Der polare Rückblick – Heisses Klima in polaren Regionen | Polarjournal
Das an der Westküste Grönlands gelegene Ilulissat ist ein Touristenmagnet, wo man viele Aspekte Grönlands auf einem Fleck erleben kann. Doch neben den steigenden Temperaturen herrscht auch eine hitzige Diskussion um den Tourismus. (Foto: Michael Wenger)

Der polare Rückblick greift Geschehnisse der vergangenen Woche auf, die mit Arktis und Antarktis zusammenhängen und stellt einen oder mehrere Aspekte ins Zentrum der Betrachtung. Und dieses Mal ist Hitze sowohl in Grönland wie auch im Herzen von Antarktika das Thema, denn an beiden Orten geht es zurzeit heiss her.

Zwei zentrale Themen in beiden Polarregionen beschäftigten letzte Woche sowohl nationale wie auch internationale Medien: Tourismus in der Arktis und Klima in der Antarktis. Bei beiden Themen und an beiden Orten geht es dabei ziemlich heiss her und in beiden Fällen sind die Probleme komplexer als sie auf den ersten Blick scheinen.

Hitzige Debatte um Tourismus in Ilulissat und Grönland

In der westgrönländischen Ortschaft Ilulissat sind die Gemüter stark erhitzt aufgrund eines Disputes zwischen den lokalen Tourismusunternehmen und internationalen Schiffs- und Reiseunternehmen. Dieser Dispute kulminierte vorletzte Woche in einer Blockade eines grossen Kreuzfahrtschiffes durch lokale Unternehmen im Hafen von Ilulissat. Das Schiff einer bekannten norwegischen Expeditionskreuzfahrtgesellschaft wurde von kleineren Booten, die lokalen Tourismusunternehmen gehören, daran gehindert anzulegen. Der Grund für die Blockade und den Streit ist die Nicht-Nutzung des Angebots von lokalen Unternehmen bei Ausflügen und Touren. Die Demonstranten machten mit dieser und anderen Aktionen darauf aufmerksam, dass die Reedereien und Expeditionsanbieter entweder ausländische Firmen, die in Grönland einen Sitz haben oder sogar nur ihre eigenen Guides und Fachleute an Bord der Schiffe nutzen bei Touren. Damit würden sie die lokale Tourismusindustrie schädigen und nicht zur lokalen Wertschöpfung der Industrie beitragen.

Auf der anderen Seite argumentieren Reedereien und Reiseveranstalter schon länger, dass die Serviceleistungen und die Angebote der lokalen Unternehmen entweder nicht über genügend Kapazitäten verfügen, die Unternehmen zu unflexibel auf kurzfristige Änderungen reagieren und die Kosten für die Serviceleistungen zu hoch seien und die Produkte der Veranstalter dadurch zu teuer würden, was sich wiederum auf die Auslastung der Schiffe auswirke. Ausserdem befinden sich an Bord der Schiffe in der Regel kompetente Fachleute, die mit lokalen Gegebenheiten vertraut seien und auch die Gäste und ihre Ansprüche kennen würden.

AECO zwischen den Fronten

Der Streit schwelt schon länger und die Diskussionen beschränken sich nicht auf Ilulissat, einer der touristischen Hotspots Grönlands. Auch andere Gemeinden und lokale Tourismusvertreter teilen die Meinung der Kolleginnen und Kollegen in Ilulissat. Zu viele Schiffe und zu hohe Touristenzahlen und eine zu kleine Wertschöpfung für die lokale Tourismusindustrie werden bemängelt. Für eine Kurskorrektur werden zurzeit neue Gesetze und Regeln diskutiert, die den Gemeinden mehr finanzielle Hoheit und Einnahmen bringen sollen und gleichzeitig dem Schreckgespenst «Massentourismus» Einhalt gebieten soll.

Zwischen den Fronten von Reedereien, lokalen Tourismusanbietern und der Regierung steht die Gesellschaft der Expeditionskreuzfahrtunternehmen in der Arktis AECO. Sie setzt sich seit ihrer Gründung für einen nachhaltigen Tourismus in der Arktis ein, der die wirtschaftlichen Interessen aller Seiten erfüllt, ohne aber die Natur der Arktis zu schädigen. Dabei setzt sie auf Dialog und Austausch und legt Regeln und Richtlinien für seine Mitglieder fest, die für lokale Wertschöpfung und ein positives Erlebnis der Besuche bei beiden Seiten sorgen sollen. Doch darin liegt auch eine der grössten Problematiken, denn viele der Reedereien und Anbieter, die Grönland anlaufen, sind nicht AECO-Mitglieder und entsprechend nicht an deren Regeln gebunden. Ein weiteres Problem ist, dass die AECO keine politische Rückendeckung in der Form eines umfassenden Vertrages hat der eine Mitgliedschaft in der Organisation schon fast notwendig macht, wie dies in der Antarktis und der Schwesterorganisation IAATO der Fall ist. Ausserdem müssen für jede arktische Region eigene, der nationalen Gesetzgebung des jeweiligen Landes angepasste Massnahmen erstellt werden.

Weil aber Kreuzfahrttourismus global gesehen bei lokalen Vertretern immer stärker in der Kritik steht und an vielen Orten Bestrebungen für eine Reduktion im Gange sind, ändern sich die nationalen Gesetze laufend. Für Reedereien und Expeditionsreiseanbieter wird dadurch die Planung viel schwieriger und auch kostenaufwendiger. Kosten sind aber beim gegenwärtigen Überangebot an arktischen Expeditionsreisen ein wesentlicher Faktor. Maximale Auslastung und maximales Erlebnis für die Gäste bei möglichst niedrigen Kosten ist die Devise. Da kommen Demonstrierende, Blockaden und Ablehnung der Besucherinnen und Besucher nicht gut an.  Doch die Vertreter in Ilulissat haben angedroht, damit zu demonstrieren und die AECO will den Dialog weiter ausbauen, um etwas Hitze abzubauen.

Hitzewelle in Ostantarktika

Hitzig geht es auch auf der anderen Seite des Globus her, besonders in der Ostantarktis. Orte wie die Amundsen-Scott-Station am Südpol oder der bisherige Rekordhalter für die tiefste gemessen Temperatur auf der Erde, die Station Vostok, notierten Temperaturen, die zwischen 10° und 15°C über der Normaltemperatur lagen. Satellitenmessungen ergaben letzte Woche für die ganze Region Temperaturanomalien der Luft von bis zu 30°C im Vergleich zum langjährigen Mittel. Auch andere Gebiete Antarktikas zeigen höhere Temperaturen als sonst, während einige Teile wie die antarktische Halbinsel und das Rossmeerbiet Anomalien aufweisen, die bis zu -20°C tiefer liegen als normal. Trotz der letzteren Temperaturen sprechen Fachleute bereits von einer weiteren Hitzewelle wie diejenige vom März 2022, als die Temperaturen bis zu 40°C über dem Normalwert lagen. Wobei der Ausdruck zu relativieren ist, denn die Temperaturen liegen immer noch im mittleren zweistelligen Minusbereich.

Die Gründe für den neuerlichen Wärmeeinbruch, der wahrscheinlich noch einige Tage anhalten dürfte, liegen insgesamt noch im Dunkeln. Expertinnen und Experten machen aber einen geschwächten Polarvortex in der Stratosphäre, rund 30 Kilometer über dem Erdboden, dafür mitverantwortlich. Der Polarvortex ist ein Band von Kaltluft und Tiefdrucksystemen in der Stratosphäre rund um die Pole. Wenn dieses Band, das in der Regel im Winter stabil über der Region liegt und für tiefe Temperaturen sorgt, durch atmosphärische Wellen von warmer Luft ins Schwanken gerät, wird die Wirbelbewegung geschwächt und warme Luft in die Region gebracht, die dann nach unten transportiert wird und die Lufttemperaturen über den Normalwert steigen lässt.

Gleichzeitig werden die kontinuierlichen Westwinde rund um Antarktika geschwächt, kalte Luft bricht nach Norden aus und kühlt die dortigen Gebiete weiter als normal ab. Dadurch erleben Regionen wie Südafrika, Neuseeland und Ostaustralien zurzeit tiefere Temperaturen als normal. Die momentane Situation scheint der Höhepunkt eines Wärmeeinbruchs, der schon den gesamten Juli angedauert hat und nach Meinung der Fachleute auch auf die neuerlichen Tiefstmengen an antarktischem Meereis zurückzuführen sind. Ausserdem sehen sie diesen Wärmeeinbruch als Teil von Schwankungen, die seit den 1940er gemessenen Temperaturen immer wieder aufgetreten sind. Doch man ist sich einig, dass solche Extreme in der Zukunft weiter zunehmen, so wie auch in anderen Teilen der Erde, unter anderem in der Arktis.

Dr. Michael Wenger, Polar Journal AG

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