Der Leiter des Ministeriums für östliche Entwicklung, Aleksey Chekunkov, berichtete in einem Interview mit dem Nachrichtenportal RBC am Vorabend des Eastern Economic Forum über den Mangel an Schiffen mit einer geeigneten Eisklasse für den weiteren Ausbau der Nordmeerroute (NSR). Russland betrachtet die Route, zwischen Murmansk und der Beringstrasse seit Jahren als Alternative zum Suezkanal und plant, den Handel über die Arktis im nächsten Jahr noch weiter anzukurbeln.
Der Minister erklärte, dass im Jahr 2022 rund 34 Millionen Tonnen Fracht entlang der NSR transportiert wurden. In diesem Jahr soll dieselbe Frachtmenge erreicht werden, meinte er weiter. Bis Ende 2024 soll danach das von der Regierung Putin erklärte Ziel von 80 Millionen Tonnen an Güterverkehr erzielt werden und bis 2031 auf 200 Millionen Tonnen weiter ausgebaut werden.
Für einen solchen Anstieg des Frachtverkehrs gibt es jedoch nicht nur in Russland, sondern weltweit noch nicht genügend Schiffe mit einer entsprechenden Eisklasse. „Meine grösste Sorge dürfte die Verfügbarkeit einer Flotte von Schiffen mit einer Eisklasse in ausreichender Menge sein, um in sieben bis acht Jahren 200 Millionen Tonnen zu transportieren. Der Produktionsablauf eines grossen Tankers oder Frachtschiffes mit Eisklasse beträgt nicht Monate, sondern Jahre“, meinte Aleksey Chekunkov.
Derzeit laufen hierzu Verhandlungen, insbesondere mit Indien und China, erklärte der Minister. „Indien ist an einer Zusammenarbeit zur Entwicklung der Nordmeerschifffahrt und möglicherweise am gemeinsamen Schiffbau interessiert. Natürlich hat auch China sein Interesse angekündet. Irgendwie werden wir schon in der Lage sein eine Flotte mit notwendiger Eisklasse und in genügender Menge zu produzieren.“
Im Jahr 2022 genehmigte die Regierung ein Programm, welches den Bau von 50 Eisbrechern und Schiffen mit Eisklasse vorsah, die bis 2035 auf der Nordmeerroute eingesetzt werden sollen. Dieses Programm sieht auch den Bau einer Reihe von Infrastruktur-Einrichtungen wie Terminals für den Umschlag von Kohle, Öl und Flüssigerdgas (LNG), Häfen, Notfallrettungszentren vor sowie die Bildung einer Orbitalkonstellation von Satelliten zur Überwachung.
Doch Ende 2022 warnte der stellvertretende Vorsitzende des Sicherheitsrats Dmitri Medwedew vor der Gefahr eines Mangels an Eisbrechern. Laut Medwedew wurde die Hälfte der Gruppe von sechs Schiffen der von Rosatom kontrollierten Eisbrecherflotte mit veralteten Technologien gebaut, ihre Lebensdauer wurde wiederholt verlängert und zwischen 2026 und 2027 werden sie ihre Ressourcen bereits erschöpft haben. „Wenn sie nicht in naher Zukunft durch neue Schiffe mit modernem Design ersetzt werden, besteht bis 2030 die Gefahr, dass es an Kapazitäten zum Eisbrechen mangelt“, sagte er.
Heiner Kubny, PolarJournal