Yedoma-Permafrost im Hochland: Eine riesige, bislang übersehene Methanquelle | Polarjournal
Ein großes Stück Permafrostboden, das an der Küste von Alaska abgebrochen ist. Foto: Benjamin Jones, USGS

Aus höher gelegenen arktischen Yedoma-Permafrostböden entweicht Methan in Mengen, die jene in weiter nördlich gelegenen Regionen um ein Vielfaches übersteigen — Emissionen, die erst vor kurzem von Forschenden entdeckt wurden und in den aktuellen Klimamodellen noch nicht berücksichtigt sind.

Die riesigen in Permafrostböden gespeicherten Kohlenstoffmengen, die mit zunehmender globaler Erwärmung verstärkt in die Atmosphäre freigesetzt werden, beunruhigen Klimaforschende seit langem. Ein Forschungsteam unter der Leitung der University of Alaska Fairbanks hat jetzt herausgefunden, dass höher gelegene, trockene Yedoma-Permafrostlandschaften, die bislang eigentlich als Kohlenstoffsenken galten, gewaltige Mengen an Methan freisetzen — viel mehr als beispielsweise Feuchtgebiete in nördlicheren Gebieten. 

In ihrer Studie, die im Juli in Nature Communications veröffentlicht wurde, berichten die Forschenden unter der Leitung von Katey Walter Anthony, Professorin für Limnologie an der University of Fairbanks, von unerwartet hohen Methanemissionen aus Hochland-Yedoma. An einem der Untersuchungsstandorte, nur wenige Kilometer nordwestlich von Fairbanks, lagen die Messwerte für die jährlichen Emissionen 240-mal höher als die Emissionen im weiter nördlich gelegenen Hochland, wobei 70 Prozent der Emissionen im Winter freigesetzt werden. 

«Ich ging durch den Wald, durch die Birken und die Fichten, und es gab Methangas, das in großen, starken Strömen aus dem Boden kam.»

Katey Walther Anthony

Yedoma ist eine besondere Art von Permafrostboden, der in den arktischen Regionen Alaskas, Kanadas und Sibiriens vorkommt und bis zu 50 Meter mächtig werden kann. Er zeichnet sich durch einen hohen Gehalt an organischem Material aus, das während des Pleistozäns abgelagert wurde, und enthält mit 50 bis 90 Prozent des Volumens eine ungewöhnlich große Menge an Eis. Yedoma-Böden bedecken nur drei Prozent der Permafrostregion, enthalten aber mehr als 25 Prozent des gesamten in den nördlichen Permafrostböden gespeicherten Kohlenstoffs. Aufgrund des hohen Kohlenstoffgehalts gelten diese Böden als bedeutende Quelle für die Treibhausgase Methan und Kohlendioxid, die bei der fortschreitenden Erwärmung der Erde verstärkt freigesetzt werden könnten. 

Die Radiokarbon-Analyse ergab zudem, dass der Kohlenstoff aus den beprobten Methanblasen mit einem Alter von etwa 6650 Jahren Tausende von Jahren älter war als der Kohlenstoff, den die Forschenden zuvor in Hochlandgebieten beobachtet hatten.

«Das ist ein völlig anderes Paradigma als das, was man bisher über Methan dachte», sagte Professorin Walther Anthony in einer Pressemitteilung der Universität.

Die Entdeckung von Professorin Walther Anthony und ihrem Team gibt durchaus Anlass zur Sorge, da Methan ein 25- bis 34-mal wirksameres Treibhausgas ist als Kohlendioxid und, weil aktuelle Klimamodelle, die ohnehin nichts Gutes verheißen, diese Emissionsquelle noch gar nicht berücksichtigen. Vielmehr beruhen diese auf der Annahme, dass höher gelegene Tundra-Landschaften und boreale Wälder nur sehr geringe Mengen an Methan in die Atmosphäre freisetzen bzw. sogar als Methanspeicher fungieren.

Bisher ist man davon ausgegangen, dass Methan vor allem in Feuchtgebieten entweicht. Die wassergesättigten Böden enthalten nur wenig Sauerstoff, was Methan-produzierende Mikroorganismen begünstigt. Die Forschenden waren daher überrascht, an einigen der gut entwässerten, trockeneren Standorten der Studie höhere Emissionen zu messen.

Taliks als Methanquelle

Professorin Walther Anthony und ihr Team identifizierten in Alaska insgesamt 26 Standorte  in trockenen, höher gelegenen Wäldern, Graslandschaften und Tundra, die Methan freisetzen. Drei Jahre lang, jeweils das ganze Jahr über, ermittelte das Forschungsteam die Methanemissionen an 1.200 Stellen, wobei sie nur an drei keine Methanfreisetzung feststellten.

Diese Gebiete sind geprägt von Thermokarsthügeln — ein Anzeichen für auftauenden Permafrost: Wo Bodeneis auftaut, sinken Teile des Bodens ab und hinterlassen kegelförmige Hügel, die eine Höhe von vier bis sechs Metern erreichen können.

Das Forschungsteam fand heraus, dass Methan vor allem aus sogenannten Taliks entweicht — Bereiche von ständig ungefrorenem Boden in Permafrostgebieten. 

Taliks entstehen häufig unter Seen oder Flüssen, die den Boden isolieren und ein vollständiges Gefrieren verhindern. Sie spielen eine wichtige Rolle im hydrologischen Zyklus von Permafrostregionen und können auch einen Einfluss auf die Stabilität des Permafrostes haben, da sie Wärme speichern und das Auftauen der umliegenden gefrorenen Böden begünstigen können.

Es gibt verschiedene Taliks. Je nach Lage im Permafrostboden unterscheidet man zwischen geschlossenem Talik ohne Verbindung zur aktiven Schicht, einem durchgehenden Talik unter Thermokarstseen und einem offenen Talik, der sowohl zur Oberfläche als auch zum Permafrostboden darunter Kontakt hat. Grafik: Timorey/Wikipedia

Die vergleichsweise warmen Taliks ermöglichen es den Mikroorganismen im Boden, auch im Winter den Kohlenstoff zu zersetzen und Methan zu produzieren. Das Autorenteam geht davon aus, dass Taliks die arktische Landschaft im Hochland im 21. und 22. Jahrhundert dominieren werden.

«Überall dort, wo Hochland-Yedoma einen Talik bildet, können wir mit einer starken Methanquelle rechnen, vor allem im Winter», so Professorin Walther Anthony. «Das bedeutet, dass die Rückkopplung des Permafrost-Kohlenstoffs in diesem Jahrhundert viel größer sein wird, als bisher angenommen.»

Ein Thermokarsthügel im Sommer (links) und Winter (rechts). Im Sommer dominieren aerobe Mikroorganismen, die Methan verbrauchen; aber dennoch entweicht Methan aus den anaeroben Taliks über Kanälchen im Boden (rote Punkte). Im Winter ruhen die aeroben Mikroorganismen und die Methan-produzierenden überwiegen, sodass die winterlichen Emissionen deutlich über denen im Sommer liegen. Grafik: Walther Anthony et al. 2024

Höheres Risiko für Waldbrände — Methan verstärkt den Teufelskreis

Das in Permafrostgebieten entweichende Methan hat nicht nur Auswirkungen auf die Erwärmung der Atmosphäre, sondern erhöht auch die Wahrscheinlichkeit und Ausbreitung von Bränden. Ein chinesisches Forschungsteam berichtete bereits im Jahr 2020 in einer in Nature Scientific Reports erschienenen Studie von einem potentiell höheren Risiko für Wald- und Tundrabrände durch spontane Selbstentzündung des leichtbrennbaren Gases. Die Brände setzen ihrerseits große Mengen an Kohlenstoff und Wärme frei, was den Treibhauseffekt weiter verstärkt. Zudem tauen die betroffenen Permafrostböden schneller auf, was die Stoffwechselrate der Methan-produzierenden Mikroorganismen verdreifacht. Dies führt zu einer deutlichen Zunahme der Freisetzung von Treibhausgasen wie Kohlendioxid, Methan und Lachgas in die Atmosphäre. Zusätzlich beeinflussen Brände die Wasser- und Wärmeverhältnisse in Permafrostgebieten, senken die Oberflächenalbedo und vertiefen die aktive Bodenschicht, was den Verlust von organischem Kohlenstoff und Nährstoffen beschleunigt. Insgesamt benötigt das Ökosystem nach einem Brand mehr als ein Jahrhundert, um sich vollständig zu erholen.

Angesichts der Entdeckung, dass die bisher übersehenen Methanquellen im Hochland-Yedoma mit Thermokarsthügeln mit die höchsten Methanemissionen arktischer Landökosysteme aufweisen, werden wir wohl davon ausgehen müssen, dass die bisherigen Prognosen zum globalen Temperaturanstieg nach oben korrigiert werden. In jedem Fall werden die Erkenntnisse zur Verbesserung der Klimamodelle beitragen.

Julia Hager, Polar Journal AG

Link zur Studie: Walter Anthony, K.M., Anthony, P., Hasson, N. et al. Upland Yedoma taliks are an unpredicted source of atmospheric methane. Nat Commun 15, 6056 (2024). https://doi.org/10.1038/s41467-024-50346-5

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