Hausmäuse töten erwachsene Albatrosse auf subantarktischen Inseln | Polarjournal
Es ist kaum zu glauben, dass winzige Mäuse den großen, majestätischen Wanderalbatrossen so schwere Wunden zufügen, dass die Vögel sterben können. Foto: Heiner Kubny

Monitoring-Teams beobachteten auf den subantarktischen Inseln Gough und Marion erstmals, dass eingeschleppte Hausmäuse erwachsenen Tristan- und Wanderalbatrossen schwere Wunden zufügen, infolge derer die großen Seevögel sterben können.

Bislang war nur bekannt, dass Küken von Albatrossen Opfer von Hausmäusen (Mus musculus) werden. Doch in einer kürzlich in der Fachzeitschrift Biological Invasions erschienen Studie berichtet ein Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Südafrika und dem Vereinigten Königreich von ausgewachsenen Albatrossen, die während des Brütens von Mäusen angegriffen wurden.

Im März und April 2021 beobachtete das Team auf Gough Island im Südatlantik im Rahmen des regelmäßigen Monitorings erstmals drei ausgewachsene Tristan-Albatrosse (Diomedea dabbenena) mit Wunden, die für Angriffe von Mäusen typisch sind. Zwei der Albatrosse gaben wahrscheinlich ihr Nest auf und der dritte wurde Tage später tot gefunden.

Auf Marion Island südlich von Südafrika im Indischen Ozean bot sich dem Team im April 2023 ein ähnliches Bild. Hier fanden sie zwei verletzte und acht tote Wanderalbatrosse (Diomedea exulans).

Ungebetene Einwanderer

Die Mäuse, die sehr wahrscheinlich im frühen 19. Jahrhundert von Robbenfängern und Seefahrern unbeabsichtigt auf die Inseln eingeschleppt wurden, haben sich in den letzten 30 Jahren nicht zuletzt wegen des Klimawandels stark vermehrt. Die Wirbellosen, von denen sich die Mäuse eigentlich ernähren, dezimierten sie so sehr, dass sie sich nach alternativen Nahrungsquellen umsehen mussten. In Seevögeln und ihren Küken fanden sie leichte Beute, die sich nicht wehrt. Die unscheinbaren Nagetiere greifen gesunde Vögel an und fügen ihnen schwere Wunden meist an Kopf, Ellbogen und Rücken zu, die nicht selten zum Tod führen.

Erste Berichte von mutmaßlichen Mausangriffen auf Seevögel stammen aus den 1970er Jahren von den Farallon Islands vor der Küste Kaliforniens. Auf den beiden subantarktischen Inseln werden Mausangriffe auf Seevogelküken seit 20 Jahren beobachtet. Das Attackieren brütender erwachsener Vögel ist dem Autorenteam zufolge jedoch ein neues Phänomen. Das ungewöhnliche Verhalten der Mäuse wurde im Südlichen Ozean erstmals im Jahr 2017 an einem erwachsenen brütenden Nördlichen Riesensturmvogel (Macronectes halli) auf Marion Island dokumentiert. Er erholte sich von seinen Verletzungen. Auf Gough Island, die zum Tristan da Cunha-Archipel gehört, wurde im März 2018 erstmals ein ausgewachsener Tristan-Albatros mit Wunden von Mäusen gesichtet. Auch dieser Vogel erholte sich und brütete erfolgreich.

Wanderalbatrosse brüten in der Regel nur alle zwei Jahre. Foto: Camille Lin

Brutkolonien von globaler Bedeutung

Beide Inseln gelten als Hotspots der Biodiversität: Zahlreiche Arten von Seevögeln — 24 Arten auf Gough Island und 28 auf Marion Island — nutzen die beiden Inseln als Standort für ihre Brutkolonien, darunter Pinguine, weitere Albatrosarten und verschiedene Arten von Sturmvögeln.

Für die vom Aussterben bedrohten Tristan-Albatrosse, die nur wenig kleiner sind als Wanderalbatrosse, stellen die Mäuse eine große Gefahr dar. Gough Island beherbergt praktisch die gesamte Brutpopulation der Tristan-Albatrosse mit 1250 bis 1750 Paaren.

Und Marion Island ist einer der bedeutendsten Standorte für die gefährdeten Wanderalbatrosse — hier brüten mit etwa 2300 Paaren 24 Prozent der globalen Brutpopulation.

Die großen Albatrosse reagieren besonders empfindlich auf Bedrohungen wie Angriffe durch Mäuse, da sie sich nur sehr langsam vermehren. Erst ab einem Alter von 11 bis 15 Jahren brüten sie zum ersten Mal und bei erfolgreicher Brut nur alle zwei Jahre. Den Mäusen, die jedes Jahr mehrere Generationen hervorbringen, haben sie daher nicht viel entgegenzusetzen.

Die Schwierigkeit, die Inseln von Mäusen zu befreien

Die einzige Möglichkeit, die Albatrosse und die anderen Seevögel vor Angriffen der 20 Gramm schweren Nager und einem damit einhergehenden Populationsrückgang zu schützen, liegt in der Ausrottung der Mäuse.  

Auf Gough Island wurde im Jahr 2021 bereits mit großem Aufwand versucht, die Mäuse mit Giftködern auszurotten. Doch nur sechs Monate später wurden wieder Mäuse gesichtet. Obwohl das Ausrottungsprogramm nicht geglückt ist, konnte die Royal Society for the Protection of Birds (RSPB), die an der aktuellen Studie beteiligt ist, dennoch wichtige Erfolge vermelden: Der Bruterfolg von Tristan-Albatrossen lag im vergangenen Jahr laut RSPB bei über 75 Prozent mit 1.186 Küken von 1.570 Brutpaaren. In den vorangegangenen 20 Jahren waren im Durchschnitt nur etwa 30 Prozent der Brutpaare erfolgreich. Auch die anderen Seevogelarten konnten kräftig zulegen. Das Gough Island Restoration Programme verfolgt auch weiterhin das Ziel, die Insel von Mäusen zu befreien.

Um die Wanderalbatrosse und die zahlreichen anderen Arten auf Marion Island zu schützen, wird derzeit ein Ausrottungsprogramm, das Mouse-free Marion Project, geplant, das im Winter 2026 umgesetzt werden soll sofern die Finanzierung gesichert werden kann.  Das Projekt ist eine Partnerschaft zwischen dem südafrikanischen Ministerium für Forstwirtschaft, Fischerei und Umwelt und BirdLife Südafrika.

Informationen über das Mouse-free Marion Project. In den ersten Minuten des Videos werden Bilder gezeigt, die verstörend wirken können.

Die Planung und Durchführung von Ausrottungsprogrammen sind extrem zeitaufwendig und kostspielig, insbesondere auf abgelegenen Inseln mitten im Ozean. Wie auch schon auf Gough Island sollen auf Marion Island mithilfe von Helikoptern Giftköder über der gesamten Insel ausgebracht werden. Kein einfaches Unterfangen, aber in der Vergangenheit wurden mit dieser Methode erfolgreich Nager auf großen Inseln ausgerottet, z.B. auf Südgeorgien. 

Unterstützer gesucht

Damit das Mouse-free Marion Project auch wirklich umgesetzt werden kann, muss die Finanzierung des Programms sichergestellt werden. Das Projektteam hat bereits wichtige Partner gewinnen können, benötigt aber noch mehr Unterstützung. 

Uns von PolarJournal liegt die Wiederherstellung des ökologischen Gleichgewichts auf Marion Island und der Schutz der subantarktischen Vogelwelt sehr am Herzen. Daher unterstützen wir das Projekt mit einer Spende.

Wenn auch Sie dazu beitragen möchten, die einzigartige Artenvielfalt auf Marion Island zu erhalten, finden Sie auf der Projekt-Webseite mehr Informationen: Patenschaft für einen Hektar und Spenden.

Julia Hager, PolarJournal

Beitragsbild: Heiner Kubny

Link zur Studie: Connan, M., Jones, C.W., Risi, M.M., Smyth, L.K., Oppel, S., Perold, V., Stevens, K.L., Daling, R. & Ryan, P.G. 2023. First evidence of mouse predation killing adult great albatrosses.  Biological Invasions doi.org/10.1007/s10530-023-03177-2

Mehr Informationen zu Gough Island: https://www.goughisland.com/ 

Mehr Informationen zu Marion Island: https://mousefreemarion.org/de/ 

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