Neuer Korallengarten in Nunatsiavut entdeckt | Polarjournal
Obwohl wir Korallen eher mit warmen Meeren verbinden, ist es normal, sie auch in kalten und tiefen Gewässern zu finden. Bild: Bárbara Neves / Amundsen Science / NG / DFO

Popcorn und Gummiball: Die Kaltwasserkorallen der kanadischen Arktis sind zäh, wenn es darum geht, sie in über 500 Metern Tiefe aufzuspüren. Und nichts geht über die Erfahrung der Fischer in Nunatsiavut.

Welcher Fischer hat nicht schon einmal davon geträumt, den Meeresboden zu sehen? Und welcher Meeresforschende hat noch nie davon geträumt, einen geheimnisvollen hängenden Korallengarten zu finden? Nichts ist unmöglich an der Küste von Nunatsiavut, wo seit 2021 eine Unterwasserentdeckung nach der anderen in den kalten Tiefen der Labradorsee gemacht wird. Korallen zu finden, die mit den „Füßen“ am Felsen hängen, ist wie die Suche nach einer Nadel in der Mitte eines Heuhaufens. Nur dass der Heuhaufen hier eine Unterwasserklippe ist und der Heuschober der Boden der kanadischen Gewässer, der noch nicht ausreichend kartografiert ist. Zumindest erklärte dies Vincent Lecours, Kartograf an der Universität von Quebec, in EOS nach der Veröffentlichung einer Studie im letzten Jahr. In dieser wurden die Vorteile des Wissensaustauschs zwischen indigenen Völkern und Wissenschaftlern besonders hervorgehoben. Eine Methode, die Wirkung zeigt. Am 18. Juli wurde während der zweiten Phase der Amundsen Science Expedition eine zweite Korallenwand entdeckt und ausgiebig untersucht und „Sentinel“ genannt.

Die NGCC Amundsen wird von Amundsen Science gechartert, um im arktischen Sommer Polarexpeditionen durchzuführen. Ihr Multistrahl-Sonar liefert Informationen über den Meeresboden. Bild: Amundsen Science

Sentinel? Könnte es eine Art Würdigung der „Erntefischer“ sein – wie man in Kanada zu den Inuk-stämmigen Fischern sagt -, die das Gewässer gut kennen? Joey Angnatok legt seine Netze in Nunatsiavut aus, seit er zehn Jahre alt ist. Seit der Suizidwelle im Jahr 2000 ist er besonders eng mit den Inuit verbunden und arbeitet seit 1989 mit Forschungsgruppen zusammen. Sein 19 Meter langes Boot What’s Happening sammelt neben seiner Fischereitätigkeit auch Daten.

Nunatsiavut in Rot ist ein autonomes Gebiet, das von den Inuit in der Region Neufundland und Labrador beansprucht wird und über eine eigene Regierung verfügt, die für Bildung, Gesundheit, Kataster und kulturelle Angelegenheiten zuständig ist. Bild: Fenn O’Manic / Wikimedia

Ein Eintrag im Logbuch von Joey Angnatok aus dem Jahr 2019 interessiert die Forschung: „Nie wieder hierher kommen“, heißt es in EOS. Der Fischer hatte auf einem nicht-kartografierten Grund seine Ausrüstung beschädigt. Die Amundsen Science Expedition 2021 entdeckte dort den Hängenden Garten von Makkovik. Dann kamen weitere Vermutungen auf. Ein zweiter Garten etwa 100 km weiter nördlich? Eine Kamera, die im letzten Jahr einfach auf Geratewohl herabgelassen wurde, machte das Foto einer Koralle. Doch ein Baum allein ist noch kein Wald.

Diese „Kaugummi“-Koralle (Paragorgia arborea), die im Scheinwerferlicht des ROV Astrid auftaucht, ist rosafarben getönt. Vor allem ihre Größe interessiert die Biologin Bárbara Neves, und der Korallenfuss deutet auf eine lange Wachstumsperiode hin. Bild: Bárbara Neves / Amundsen Science / NG / DFO

„Er erwähnte einen Ort, an dem der Boden rau ist und ein Relief hat. Das ist es, was wir für die Korallen suchen, die auf den Felsen leben“, meint Bárbara Neves, eine Forscherin von Fisheries and Oceans Canada, die im Juli an Bord des Eisbrechers „Amundsen“ der kanadischen Küstenwache ging. Von Neufundland aus kreuzte das Schiff zwischen Hopedale und Nain, weniger als 100 km von der Küste entfernt, und kehrte mit dem ROV Astrid an den Ort des Geschehens zurück. „Wir haben unsere Schätzungen mit Hilfe der Bathymetrie und der Wassertemperatur verfeinert, bevor wir das ROV ins Wasser gelassen haben“, erklärt sie.

Das ROV Astrid ist mit Greifern und mehreren Kameras ausgestattet, um in der Tiefe zu operieren. Bild: Amundsen Science

Sie erinnert sich an die vier Piloten auf der Brücke, die vom Kommandoraum aus steuerten, und an die „Freudenausbrüche der Forschenden“. Das Team entdeckte „Kaugummi“-Korallen, die „kopfüber“ nach unten wachsen, „in großer Dichte auf einer geneigten vertikalen Wand, die in 550 bis 570 m Tiefe liegt“, sagt sie. Sie leben in der Dunkelheit des vier Grad kalten Wassers, umgeben von Rotbarschen, Garnelen und anderen Tieren.

Popcorn-Korallen(Primnoa resedaeformis) sind die häufigsten Korallen in der arktischen Umgebung. Bild: Bárbara Neves / Amundsen Science / NG / DFO

„Eine wärmere atlantische Strömung steigt hier auf, die Produktivität scheint hoch, der Lebensraum ist zweifellos wichtig“, fügt die Wissenschaftlerin an. „Aber die Verbindung mit dem Rest des Küstenökosystems ist unbekannt“. Die Forschung würde gerne das Alter einiger Korallen, die groß erscheinen, und ihre Verteilung an der Küste schätzen. Es sind noch zahlreiche weitere Fragen offen.

Die Korallengruppen sind in Streifen entlang der Wand verteilt. Das Forschungsteam liess Sensoren auf Makkovik zurück, um mehr über die Umgebung zu erfahren, in der die Korallen gedeihen. Bild: Bárbara Neves / Amundsen Science / NG / MPO

Zwei Ziele motivieren die kanadischen Behörden, diese Antworten zu finden. Zum einen die Selbstbestimmung der indigenen Völker und zum anderen der Schutz von 30% der marinen Lebensräume bis 2030. „Die faire Nutzung des Wissens der Ureinwohner und des Wissens aus ihrem eigenen Forschungsprogramm“ ist für Nunatsiavut wichtig, heißt es in einem Artikel aus dem Jahr 2023, der von einer Forschungsgruppe, der Bárbara Neves und Joey Angnatok angehören, verfasst wurde. Ein Win-Win-Programm, wenn man bedenkt, dass der kanadische Staat sich verpflichtet hat, sein Ziel für den Ozean zusammen mit etwa 200 anderen Ländern auf der internationalen Bühne zu erreichen.

Camille Lin, Polar Journal AG

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