Der Antrag an die EU-Kommission erregte weltweit Aufmerksamkeit, war aber nie ernst gemeint, erklärt die Bürgermeisterin von Vadsø gegenüber Polar Journal AG. Stattdessen wollte sie die Menschen über das langsame Leben in ihrer arktischen Stadt informieren.
Im April haben 25 Gemeinden in der arktischen Region Finnmark in Nordnorwegen eine ungewöhnliche Anfrage an die Europäische Kommission gerichtet. Auf Initiative der Bürgermeisterin der Stadt Vadsø wollte die Region wissen, ob es ihnen erlaubt werden könnte, ihre Tage um zwei Stunden zu verlängern und damit die üblichen 24-Stunden-Tage auf 26 Stunden auszudehnen.
Der Antrag, der keine Erklärung darüber enthielt, wie er sich auf den Kalender der Region auswirken würde, wurde von den Medien in Brüssel aufgegriffen und verbreitete sich bald wie ein Lauffeuer. Laut Wenche Pedersen, der Bürgermeisterin von Vadsø, die den ganzen Reaktionen folgte, berichteten die Medien auf allen Kontinenten über das Ereignis.
„Wir hatten die Geschichte überall gelesen, außer in Australien. Doch dann rief eine Nachbarin von mir an und sagte, dass sie von australischen Freunden angerufen worden war, die in der Zeitung über Vadsø gelesen hatten. Damit hatten wir alle Kontinente erreicht“, sagt Wenche Pedersen gegenüber Polar Journal AG.
Es überrascht nicht, dass diese Art von Aufmerksamkeit in der verschlafenen 5’000-Seelen-Stadt nahe der norwegischen Grenze zu Russland nicht alltäglich ist. „Es war sehr, sehr besonders. Ich habe Interviews und Podcasts mit Menschen aus der ganzen Welt geführt. Das ist definitiv nichts, was ich jeden Tag mache“, meint Wenche Pedersen.
Vadsø hat mehr Zeit
Ein Grund dafür, dass die Anfrage so viel Aufmerksamkeit erregte, war ihr ungewöhnlicher Charakter. Menschen auf der ganzen Welt waren fasziniert von der Idee, mehr Zeit am Tag zu haben.
Leider wird die Länge eines Tages durch die Rotation der Erde bestimmt und ist daher ziemlich starr in Stein gemeißelt. In der Arktis jedoch, wo sich Vadsø befindet, geht die Sonne im Sommer (teilweise) nicht unter und im Winter (teilweise) nicht auf. Hier, so scheint es, herrscht ein gewisser Handlungsspielraum.
Aber diese Tatsache war nicht Teil der Überlegungen, als Wenche Pedersen und ihre Kollegen ihre Idee entwickelten. Stattdessen wollten sie die Aufmerksamkeit auf den langsamen und entspannten Lebensstil in ihrer Region lenken.
„Wir haben uns gefragt, was uns im Vergleich zu anderen Teilen der Welt besonders macht“, erklärt Wenche Pedersen.
„Und wir haben festgestellt, dass wir einfach mehr Zeit haben. Wir müssen nicht in der Schlange stehen, wir können unsere Kinder in zwei Minuten zur Schule fahren und in weiteren zwei Minuten einkaufen gehen. Das ist der Grund, warum wir uns für einen 26-Stunden-Tag entschieden haben“, fügt sie an.
Ein Publicity-Gag
Zwei Monate später wartet Wenche Pedersen immer noch auf eine Antwort der EU-Kommission. Sie hat jedoch wenig Hoffnung, dass diese positiv ausfallen wird.
Sie räumt auch ein, dass der Vorschlag eine Art „Publicity-Gag“ war und dass sie nie ernsthaft darüber nachgedacht hat, wie die Idee in der Praxis funktionieren könnte. Aber die Publicity, die sie erhielten, kam von unerwarteter Seite.
„Ich hatte gehofft, dass die Geschichte von einigen norwegischen Medien aufgegriffen werden würde. Stattdessen kamen die Anfragen aus der ganzen Welt, und die norwegischen Medien kamen erst nach all der ausländischen Aufmerksamkeit“, gibt sie schmunzelnd an.
„Die Geschichte wurde auch in den sozialen Medien sehr bekannt, sowohl in Norwegen als auch im Ausland, worüber wir sehr froh sind“, sagt Wenche Pedersen weiter.
Arbeitende sind willkommen
Diese Aufmerksamkeit sollte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach Vadsø und in die anderen Gemeinden der Region locken. Denn wie viele andere Gebiete in der Arktis haben auch sie Schwierigkeiten, eine Vielzahl von Arbeitsplätzen zu besetzen.
„Im Moment suchen wir vor allem medizinisches und Lehrpersonal. Diejenigen, die kein Norwegisch sprechen, müssen ein paar Kurse besuchen, aber das werden wir schon schaffen“, erklärt Wenche Pedersen.
Wenn also ein Aufenthalt in der Arktis für den einen oder anderen verlockend klingt, ist er in Vadsø herzlich willkommen. Und auch wenn das vielleicht ein bisschen zu sehr nach Abenteuer klingt, betont Wenche Pedersen, dass es im Grunde genommen gar nicht so unterschiedlich ist.
„Natürlich ist es im Winter kälter und im Sommer immer hell, aber die Gemeinden hier sind ganz normal. Wir verdienen unseren Lebensunterhalt mit den gleichen Dingen wie alle anderen, wir haben ein reiches kulturelles Leben und viele Vereine“, meint sie stolz.
„ Man bekommt hier einen guten Job, günstige Lebensbedingungen und man erhält auch ein bisschen mehr Zeit“, schmunzelt sie zum Abschluss.
Ole Ellekrog, Polar Journal AG
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