Der polare Rückblick – Aus der Arktis zurück an den Absender | Polarjournal
Die Brände in Russland, Kanada und Alaska, transportieren Rauch und Schadstoffe weit in die nicht-arktischen Regionen und können dort für gesundheitliche Probleme sorgen. Langfristig dürfte diese Gefahr ansteigen. (Animationsbilder: Copernicus EU; Animation: Polar Journal AG)

Der polare Rückblick greift Geschehnisse der vergangenen Woche auf, die mit Arktis und Antarktis zusammenhängen und stellt einen oder mehrere Aspekte ins Zentrum der Betrachtung. Dieses Mal richtet sich der Blick in die Arktis, aus der durch die zahlreichen Brände auch giftige Schadstoffe in die südlichen Regionen geschickt werden, wie einst Elvis gesungen hatte, «Return to sender».

Noch immer toben in weiten Teilen der Arktis Brände bisher unbekannten Ausmasses. Dabei hat die Grösse der Brandflächen in den arktischen Regionen in diesem Jahr neue Höchststände erreicht. Das zumindest sind die Angaben, die von der Copernicus Atmosphären-Überwachungsmission der EU (CAMS) aus der Arktis gemacht worden sind. Neben Russland, welches die meisten Brände jenseits des Polarkreises verzeichnet hatte, haben auch Kanada und Alaska mit unzähligen Feuern verschiedenster Grössen in diesem Jahr zu kämpfen. Dabei waren vor allem die enorm trockenen Monate Juni und in einigen Regionen auch Juli verantwortlich. Der normalerweise durch das Auftauen sehr feucht gewordene Permafrostboden wurde durch enorm hohe Lufttemperaturen rasch ausgetrocknet und bildete so einen perfekten Nährboden für Brände. Tausende von Quadratkilometer an arktischer Tundra gingen so innert kürzester Zeit verloren, mit geahnten und ungeahnten Konsequenzen.

Nicht nur ein Anstieg von Treibhausgasemissionen

Zu den bereits seit langem bekannten Konsequenzen der arktischen Brände gehört zum einen der massive Anstieg von Kohlenstoffemissionen. Die Behörden in Kanada beispielsweise erklären, dass die Menge der Emissionen in diesem Jahr zwar nicht die Rekordwerte von 2023, gehören aber trotzdem zu den höchsten bisher gemessenen Mengen. Und auch in den anderen Regionen waren die Mengen an Kohlenstoff, die in die Luft abgegeben worden sind, viel höher als im langjährigen Durchschnitt berechnet.

Doch mit den Rauchschwaden wird nicht nur Kohlenstoff in die Atmosphäre transportiert, sondern auch zahlreichen andere Stoffe, die bisher im Permafrostboden der Arktis ein ruhiges, gebundenes Dasein gefristet hatten. Eine kanadische Studie, die Ende July in der Fachzeitschrift Environmental Research Letters veröffentlicht worden ist, warnt vor einem massiven Ausstoss von Arsen, einem sehr starken Giftstoff. Gemäss den Angaben der drei Autoren der Studie, wurden alleine bei Bränden rund um die Stadt Yellowknife in den Nordwestterritorien in diesem Jahr zwischen 69 und 183 Tonnen Arsen in die Luft transportiert. Mit Winden und atmosphärischen Strömungen könnten diese Mengen an dem gefährlichen Schadstoff danach in andere, weiter südlich und dichter besiedelte Gebiete transportiert werden.

Das Team warnt in ihrer Arbeit, dass solche Ereignisse einerseits von der Art und Ort des Feuers abhängig sind. Orte, die in Bezug zu Bergbautätigkeiten in der Umgebung stehen und wo Faktoren wie Feuertemperatur, Bodenart und Tiefe des Feuers stimmen, sind stärker gefährdet als anderswo in der Arktis und Subarktis.

Andererseits dürften solche Ausstösse von Schadstoffen mit den steigenden Temperaturen in der Arktis und den häufigeren Bränden auch öfters verzeichnet werden. Nimmt man noch die Veränderungen in der Atmosphäre hinzu, die öfter Luftmassen nach Süden transportieren, dürften sich die Konzentrationen von Schadstoffen in diesen südlichen Gebieten erhöhen. Das wiederum bildet nach Angaben von Expertenteams ein signifikant höheres Risiko für Lungenerkrankungen und andere Gesundheitsprobleme.

Schadstoffe und Black Carbon aus den zentralen und nördlichen Teil Indiens werden mit schnell wandernden Luftmassen innert weniger Tage in weite Teile der Arktis transportiert und lagern sich dort ab. Mit den Bränden werden solche Stoffe aber wieder nach Süden verfrachtet. (Foto: MODIS Land Rapid Response Team, NASA GSFC)

Zurück an den Absender

Die Schadstoffe, die aus der Arktis in andere Regionen verfrachtet werden, sind teilweise natürlichen Ursprungs und umfassen nicht nur Arsen, welches im sehr torfigen Permafrostboden abgelagert wird, sondern auch beispielsweise Quecksilber. Doch die Ursprünge dieser Stoffe sind nicht nur auf Verwitterung oder Vulkanismus zurückzuführen. Auch menschliche Quellen wie Bergbau und verschiedene industrielle Produktionsketten sind bekannt. Diese Stoffe stammen aus weit südlich liegenden Regionen und werden durch atmosphärische Prozesse und durch Meeresströmungen in die Arktis transportiert, wo sie sich in den Permafrostböden mitanreichern. Eine Studie von 2021 konnte beispielsweise zweifelsfrei belegen, dass Schadstoffe aus dem Indus-Ganges-Gebiet von Indien und Bangladesch innert weniger Tage in fast alle Teile der Arktis transportiert werden und sich dort ablagern. Eine andere Studie belegte, dass rund 22 Prozent aller Schadstoffe in der Arktis aus den südlichen Gebieten der Arktisnationen stammen und mit den Luftmassen nach Norden verdriftet werden.

In Anbetracht der Tatsache, dass sich Bergbaugesellschaften neue Gebiete für den Abbau von Rohstoffen wie Gold, Eisen und Seltenen Erden in arktischen Regionen sichern, besteht besonders von Seiten der Umweltschutzverbände die Befürchtung, dass mit der steigenden Zahl an Bränden auch das Problem der Verschmutzung potentiell verstärkt.

Die Ironie der ganzen Geschichte: Durch die Effekte des Klimawandels wie eben diese Brände werden solche Schadstoffe wieder freigesetzt und gelangen in umgekehrter Richtung wieder zurück in südlichere Regionen… zurück an den Absender mit den besten Grüssen aus der Arktis.

Dr. Michael Wenger, Polar Journal AG

Link zur Studie: Sutton et al (2024) Environ Res Let 19(6) Globally-significant arsenic release by wildfires in a mining-impacted boreal landscape, DOI: 10.1088/1748-9326/ad461a

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