Der Rekord des ältesten in der Antarktis gefundenen Eises wurde von einem US-amerikanischen Forschungsteam deutlich geknackt: In den Allan Hills entdeckten sie 4,6 Millionen Jahre altes Eis aus der Zeit vor der Eiszeit.
Im Rahmen der diesjährigen Generalversammlung der European Geosciences Union (EGU) vergangene Woche in Wien berichtete das Team des Center for Oldest Ice Exploration (COLDEX) über die erstaunliche Entdeckung: In den Allan Hills in der Nähe der Küste, nicht weit entfernt vom Ross-Eisschelf, fanden die Forschenden Eis, das mit 4,6 Millionen Jahren aus dem späten Pliozän vor dem Eiszeitalter stammt — das mit Abstand älteste Eis, das bisher in der Antarktis gefunden wurde.
Ziel der US-amerikanischen Forschungsinitiative COLDEX ist es, Klimaaufzeichnungen der letzten 5 Millionen Jahre zu finden. An diese kommt man nur in sogenannten Blaueisgebieten, wo das sehr alte Eis an die Oberfläche gelangt, wie uns Dr. Frédéric Parrenin, Leitender Wissenschaftler am Institut für Umweltgeowissenschaften für das französische CNRS und französischer Manager des Beyond EPICA-Projekts, der nicht an der Studie beteiligt war, in einer Email erklärt.
Die Allan Hills sind eines dieser Blaueisgebiete. Hier trifft der Eisstrom, der seit Millionen von Jahren aus dem Inneren der Antarktis zu den flacheren Rändern des Kontinents fließt, auf eine Barriere und die untersten, ältesten Schichten des Eises werden nach oben befördert. Dadurch entstehen Falten im Eis, die die unterschiedlich alten Schichten durcheinander bringen. Somit kommt es vor, dass das älteste Eis nicht immer am tiefsten liegt und die Schichten der Eiskerne nicht die chronologisch richtige Reihenfolge aufweisen. Der Vorteil ist allerdings, dass man nicht so tief bohren muss.
In den Allan Hills fanden bereits im Jahr 2017 einige der Forschenden des heutigen COLDEX-Teams das bislang älteste Eis mit 2,7 Millionen Jahren. Aus den neuen Bohrkernen der vergangenen Feldsaison 2023/2024 konnte das Team zahlreiche Proben extrahieren, die zwischen 1 und 3 Millionen Jahre alt sind, heißt es in der Vortragszusammenfassung von Edward Brook, Professor für Erd-, Meeres- und Atmosphärenwissenschaften an der Oregon State University und Leiter des COLDEX-Projekts. Eine der Proben enthält Eis, das aus dem späten Pliozän vor 4,6 Millionen Jahren stammt.
Aus den eingeschlossenen Luftblasen erhoffen sich die Forschenden Erkenntnisse über die damalige atmosphärische Zusammensetzung. Erste Ergebnisse liegen bereits vor, die das Team ebenfalls in Wien vorstellte. Demnach lag im Pliozän vor etwa 3,1 Millionen Jahren, als die Temperaturen etwa 3°C über den vorindustriellen oder 1,5°C über den heutigen lagen, der atmosphärische CO2-Gehalt unter 350 ppm (parts per million). Aktuell beträgt die CO2-Konzentration in der Atmosphäre 427 ppm.
«Die Studie zeigt, dass die CO2-Konzentrationen vor 2,7 Millionen Jahren nicht so hoch waren, wie wir bisher dachten, obwohl das Klima viel wärmer war. Sie ist wichtig, weil sie zeigt, dass ein moderater Anstieg der CO2-Konzentration zu einer starken Erwärmung führen kann», sagt Dr. Parrenin.
Im Gegensatz zu Eis aus dem Inneren der Antarktis, das gut erhaltene Eisablagerungen in chronologischer Abfolge enthält und auf das sich beispielsweise das Beyond EPICA-Projekt fokussiert, sind die Ergebnisse aus der Analyse der Luftblasen in blauem Eis allerdings etwas weniger verlässlich. Diese könnten auch CO2 aus organischen Stoffen am Gletscherbett enthalten.
«Natürlich sind diese Ergebnisse mit Vorsicht zu genießen, da das Eis aus den Blaueisgebieten möglicherweise nicht gut erhalten ist, aber sie sind ein wichtiges Element für unser Verständnis dieser alten Klimaverhältnisse aus dem späten Pliozän», erklärt Dr. Parrenin weiter.
In der kommenden Feldsaison 2024/2025 plant das COLDEX-Team, die Bohrungen fortzusetzen und idealerweise längere Eiskerne zu erhalten, die eine chronologische Schichtung über einen längeren Zeitraum aufweisen — eine Modellierung prognostiziert, dass ein 1250 Meter langer Eiskern mit einer kontinuierlichen Stratigraphie über 1 Million Jahre in der Region möglich sein könnte.
Julia Hager, Polar Journal AG
Links zu den Vortragszusammenfassungen: