In diesem Sommer werden im Rahmen eines ehrgeizigen Forschungsprojekts zehn verschiedene Gletscher auf Svalbard untersucht, um festzustellen, ob der Anstieg der Schwermetallwerte bei arktischen Tieren mit dem starken Anstieg der Gletscherflüsse und dem neuen, freiliegenden Gelände in der Region zusammenhängt.
In den letzten Jahren haben Wissenschaftler erhöhte Schwermetallkonzentrationen in (sub)arktischen Tieren wie Seevögeln, Eisbären, Braunbären und Lachsen festgestellt .
Gleichzeitig ziehen sich aufgrund des Klimawandels die Gletscher in der Region zurück und legen große Landstriche frei, die zuvor von Eis bedeckt waren. In einigen Studien wurde nachgewiesen, dass das Schmelzwasser aus diesen Gebieten erhöhte Konzentrationen von Schwermetallen wie Blei, Quecksilber, Cadmium und Arsen enthält.
Man muss kein großer Detektiv sein, um einen Zusammenhang zwischen diesen beiden Tatsachen zu vermuten.
Doch so funktioniert die Wissenschaft nicht. Korrelation ist nicht gleichbedeutend mit Kausalität, und es bedarf weiterer Beweise, um einen Zusammenhang herzustellen. Denn wie gelangen diese Metalle von geschmolzenen Gletschern in das Ökosystem und schließlich auf die Teller der Menschen in der Arktis?
Genau diese Frage versucht METALLICA, ein vom Norwegischen Forschungsrat finanziertes Forschungsprojekt, zu beantworten.
„Niemand konnte bisher herausfinden, warum wir erhöhte Schwermetallwerte in arktischen Vögeln und Säugetieren feststellen“, erklärt Jemma Wadham, Professorin für Glaziologie am Fachbereich für Geowissenschaften an der UiT – der Arktischen Universität Norwegens – gegenüber Polar Journal AG.
„Aber jetzt, da wir wissen, dass Gletscher mikrobiell aktive Umgebungen sind, in denen Gestein zerkleinert und zu sehr feinen reaktiven Partikeln zermahlen wird, sind wir daran interessiert, zu sehen, ob sie die Quelle sein könnten“, fügt sie an.
Vom Phytoplankton zum Seevogel
Um dies zu untersuchen, haben Jemma Wadham und ihre Kollegen 16 verschiedene Gletscher ausgewählt: 10 auf Svalbard und 6 auf dem norwegischen Festland. Von jedem dieser Gletscher werden Wasserproben entnommen, an den Gletschern selbst, weiter flussabwärts und sogar per Boot auf dem offenem Wasser.
„Einige dieser Gletscher befinden sich in sehr abgelegenen Gegenden, so dass wir bei unserer Feldarbeit in der Regel eine Menge schweres Gerät hoch in die Berge tragen und dann dem Wasser folgen müssen, das in die Fjorde fließt“, beschreibt Jemma Wadham die Arbeit.
Letztes Jahr haben sie die Wanderungen zu den Gletschern auf dem norwegischen Festland in Angriff genommen und dieses Jahr haben sie Proben auf Spitzbergen gesammelt. Und obwohl die Arbeit hart war, hat sich die Mühe gelohnt. Denn, so Jemma Wadham, die vielen verschiedenen Standorte haben es ihnen ermöglicht, etwas zu tun, was kein anderes Forschungsprojekt zuvor getan hat.
„Alle Gletscher in diesem Projekt liegen auf verschiedenen Gesteinsarten, und das Gestein ist eine wichtige Quelle für Metalle. Indem wir also die verschiedenen Gesteinsarten vergleichen, hoffen wir zu verstehen, was die Freisetzung von Metallen in den verschiedenen Systemen in der Arktis verursacht“, führt sie aus.
Und im Kongsfjorden auf Spitzbergen geht das Projekt noch einen Schritt weiter. Hier hat das Norwegische Polarinstitut über Jahrzehnte hinweg akribische Langzeitaufzeichnungen über das biologische Leben im Fjord geführt. Dies ermöglicht es den Metallica-Forschern, die vom Gletscher freigesetzten Metalle zurückzuverfolgen und ihre Auswirkungen auf die Tierwelt zu untersuchen.
„Wir untersuchen, wie sich die Metalle auf verschiedene Teile des Nahrungsnetzes ausgewirkt haben und verfolgen den gesamten Weg vom Phytoplankton bis hin zu einem Vogel oder Fisch. Um all dies abzudecken, besteht unsere Forschungsgruppe aus Fachleuten für Mikrobiologie, Chemie, Planktonbiologie, Seevögel- und Säugetierbiologie“, zählt die Glaziologin auf.
Der Klimawandel hat neue Gebiete freigelegt
Aber warum ist dann der Schwermetallgehalt gestiegen? Gletscher haben schon immer Gestein zermahlen, und wenn sie sich zurückziehen, sollte dieser Prozess weniger und nicht stärker stattfinden.
Dazu haben Jemma Wadham und ihr Team eine Theorie.
„Mit der Klimaerwärmung ziehen sich die Gletscher zurück und legen neues Land frei, Land, das einst unter dem Gletscher lag und nun mit der Atmosphäre in Kontakt ist. Mit dem Abschmelzen der Gletscher ist auch ein Anstieg der Flussströme zu erwarten, die unter den Gletschern und über das neu freigelegte Land fließen. Man kann davon ausgehen, dass die Flüsse mehr Sediment mitnehmen“, erklärt sie.
„Sedimente sind ein wichtiger Teil des Prozesses. Hier landen viele der Schwermetalle aus den Gletschern, da sich viele Schwermetalle gut mit dem Sediment verbinden,“ sagt sie weiter. „Außerdem könnte auch der Permafrostboden um den Gletscher herum schmelzen, was die Freisetzung von Metallen erhöht.“
„Es geht wirklich um den Rückzug des Gletschers, die Veränderungen um ihn herum und die höhere Menge an Sediment und Abfluss, die dadurch entsteht“, fügt sie an.
Wichtig für alle Orte mit Gletschern
Die Schwermetalle, die in die Fjorde und Ökosysteme gelangen, haben jeweils unterschiedliche Auswirkungen, von denen viele für den Menschen giftig sind. Quecksilber zum Beispiel ist neurotoxisch und seine Freisetzung durch den Menschen wird durch ein internationales Abkommen, die Minamata-Konvention über Quecksilber, bekämpft.
Die Konvention wurde nach der japanischen Stadt Minamata benannt, in der Methylquecksilber über die Abwässer einer Chemiefabrik in das lokale Ökosystem gelangt ist. Über einen Zeitraum von Jahrzehnten führte dies bei Tausenden von Menschen zu einer neurologischen Erkrankung, die heute als Minamata-Krankheit bekannt ist.
„Der Verzehr eines dieser Metalle über einen längeren Zeitraum ist gefährlich und etwas, das wir alle vermeiden wollen. Deshalb ist dieses Projekt so wichtig, nicht nur in der Arktis, sondern überall dort, wo sich die Gletscher zurückziehen“, gibt Jemma Wadham zu bedenken.
Nach Abschluss des Metallica-Projekts hofft Jemma Wadham, eine Karte erstellen zu können. Darauf soll zu sehen sein, welche Gletscher Schwermetalle freisetzen und welche nicht. Anhand der geologischen Beschaffenheit unter diesen Gletschern könnte die wissenschaftliche Gemeinschaft dann, wenn alles gut geht, Rückschlüsse auf andere Teile der Arktis und der Welt ziehen und vorhersagen, in welchen Gebieten die Gefahr einer Schwermetallfreisetzung besteht.
„Die Antwort könnte auch sein, dass die Gletscher gar nicht beteiligt sind. Dies ist Forschung, also halten wir uns diese Möglichkeit offen“, schliesst Jemma Wadham.
Ole Ellekrog, Polar Journal AG
Mehr zu diesem Thema: