Die Zahl und Intensität der Brände, die derzeit nördlich des Polarkreises wüten, führen zu hohen Kohlenstoffemissionen — die dritthöchsten im Monat Juni für die Arktis seit 2003.
Von der Kohlenstoffsenke zur Kohlenstoffquelle: Der boreale Nadelwald und die Tundra Sibiriens gelten eigentlich als große Kohlenstoffspeicher, doch die heftigen Brände verwandeln sie auch in diesem Jahr in Quellen von Kohlenstoff sowie von Rußpartikeln. Mit geschätzt 6,8 Megatonnen Kohlenstoff liegen die monatlichen Gesamt-Kohlenstoffemissionen für die Arktis im Juni auf Platz drei in den letzten zwei Jahrzehnten, wie der Copernicus Atmosphäre Monitoring Service (CAMS) der Europäischen Union vergangene Woche berichtete. Die höchsten Emissionen für den Monat Juni hatte CAMS in den Jahren 2020 mit 16,3 Megatonnen und 2019 mit 13,8 Megatonnen gemessen.
Am stärksten ist derzeit die Republik Sacha (Jakutien) betroffen, wo es bis vor wenigen Tagen noch 107 Brände auf einer Fläche von mehr als 331.000 Hektar gab. Nach aktuellen Angaben der Russischen föderalen Organisation Avialesookhrana, die für den Schutz der Wälder vor Bränden aus der Luft in Russland zuständig ist, konnten mittlerweile jedoch mehrere Brände gelöscht werden.
«Die Arktis erwärmt sich deutlich schneller als die Erde insgesamt. Infolgedessen werden die Bedingungen in hohen nördlichen Breitengraden für Waldbrände günstiger, und eine aktuelle Studie zeigt, dass in der nordöstlichen Arktis sowie in den borealen und gemäßigten Wäldern extreme Waldbrände zugenommen haben. Wir haben dies in den Jahren 2019, 2020 und 2021 beobachtet, als die östliche Arktis und die subarktischen Regionen ein sehr hohes Maß an Waldbrandaktivität aufwiesen, und auch 2023, insbesondere in den hohen Breiten Kanadas“, sagte Mark Parrington, leitender Wissenschaftler des CAMS, in einer Pressemitteilung des Dienstes.
In der von ihm angesprochenen Studie, die vergangene Woche in Nature Ecology & Evolution erschien, stellten die Autoren fest, dass der Klimawandel die Bedingungen für Brände verschärft. Besonders in den borealen und gemäßigten Nadelholzbiomen verschlimmere sich das Brandgeschehen, mit «erheblichen Auswirkungen auf die Kohlenstoffspeicherung und die Gefährdung der Menschen durch Brandkatastrophen».
Auch Gail Whiteman, Professorin für Nachhaltigkeit an der University of Exeter und Gründerin von Arctic Basecamp, macht die Bedrohung durch die Brände überdeutlich: «Die zunehmenden sibirischen Waldbrände sind ein deutliches Warnzeichen dafür, dass sich dieses lebenswichtige System einem gefährlichen Klimakipppunkt nähert. Was in der Arktis geschieht, bleibt nicht dort – der Wandel in der Arktis verstärkt die globalen Risiken für uns alle. Diese Brände sind ein Warnruf für dringende Maßnahmen.»
Nicht nur die Emissionen, die durch die Feuer freigesetzt werden, verstärken den Klimawandel, sondern auch die im Rauch enthaltenen Aerosole. Sogenannter Black Carbon — schwarze Kohlenstoffpartikel, die durch die unvollständige Verbrennung von Biomasse usw. entstehen — und Ruß lagern sich auf Schnee- und Eisflächen ab. Durch die dunklere Farbe verringert sich deren Albedo, was dazu führt, dass sie mehr Sonnenenergie absorbieren und somit schneller schmelzen. Ein Teufelskreis.
Ein Teufelskreis, der durch eine weitere Studie, vergangene Woche in Nature Communications veröffentlicht, genauer beschrieben wird. Das Autorenteam führt die Zunahme der Brände in Sibirien zumindest teilweise auf das geringere Meereis im Sommer im russischen Sektor des Arktischen Ozeans zurück. Aufgrund des Rückgangs des Meereises, der zudem immer früher im Jahr einsetzt, erwärmen sich die oberflächennahen Schichten des Ozeans über eine längere Zeit und geben im Herbst und Winter vor der erneuten Eisbildung ihre Wärme an die Atmosphäre ab. Die Autoren argumentieren, dass der Meereisverlust über dem russischen Sektor des Arktischen Ozeans zu einer verstärkten Erwärmung über Ostsibirien und einer entsprechenden Zunahme der Waldbrandaktivität geführt hat.
Dazu passen die Berichte ungewöhnlich hoher Oberflächentemperaturen in der Republik Sacha (Jakutien), die Ende Mai bereits um die 30 Grad Celsius betrugen und somit 7 bis 9 Grad Celsius höher waren als normal. Aktuell berichten lokale Medien von bis zu 35 Grad Celsius in der Region.
Bestätigt werden diese Werte vom Copernicus Climate Change Service (*C3S): In den ersten drei Juniwochen waren die Böden deutlich trockener und die Oberflächentemperatur höher als im langjährigen Durchschnitt.
Julia Hager, Polar Journal AG
Links zu den Studien: Cunningham, C.X., Williamson, G.J. & Bowman, D.M.J.S. Increasing frequency and intensity of the most extreme wildfires on Earth. Nat Ecol Evol (2024). https://doi.org/10.1038/s41559-024-02452-2