Nach detaillierten Beobachtungen von Wellen im Südlichen Ozean konnte der Faktor, der die entscheidende Rolle bei der Entstehung von Monsterwellen spielt, identifiziert werden: Der Wind.
Monsterwellen, oder Kaventsmänner, sind riesige Wellen, die 30 Meter und mehr erreichen können. Sie tauchen wie aus dem Nichts auf und können Schiffen extrem gefährlich werden. Über Jahrhunderte galten Monsterwellen als Seemannsgarn bis sie 1995 schließlich als existent anerkannt wurden. Doch auch knapp 30 Jahre später sind sich Forschende über die Mechanismen hinter ihrer Entstehung noch immer nicht einig.
Eine am 12. April in Physical Review Letters veröffentlichte Studie eines internationalen Forschungsteams unter der Leitung von Professor Alessandro Toffoli von der University of Melbourne bringt jetzt Licht ins Dunkel. Das Team fand heraus, dass der Wind die Hauptursache dieser gigantischen, unvorhersehbaren Wellen ist und dass sie häufiger auftreten als bisher angenommen.
Da die Windstärke aufgrund des Klimawandels global weiter zunehmen wird, ist zu erwarten, dass auch die zu den stärksten natürlichen Kräften gehörenden Ozeanwellen gewaltiger werden.
«Monsterwellen sind Kolosse — doppelt so hoch wie die benachbarten Wellen — die scheinbar aus dem Nichts auftauchen.»
Professor Alessandro Toffoli, University of Melbourne
Die Expedition der Forschenden in den Südlichen Ozean an Bord des südafrikanischen Forschungsschiffs SA Agulhas II im Jahr 2017 lieferte die entscheidenden Hinweise: Monsterwellen entstehen aus starken Windkräften und unvorhersehbaren Wellenformen. Die Beobachtungen bestätigen die Theorie des Teams, die bisher nur in Laborexperimenten nachgewiesen werden konnte.
Das Team entwickelte eine neuartige Technik, um die Dynamik der Ozeanwellen zu studieren. Mit Hilfe von Stereokameras gelang es den Forschenden die Wellen dreidimensional zu rekonstruieren und einen nie dagewesenen Einblick in das Verhalten der Wellen zu gewinnen.
«Die kabbelige See und die wilden Winde der Antarktis können dazu führen, dass sich große Wellen ’selbst verstärken‘, was zu Monsterwellen führt, deren Häufigkeit Wissenschaftler schon seit Jahren theoretisiert hatten, die sie aber noch nicht im Meer nachweisen konnten», erklärt Professor Toffoli, Hauptautor der Studie, in einer Pressemitteilung der University of Melbourne. «Unsere Beobachtungen zeigen nun, dass einzigartige Meeresbedingungen mit Monsterwellen während des ‚jungen‘ Stadiums der Wellen entstehen — wenn sie am stärksten auf den Wind reagieren. Dies deutet darauf hin, dass die Windparameter das fehlende Glied sind.»
Er erläutert weiter, dass der Wind eine chaotische Situation schafft, in der Wellen unterschiedlicher Größe und Richtung nebeneinander bestehen. Der Wind führe dazu, dass junge Wellen höher, länger und schneller werden und in einem Selbstverstärkungsmechanismus überproportional auf Kosten ihrer Nachbarn wachsen.
«Wir konnten zeigen, dass junge Wellen Anzeichen einer Selbstverstärkung aufweisen und die Wahrscheinlichkeit, dass sie aufgrund des Windes ausbrechen, größer ist. Wir haben alle sechs Stunden Wellen aufgezeichnet, die doppelt so hoch waren wie ihre Nachbarn», so Professor Toffoli. In ruhigerer See, die nicht vom Wind beeinflusst wurde, konnte das Team Professor Toffoli zufolge hingegen keine Monsterwellen feststellen.
Die erste wissenschaftlich erfasste Monsterwelle war die 25,6 Meter hohe Draupner-Welle in der Nordsee im Jahr 1995. Zahlreiche Schiffe wurden bereits von Monsterwellen schwer beschädigt, einige von ihnen sanken. Auch mehrere Kreuzfahrtschiffe wurden von Monsterwellen getroffen, darunter die MS Bremen im Jahr 2001 und die Viking Polaris im Jahr 2022, beide im Südatlantik. Bei letzterem Vorfall gab es ein Todesopfer und vier Verletzte.
Bis Monsterwellen einigermaßen zuverlässig vorhergesagt werden können, wird noch viel Forschung nötig sein. Doch mit der aktuellen Studie und der Erkenntnis, dass die Winddynamik in die Modelle mit einbezogen werden muss, ist die Wissenschaft dem ein großes Stück näher gekommen.
Julia Hager, Polar Journal AG