosphäre bei Kerzenschein herrschen, erwartet der Techniker: «Auf der Südhalbkugel herrscht Sommer, es ist ständig hell, in der Antarktis geht die Sonne nicht unter.»
Jaggi greift nach der grossen Schneesäge. Hier muss er wenigstens nicht darüber nachdenken, wo sie hinsoll. Es gibt nur einen Platz in dem langen, schwarzen Koffer, der vor ihm steht. Gut verpackt hinter Schaumstoff, damit die Säge nichts beschädigt. Der Techniker benötigt sie für Schneeprofile, um möglichst gerade Flächen zu erhalten, an denen er misst.
… und ein guter Kräutertee
Schaufeln, Kabel, elektrische Geräte, Verteilerdosen, ein robuster, drei Meter langer Zollstock, spezielle, wetterfeste und feuchtigkeitsbeständige Schreibblöcke, und vieles mehr wandert in die Behälter. Am Ende sind es sechs Metallkisten, ein Koffer, zwei Fässer und drei Styroporbehälter, 2000 Liter Gesamtvolumen, 450 Kilogramm schwer. Mit persönlichen Gegenständen hält Jaggi sich zurück. Ein E-Reader zum Lesen, Sportsachen – auf Dome Concordia existiert ein Sportraum – eine Kamera. «Und», ergänzt er, «wenn ich den einführen darf, einen guten Kräutertee.»
Jochen Bettzieche, WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF
Mehr zum WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF auf https://www.slf.ch/