Die Lachszucht ist ein sehr lukratives Geschäft. Die Branche ist in den letzten 25 Jahren mit einer beeindruckenden Geschwindigkeit gewachsen. Mit einer weltweiten Fangmenge von mittlerweile mehr als 2,6 Millionen Tonnen wurden viele der grössten Produzenten von Fisch zu wohlhabenden, international renommierten Unternehmen.
Das Geschäftsmodell «Lachszucht» ist aber schon seit Jahren in der Kritik. In regelmässigem Abstand wird über Parasitenbefall und Umweltschäden berichtet. Dabei handelt es sich meist um Seeläusebefall. Der Parasit ernährt sich von der Haut und dem Blut der Fische. Durch die intensive Lachszucht haben sich auch die Anzahl der Probleme stark erhöht. Vorzugsweise leben die Parasiten auf dem Kopf der Fische, wo sie regelrecht Löcher in die Haut fressen. Dadurch wird das Immunsystem der Lachse geschwächt was im schlimmsten Fall zu ihrem Tod führen kann.
Schlimmer kann die Läuseepidemie nicht sein
„Die Zahl der Seeläuse ist schnell auf ein hohes Niveau gestiegen, was zu Verletzungen der Fische geführt hat “, sagte ein Sprecher von Arctic Fish in einer Pressemitteilung. Als Reaktion darauf hat das Unternehmen beschlossen, einen grossen Teil der Fische zu entsorgen.
Arctic Fish berichtete am 13. Oktober 2023, dass es auf seiner Tálknafjörður-Farm Seeläusebehandlungen durchführte, und später am 25. Oktober gab es bekannt, dass es auch auf seiner Arnarfjörður-Farm Läuse behandelte. Arctic Fish und das Lachszuchtunternehmen Arnarlax berichteten beide über Probleme mit Seeläusen in der Region Westfjorde.
Die Ankündigung von Arctic Fish erfolgte einen Tag, nachdem die isländische Zeitung Heimildin Videos der Kajakfahrerin Veiga Grétarsdóttir mit schwer verletzten Lachsen in von Arctic Fish betriebenen Netzgehegen zeigen. Im Video sind tote Fische und Fische mit offenen Wunden am Oberkopf im Netzgehege zu sehen.
Nicht nur Isländer haben von der Katastrophe in den Gehegen von Artic Fish erfahren. Der Guardian berichtet auf der Titelseite über den Fall mit der Schlagzeile: „Seeläuse-Ausbruch auf isländischer Lachsfarm eine ‚Tierschutz-Katastrophe‘.
Es wird angenommen, dass zwölf Gehege von den Parasiten befallen sind. Darin sollen nach Schätzungen etwa eine Million Fische betroffen sein. Ein Spezialschiff aus Norwegen, die «Hordafor III», wurde nach Island entsandt, um die Fische zu schlachten.
Schockiert über das Ausmass des Parasitenbefalls zeigt sich auch die Fachärztin für Fischkrankheiten, Berglind Helga Bergsdóttir. «In Island hat es noch nie zuvor einen so hohen Läusebefall gegeben», sagt die Isländerin. Die Wunden hätten sich durch Bakterien womöglich vergrössert.
„Schlimmer kann die Läuseepidemie nicht werden“, stellte Berglind Helga Bergsdóttir fest. Die Wunden wurden durch eine bakterielle Infektion verschlimmert, die sie tiefer und grösser macht. „Was alle überrascht hat, ist, wie schnell es ging.“
Arctic Fish versicherte, es werde die befallenen Fische als Futtermittel und für andere Produkte ausser dem menschlichen Verzehr verwenden.
Proteste von Umweltschützern
Gegner von Zuchtanlagen kritisieren die Praktiken wegen Extremverschmutzung der einst so klaren und sauberen Fjordgewässer. Ein weiterer Grund zur Besorgnis, der sich immer wieder bestätigt, ist das Entkommen von Zuchtfischen aus den Netzbecken. Erst im August 2023 löste die Flucht von über 3’500 Lachsen Proteste aus. Entkommen sind die Fische aus der Tálknafjörður-Zuchtfischfarm von Artic Fish.
Geflohene Zuchtlachse finden den Weg in Wildbestände und paaren sich dort. Die Auswirkungen dieser Vermischung von Wildbestand und Zuchtbestand ist wissenschaftlich noch nicht ganz erforscht, aber man weiss, dass entkommende Zuchtfische zusätzlichen Druck auf die Wildbestände ausüben.
Das isländische Veterinäramt teilte mit, dass Zuchtfische aus den Kulturen entkommen sind und die DNA isländischer Fische dadurch verschlechtert wurde. Zuchtfische sind aggressiver und weniger clever im Umgang mit natürlichen Feinden. Bei einer Kreuzung werden diese Eigenschaften weitergegeben, was zu einer Minderung der Überlebenschancen führt. Zudem sind Parasiten auch für den Wildlachs eine Gefahr. Sobald ein erkrankter Zuchtlachs entkommt, überträgt er die Parasiten auf die wildlebenden Lachse im offenen Meer.
Keine weiteren Lizenzen
Die isländische Regierung hat bereits im September 2023 angekündigt, vorerst keine weiteren Lizenzen für meeresgestützte Lachszucht auszugeben. Grund dafür war die stark angewachsene Industrie in den vergangenen Jahren. Der Exportwert von Zuchtlachs hatte im Jahr 2014 bei 10 Mio. USD gelegen, letztes Jahr waren er auf 290 Mio. gestiegen. Gleichzeitig ist der Export von Zuchtlachs um das 26-fache gestiegen, von 1.460 Tonnen auf 38.840 Tonnen. Zudem hat sich die Zahl der Beschäftigten in den Lachszuchten in Island von 309 Personen im Jahr 2014 auf 685 im Jahr 2022 erhöht.
Heiner Kubny, PolarJournal