Der polare Rückblick – Ein Walross als Hoffnungsträger für die US-Küstenwache | Polarjournal
Der US-Eisbrecher „Healy“ wurde im Jahr 2000 in Dienst gestellt und war bis vor wenigen Wochen das einzige einsatzfähige eisgängige Schiff. Ein Feuer im Maschinenraum beendete die aktuellen Arktis-Missionen und zwang das Schiff zurück in seinen Heimathafen in Seattle. (Foto: NASA, Kathrin Hansen)

Ein Feuer, das den einzigen einsatzfähigen Eisbrecher Healy dazu zwang, seine Arktis-Saison 2024 vorzeitig zu beenden und nach Hause zu fahren, sowie der andere Eisbrecher Polar Star, der in Kalifornien modernisiert und „lebensverlängernd“ behandelt wird, sind die beiden jüngsten Vorgänge, mit denen das Arktis-Programm der US-Küstenwache konfrontiert ist. Doch nerningnaq (Inupiaq für „Hoffnung“) erscheint am Horizont in Form eines 12 Jahre alten Schiffes namens Aiviq, was „Walross“ in Inupiaq bedeutet. Die USCG plant, dieses in den USA gebaute Schiff zu sichern und innerhalb von zwei Jahren in ein geeignetes Ersatzschiff umzubauen. Aber wird das ausreichen, wenn man alle Probleme rund um das USCG-Programm für arktische Eisbrecher bedenkt?

Die Dringlichkeit der Modernisierung der US-Eisbrecherflotte wird durch den aktuellen Zustand der vorhandenen Schiffe unterstrichen. Die beiden schweren Eisbrecher der Küstenwache, die Polar Star und die Healy, stehen beide aufgrund ihres Alters und ihrer starken Beanspruchung vor Herausforderungen.

Auf der einen Seite ist die Polar Star, die 1976 in Dienst gestellt wurde, der einzige aktive schwere Eisbrecher der U.S. Küstenwache, der in der Lage ist, mehrjähriges Eis zu durchbrechen. Daher wird er im Mare Island Dry Dock in Vallejo, Kalifornien, einem großen Projekt zur Verlängerung der Lebensdauer (SLEP) unterzogen. Mit diesem mehrjährigen Projekt soll die Operationsfähigkeit des Schiffes über die ursprüngliche Auslegung hinaus verlängert werden, indem veraltete Ausrüstung und Systeme ersetzt werden. Die vierte Phase dieses Projekts ist derzeit im Gange und wird voraussichtlich im Jahr 2025 abgeschlossen sein.

Die Healy, die im Jahr 2000 in Dienst gestellt wurde, ist in erster Linie ein Forschungsschiff mit begrenzten Eisbrecherfähigkeiten im Vergleich zur Polar Star. Sie ist zwar nach wie vor ein wertvoller Aktivposten für die wissenschaftliche Forschung in der Arktis, kann aber den Bedarf an schweren Eisbrechern, die das ganze Jahr über in dickem Eis arbeiten können, nicht vollständig ersetzen. Außerdem hatte und hat das Schiff mit technischen Problemen zu kämpfen. Ein elektrischer Brand Ende Juli dieses Jahres hat das Schiff von den laufenden Arktiseinsätzen, die sowohl wissenschaftliche Missionen als auch eine Patrouillenfahrt durch die Nordwestpassage umfasssen sollten, abgehalten. Diese Situation lässt die USA nun ohne einen einzigen einsatzfähigen Eisbrecher in der Arktis dastehen und unterstreicht noch einmal die Notwendigkeit einer kurzfristigen Lösung.

Ist das Walross die neue Hoffnung für die USCG? Die Pläne zur Beschaffung des eisgängigen Schiffes, das seine Polartauglichkeit in der Antarktis unter Beweis gestellt hat, schreiten voran. Aber das kann nur ein Pflaster auf die Wunden der USCG sein. Eine angemessene Wiederherstellung würde durch das Polar Security Cutter Programm erfolgen. (Foto: Australia Antarctic Program / K Yatras)

Aiviq: Ein pragmatischer Lückenfüller mit einzigartiger Geschichte

Die Aiviq, ein 110-Meter-Ankerziehschlepper mit Eisbrecherfähigkeiten der Arktisklasse, wurde ursprünglich 2012 zur Unterstützung von Ölbohrungen in der Arktis gebaut. Ihre Fähigkeit, bis zu 1.2 Meter dickes Eis zu brechen, macht sie zu einem Gewinn für die Küstenwache, insbesondere für Aufgaben wie die Eskortierung von Schiffen durch Eis, die Unterstützung wissenschaftlicher Missionen und die Reaktion auf Notfälle in eisbedeckten Gewässern. Das Schiff hat eine bemerkenswerte Geschichte, unter anderem war es 2012 an der Rettung der Bohrinsel Kulluk beteiligt, ein Ereignis, das Shell schließlich dazu veranlasste, seine Bohrpläne (und das Schiff) in der Arktis aufzugeben. In jüngerer Zeit war die Aiviq in den Saisons 2021/22 und 2022/23 im Rahmen des australischen Antarktisprogramms im Einsatz und hat dabei ihre Fähigkeiten in schwierigen polaren Umgebungen unter Beweis gestellt. Der Erwerb der Aiviq unterstreicht den dringenden Bedarf an zusätzlichen Kapazitäten, insbesondere in der Arktis, wo der Klimawandel neue Chancen und Herausforderungen eröffnet. Ein entscheidender Vorteil der Anschaffung der Aiviq ist ihr relativ niedriger Preis, der auf mehrere zehn Millionen Dollar geschätzt wird, und ihre schnelle Verfügbarkeit. Dies ist in der aktuellen Situation der USCG von entscheidender Bedeutung. Insgesamt kann der Kauf der Aiviq aber nur eine kurzfristige Lösung sein. Eine nachhaltigere und dauerhaftere Lösung für das US-Eisbrecherproblem stellt das Polar Cutter Security Program (PSCP) dar.

Das Polar Security Cutter Programm: Ehrgeizige Ziele, komplexe Realität

Das PSC-Programm, das die Entwicklung und den Bau einer neuen Generation von schweren Polareisbrechern vorsieht, ist für die langfristige Strategie der USA in der Arktis von entscheidender Bedeutung. Diese Schiffe mit einer geplanten Eisbrecherleistung von bis zu 2.5 Metern sollen die alternden Eisbrecher ersetzen und eine ganzjährige US-Präsenz in den Polarregionen sicherstellen.

Allerdings ist das Programm mit erheblichen Verzögerungen und Kostenüberschreitungen konfrontiert. Technische Herausforderungen wie die Integration komplexer Systeme und die Entwicklung eines robusten Antriebsstrangs in Verbindung mit mangelnder Erfahrung im Eisbrecherbau und den noch immer spürbaren Auswirkungen der COVID-19-Pandemie haben den Zeitplan erheblich beeinträchtigt. Wie das Government Accountability Office (GAO) in einem Bericht aus dem Jahr 2023 feststellte, „hat die Küstenwache seit fast 50 Jahren keinen schweren Polareisbrecher mehr gebaut, und die Komplexität des PSC-Designs hat zu Verzögerungen und Kostensteigerungen beigetragen.“ Die erste Auslieferung, die ursprünglich für 2025 geplant war, wird nun frühestens 2028 erwartet.

Diese Verzögerungen führen unweigerlich zu Kostensteigerungen und bringen das Programm in eine schwierige Haushaltslage. Die genauen Kosten des Programms sind nach wie vor ungewiss. Schätzungen gehen von über 1 Milliarde Dollar pro Schiff aus, was die Budgetierung erschwert und zu politischen Auseinandersetzungen führen dürfte.

Eine Arktis-Strategie plus politischer Stillstand ergeben ein Haushaltsproblem

Die Arktis-Strategie der US-Regierung, die auf verstärkter Präsenz und Zusammenarbeit mit Verbündeten beruht, erfordert erhebliche Investitionen in Sachen Infrastruktur, Forschung und militärische Fähigkeiten. Die Kosten für den Bau und den Betrieb von Eisbrechern sind dabei ein wesentlicher Bestandteil dieser Strategie, und die Verzögerungen und Kostenüberschreitungen im PSC-Programm stellen eine ernsthafte Herausforderung dar.

Der derzeitige politische Stillstand im US-Kongress, in dem sich Republikaner und Demokraten die Kontrolle über die beiden Kammern teilen, trägt zu den Schwierigkeiten des PSC-Programms bei, insbesondere in Bezug auf den Haushalt. Budgetstreitigkeiten, unterschiedliche politische Prioritäten und die zunehmende Polarisierung machen die Entscheidungsprozesse zu einem Alptraum und führen zu Verzögerungen bei der Finanzierung und Umsetzung. Abgesehen von den finanziellen Aspekten dürfte auch die Bestätigung hochrangiger Beamter, die für das Programm verantwortlich sind, durch die aktuellen politischen Auseinandersetzungen behindert werden.

Die Ungewissheit über die zukünftige Haushaltslage und die Möglichkeit von Kürzungen oder Verzögerungen bei der Finanzierung stellen eine große Herausforderung für das PSC-Programm dar. In einem Bericht des Congressional Research Service heißt es: „Angesichts des Umfangs und der Komplexität des PSC sowie der Kostensteigerungen bei anderen Schiffbauprogrammen bestehen Bedenken hinsichtlich der Genauigkeit der geschätzten Anschaffungskosten.“

Ein weiterer Faktor, der die Ungewissheit über die Zukunft des PSCP verstärkt, ist der Ausgang der bevorstehenden US-Wahlen. Obwohl die US-Arktis-Strategie des US-Verteidigungsministeriums, die erst vor wenigen Wochen veröffentlicht wurde, eindeutig eistaugliche Schiffe zur Sicherung der US-amerikanischen Interessen in den arktischen Regionen fordert, bleibt unklar, ob die nachfolgende Regierung diese Forderung auch wirklich beherzigen wird. Vielleicht wäre es besser, Aiviq in Neringnaq umzubenennen und aus einem Walross so einen Hoffnungsträger zu machen.

Dr. Michael Wenger, Polar Journal AG

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