Von Nordnorwegen bis zur Packeiskante: Mikroplastik war in jeder einzelnen Wasserprobe, die Forschende in der besonders produktiven Barentssee entnahmen, mit den höchsten Konzentrationen in Küstennähe und an der Eiskante.
Mangelhafte Abfallentsorgung, Fischerei, Schifffahrt, Tourismus, Ozeanströmungen, die Eisschmelze — all dies sind Faktoren, die einem britischen Forschungsteam zufolge die Mikroplastikkonzentration in der Barentssee beeinflussen, die ohnehin bereits zu den am stärksten belasteten Regionen der Erde zählt.
Das Team filtrierte im Juli 2018 im Rahmen einer Forschungsexpedition auf der gesamten Strecke von Tromsø bis zur Eiskante riesige Mengen Wasser — insgesamt knapp 21.000 Kubikmeter — und entdeckte in jeder einzelnen Probe Mikroplastik, meist in Form von Fasern. Die ermittelten Konzentrationen sind mit durchschnittlich 0,011 Mikroplastikpartikeln pro Kubikmeter im Vergleich zu anderen Regionen zwar niedrig, stellen aber dennoch insbesondere für das Zooplankton eine Gefahr dar.
In der Fachzeitschrift Frontiers in Marine Science schreiben die Forschenden, dass sie die höchsten Mikroplastikkonzentrationen mit 0,015 Partikeln pro Kubikmeter am südlichen und am nördlichen Ende des Untersuchungsgebiets fanden: in der norwegischen Küstenregion vor Tromsø und an der Packeiskante. In der zentralen Barentssee waren die Konzentrationen mit 0,007 Partikeln pro Kubikmeter nur etwa halb so groß.
Der überwiegende Teil der Partikel war zwischen rund 40 Mikrometer und einem Millimeter groß, was der Größe der bevorzugten Nahrung von Zooplankton wie Krill, Flohkrebsen und verschiedenen Arten von Ruderfußkrebsen entspricht — die Eintrittspforte für Mikroplastik in die polaren Nahrungsnetze. Die Aufnahme von Mikroplastik kann negative Auswirkungen auf das Wachstum und die Fortpflanzung der nur wenige Zentimeter bzw. Millimeter großen Tiere haben, wie frühere Studien bereits zeigten.
Zahlreiche Arten von Fischen, Walen, Robben und Seevögeln profitieren vom Nährstoffreichtum der Barentssee, die eine der produktivsten Meeresregionen weltweit ist, und hängen vom Zooplankton an der Basis des Nahrungsnetzes ab. Und mit ihren Beutetieren nehmen sie sehr wahrscheinlich Mikroplastik auf, mit potentiellen negativen Folgen auch für sie.
Die genaue Herkunft der Mikroplastikpartikel zu ermitteln, war im Rahmen der Studie nicht möglich und ist im Allgemeinen ohnehin sehr schwierig. Es ist jedoch bekannt, dass Mikroplastik einerseits von weither über Ozeanströmungen, vor allem aus dem Nordatlantik, und über die Atmosphäre in die Arktis gelangt. Die Barentssee wird aufgrund der Strömungsverhältnisse als Hotspot für Mikroplastik eingestuft.
Andererseits geht das Forschungsteam davon aus, dass auch lokale Quellen wie Abwassereinleitungen und der zunehmende Tourismus zur Verschmutzung beitragen. Letzterer wird insbesondere dort zum Problem, wo eine adäquate Abfall- und Abwasserinfrastruktur fehlt. Zudem ist die Barentssee eine wirtschaftlich hoch entwickelte Region mit industriellem Fischfang, Öl- und Gasförderung und damit verbundenen Schiffsverkehr — Faktoren, die weiter zur (Mikroplastik-)Verschmutzung beitragen, vermuten die Autorinnen und Autoren der Studie.
Die hohen Konzentrationen vor der Küste Norwegens bringt das Team mit der Nähe zum Festland in Verbindung, während an der Eiskante die Eisschmelze dafür verantwortlich zu sein scheint. Der Westspitzbergenstrom könnte den Forschenden zufolge Mikroplastik von den Siedlungen auf Svalbard, an dessen Stränden große Mengen an Plastik angespült wird, in Richtung Packeis transportieren. Im Winter frieren die Mikroplastikpartikel im Eis ein und werden im Sommer wieder freigesetzt.
Der Klimawandel und der rapide Verlust an Meereis werden dazu führen, dass die Mikroplastikkonzentration im Wasser weiter steigt und damit auch die Wahrscheinlichkeit potenziell negativer Auswirkungen auf das Zooplankton und andere Meeresorganismen.
Julia Hager, PolarJournal