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Auf Marion Island, eine kleine subantarktische Insel im indischen Ozean, brüten Millionen von Seevögeln. Insgesamt zählt man 28 Arten. Die Insel wurde per Zufall am 4. März 1663 vom holländischen Seefahrer Barend Barendszoon Lam entdeckt. Seit 1948 unterhält Südafrika die permanente Forschungs- und Wetterstation an der Nordostküste.
Was so friedlich klingt, trügt. Seit Jahrzehnten sind eingeschleppte Hausmäuse eine Plage. Die Mäuse gefährden in der Zwischenzeit bereits 19 Vogelarten vor dem Aussterben. Bereits wurden Angriffe auf ausgewachsene Wanderalbatrosse beobachtet und dokumentiert.
600 Tonnen Giftköder sollen auf der ganzen Insel verteilt werden um der Mäuseplage beizukommen. Das Finanzierungsziel für den Start der Operation beträgt 25 Millionen US-Dollar, ist aber noch nicht ganz gesichert. Im Winter 2026 soll es losgehen.
«Zombiemäuse», wie sie von Naturschützern genannt werden, sind nicht heimische Mäuse, die sich an Umgebungen anpassen, in die Menschen sie versehentlich gebracht haben.
Die Mäuse wurden höchstwahrscheinlich Anfang des 18. Jahrhunderts durch Robbenjäger eingeschleppt und es dauerte nicht lange bis sie die Macht übernahmen.
William Phelps, ein Robbenjäger, der von 1818 bis 1820 Zeit auf Marion verbrachte, schrieb: „Die ganze Insel war von gewöhnlichen Hausmäusen befallen, die von einem Segelschiff aus eingeschleppt worden waren, wahrscheinlich mit den Vorräten der Besatzung.“
1949 wurden fünf Hauskatzen auf die Marion-Insel gebracht, um eine Mäuseplage in der Station zu bekämpfen. Allerdings vermehrten sich die Katzen schnell und 1977 lebten bereits zirka 3’400 Katzen auf der Insel, die sich statt von den Mäusen von Sturmvögeln ernährten, so dass die Ausrottung der Vögel auf der Insel drohte.
So wurde ein «Katzenausrottungs-Programm» ins Leben gerufen, was die Zahl der Katzen im Jahr 1982 auf rund 600 reduzierte. Die restlichen Katzen wurden durch nächtliche Jagd erlegt. Das Vorhaben war erfolgreich und so konnten 1991 nur noch acht Katzen innerhalb von zwölf Monaten gefangen werden. Es wird angenommen, dass es heutzutage keine Katzen mehr auf Marion-Island gibt.
Allerdings nahm dadurch die Mäusepopulation wieder stark zu. In den darauffolgenden 20 Jahren ist die Zahl der Mäuse auf Marion Island um etwa 430% gestiegen. In einer Studie aus dem Jahr 2015 wurde festgestellt, dass Mäuse jedes zehnte Albatros Küken töteten. Mark D. Anderson, CEO der BirdLife South Africa meint: „Die Situation ist nicht nur eskaliert, eine unserer Sorgen ist, dass die Mäuse jetzt anfangen, sich auch von erwachsenen Wanderalbatrossen zu ernähren.“
Die Mäuse „knabbern“ die ganze Nacht hindurch gnadenlos an den Küken herum. Wenn sie überleben, werden sie den Tag erschöpft und unter Schmerzen verbringen und versuchen, sich zu erholen, bis die Mäuse in der nächsten Nacht erneut angreifen.
Die Mäuse „skalpieren“ auch die älteren Küken, wie erstmals 2009 aufgenommene Videos zeigten. Sie greifen dabei den Scheitel des Kopfes an, während der Vogel versucht, sich zu schützen.
Vermutlich durch Dürre und Nahrungsknappheit änderten die Mäuse ihr Verhalten. Die Dringlichkeit etwas dagegen zu unternehmen ist gewachsen, aber der Prozess der Durchführung von Machbarkeitsstudien zur Ausrottung der Eindringlinge, der Einhaltung von Vorschriften und dem Versuch die Mittel für eine massive Vernichtungsaktion aufzubringen, verlief schleppend.
Die hohen Einsätze rechtfertigen den mühsamen Fortschritt sagt Anderson: „Das Ergebnis ist binär: Entweder wir haben Erfolg oder wir scheitern. Eine verbleibende trächtige Maus ist ein Misserfolg. Wenn zwei Mäuse unterschiedlichen Geschlechts übrigbleiben, ist das ebenfalls ein Misserfolg. Wir müssen also alles in unserer Macht zur Verfügung Stehende tun, um sicherzustellen, dass wir erfolgreich sind.“
„Immerhin handelt es sich um ein fast ein 25 Millionen US-Dollar teures Projekt. Und wenn wir erfolglos sein werden wird es lange dauern bis wir die Arbeit wiederholen können, vielleicht sogar Jahrzehnte.“
Schwierige Aufgabe
Erfolgreiche Ausrottungsaktionen wurden bei Kaninchen, Ratten, Rentieren und Mäusen auf der Macquarie-Insel im Pazifischen Ozean, bei Ratten auf den Shiants auf den Hebriden sowie auf St. Agnes und Gugh auf den Scilly-Inseln durchgeführt.
Das grösste Projekt gegen Nager fand auf South Georgia im Atlantischen Ozean statt, die 2018 als frei von Nagetieren erklärt wurde. Ebenfalls auf South Georgia wurden im Jahr 2013 von Carl Anton Larsen 1911 eingeführte Rentiere durch norwegische Jäger wieder entfernt. Zu diesem Zeitpunkt zählte man 6’000 Rentiere. Bereits 2014 wurde die Rentier-Aktion erfolgreich abgeschlossen.
„Natürlich besteht die Möglichkeit, dass die Ausrottung scheitert. Aber es besteht auch eine gute Chance, dass es gelingt. Es ist eine viel weniger komplizierte Umgebung (im Hinblick auf die Komplexität des Lebensraums) als Gough Island, wo der Ausrottungsversuch gescheitert ist.“
Prof. Peter Ryan, einer der wissenschaftlichen Berater des Projekts, betont, dass „der Handlungsbedarf gestiegen ist.“ Eine Verringerung der Küken-Produktion wird die Populationen auslöschen, allerdings über einen sehr langen Zeitraum. Aber wenn man Erwachsene tötet, wird es viel schneller gehen.
„Die ersten Angriffe auf Wanderalbatrosse wurden im Jahr 2002 registriert, waren aber sehr sporadisch. Die ersten Angriffe auf Russalbatrosse fanden 2009 statt. Grosse Angriffe ebenfalls auf Russalbatrosse wurden 2014–15 festgestellt, seitdem ist es auf dem Vormarsch nicht mehr zu stoppen.“
Mark D. Anderson: „Logistisch gesehen stellt Marion Island einige Herausforderungen dar. Für den Anfang sind es 30.000 Hektaren, zudem gibt es keinen Hafen, also muss alles per Helikopter vom Schiff auf die Insel gebracht werden. Das Abladen der Ausrüstung, der Hubschrauber und des Teams wird je nach Wetterbedingungen etwa 10 bis 20 Tage dauern. Die Helikopter fliegen unter ziemlich schwierigen Flugbedingungen, insbesondere bei starkem Wind. Wir werden sechs Hubschrauber einsetzen, die fast 600 Tonnen Köder über die Insel verteilen.“
Die Ausrottungsaktion wird vom Neuseeländer Keith Springer geleitet, der über umfassende Erfahrung in der Ausrottung von Nagetieren verfügt. Das Projekt wird von Dr. Anton Wolfaardt geleitet, der über mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Antarktis und Subantarktis verfügt.
Springer sagt, dass das Polarforschungsschiff SA Agulhas II des Ministeriums für Fischerei, Forstwirtschaft und Umwelt zur Versorgung der wissenschaftlichen Stützpunkte auf den Gough- und Marion-Inseln sowie in der Antarktis eingesetzt wird.
Der verwendete Köder besteht aus einer Getreidematrix mit einem gerinnungshemmenden Rodentizidgift, Brodifacoum. Anderson sagt, dass die Arbeit im Winter erledigt wird, wenn die Mäuse am hungrigsten sind und nicht trächtig sind.
„Sie nehmen den Köder, der sich an der Oberfläche befindet, mit in ihre unterirdischen Höhlen und verstecken ihn dort, oder verzehren ihn. Die meisten Mäuse sterben innerhalb von drei bis vier Tagen in den Höhlen.“
Der Erfolg der Operation, die im Jahr 2026 durchgeführt wird, kann erst zwei Jahre nach Abschluss der Aktion und nachdem Spürhunde und Kameras die Insel vollständig durchsucht haben bekannt werden. Ein Scheitern könnte jedoch früher signalisiert werden, wenn in der Zwischenzeit wieder Mäuse entdeckt würden.
Finanzierung noch nicht gesichert
Der Beseitigung der Mäuse steht noch etwas im Wege: Geld. Das Finanzierungsziel besteht darin 25 Millionen US-Dollar aufzubringen, aber „uns fehlen immer noch etwa 19 Millionen US-Dollar“, sagt Anderson.
„Wir setzen alle Hebel in Bewegung. Die südafrikanische Regierung hat bereits 3,5 Millionen US-Dollar zugesagt, mit der Wahrscheinlichkeit, dass es noch mehr werden“.
Auf die Kritik angesprochen, dass es bei dieser Operation darum ginge, Gott zu spielen, sagt Anderson: „Leider muss man in dieser Situation im Wesentlichen Gott spielen, weil sich das Problem nicht von selbst lösen wird.“
Heiner Kubny, PolarJournal
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