Neu entdeckte Art von Antarktisdrachenfischen möglicherweise bedroht durch Krillfischerei | Polarjournal
Ein lebendes Exemplar der neu entdeckten Art Akarotaxis gouldae. Der kleine Raubfisch erreicht eine durchschnittliche Größe von 13 Zentimetern. Foto: Kevin Bilyk

Sie leben seit 780.000 Jahren in einem kleinen Gebiet westlich der Antarktischen Halbinsel und wurden erst kürzlich von Forschenden entdeckt — Antarktisdrachenfische der bislang unbekannten Art Akarotaxis gouldae. Die sich sehr langsam vermehrenden Fische könnten jedoch durch die Krillfischerei in der Region gefährdet sein.

Als die Forschenden die neue Art entdeckten, der sie den Namen Akarotaxis gouldae (Gebänderter Antarktisdrachenfisch) gaben, untersuchten sie nicht etwa im Nasslabor eines Forschungsschiffs den soeben an Bord gebrachten Fang, sondern waren im heimischen Labor dabei, die Merkmale bereits vor Jahren gesammelter Exemplare der bis dahin einzigen bekannten Art der Gattung AkarotaxisAkarotaxis nudiceps — zu beschreiben. Diese Exemplare im Larvenstadium stammen von früheren Expeditionen, die zwischen 2007 und 2018 gesichert wurden, und ruhen in Sammlungen des Virginia Institute of Marine Science (VIMS), der Oregon State University Ichthyology Collection, der Yale University und des Muséum national d’Histoire naturelle in Paris. 

Erst genetische Analysen sowie genauere morphologische Untersuchungen offenbarten, dass die Forschenden nicht nur A. nudiceps vor sich hatten, sondern noch eine zweite, bisher unbekannte Art, die in einer aktuellen Studie, am 30. August 2024 in der Fachzeitschrift Zootaxa veröffentlicht, ausführlich beschrieben wird.

Akarotaxis gouldae gehört zur Unterordnung der Antarktisfische (Notothenioidei). Sein besonderes Merkmal, das ihn optisch von A. nudiceps unterscheidet, sind beiden dunklen vertikalen Bänder an den Seiten. a — lebendes Exemplar, das 2014 westlich der Antarktischen Halbinsel gefangen wurde; b — Holotyp (ein Exemplar, das zur Beschreibung der Art verwendet wurde); c — CT-Aufnahme; d — Illustration. Abbildung: Andrew Corso

«An den Seiten der erwachsenen Akarotaxis gouldae sind zwei deutliche Bänder zu erkennen, die bei Akarotaxis nudiceps nicht vorhanden sind. Daher waren wir überrascht, dass die Art bereits in Sammlungen existiert, aber bisher übersehen wurde», beschreibt Andrew Corso, Doktorand am VIMS und Hauptautor der Studie, die Entdeckung in einer Pressemitteilung des Instituts. «In der Welt der Fischtaxonomie wird es immer üblicher, Arten allein anhand der Genetik zu unterscheiden. Genetische Tests sind ein äußerst wertvolles Instrument, aber unsere Entdeckung unterstreicht die Bedeutung der Morphologie der frühen Lebensstadien und der naturgeschichtlichen Sammlungen wie die des VIMS und anderer Institutionen.»

Rätselhafte «Drachen»

Obwohl die Antarktisdrachenfische wichtige Beutetiere für Pinguine und andere antarktische Arten sind, sind sie kaum erforscht und entsprechend wenig ist über ihre Lebensweise bekannt. Die Fanggebiete der Museumsexemplare geben immerhin etwas Aufschluss über ihr Verbreitungsgebiet. 

Stellen, an denen die Larven von A. gouldae (gelbe Pfeile) und A. nudiceps (grüne Pfeile) in der Antarktis gefangen wurden. Karte: Andrew Corso

Die seit 1916 bekannte Art A. nudiceps wurde unter anderem in der Bellingshausensee, im Weddellmeer, in der Lazarevsee und im Rossmeer gefangen, was auf eine zirkumpolare Verbreitung über dem antarktischen Kontinentalschelf hindeutet. Hingegen erscheint die Verbreitung der neu beschriebenen A. gouldae deutlich limitiert zu sein: Sowohl Larven als auch erwachsene Tiere wurden bislang nur in einem etwa 400 Kilometer langen Streifen entlang der westlichen Antarktischen Halbinsel gefunden. 

Beide Arten leben in ähnlichen Tiefen: Erwachsene Individuen von A. gouldae wurden zwischen 600 und 705 Metern Tiefe gefangen, die Larven sind in der Wassersäule etwas weiter verbreitet in Tiefen zwischen 215 und 964 Metern. Adulte A. nudiceps wurden in Tiefen zwischen 103 und 1191 Metern gefunden. 

Akarotaxis gouldae wurde nach dem Forschungseisbrecher Laurence M. Gould benannt, den die US-amerikanische National Science Foundation von 1997 bis April 2024 für die Antarktisforschung nutzte. Foto: Kharis Shrage

Die Evolution von A. gouldae als eigene Art begann laut Schätzungen des Forschungsteams vor etwa 780.000 Jahren zu einer Zeit als der Antarktische Eisschild den Südlichen Ozean bedeckte. 

«Bei diesem Verfahren [Zeit-kalibrierte Phylogenie, Anm. d. Red.] wird im Wesentlichen die Rate der genetischen Mutationen als Leitfaden für die Evolutionsgeschichte einer Art betrachtet», erklärt Corso. «Wir vermuten, dass eine Population von Drachenfischen in den tiefen Gräben unter den Gletschern isoliert wurde und sich von Beute ernährte, die durch das sich bewegende Eis hineingeschoben wurde. Als sich die Gletscher zurückzogen, war diese Teilpopulation so ausgeprägt, dass sie mit Akarotaxis nudiceps nicht mehr fortpflanzungsfähig war.»

Kaum entdeckt und schon gefährdet?

Das Forschungsteam analysierte auch die Eierstöcke der Fische und stellte fest, dass die Fruchtbarkeit von A. gouldae relativ gering ist und die Art somit nur wenig Nachwuchs produziert. Hinzu kommt, dass ihr Verbreitungsgebiet ein bevorzugtes Fanggebiet der Krillfischerei ist und Larven und Jungfische als Beifang in deren Netzen landen könnten — keine guten Aussichten für die gerade erst entdeckte und in der Region potentiell endemische Art.

«Akarotaxis gouldae scheint eines der kleinsten Verbreitungsgebiete aller im Südlichen Ozean beheimateten Fische zu haben», so Corso. «Dieses begrenzte Verbreitungsgebiet in Kombination mit ihrer geringen Reproduktionsfähigkeit und dem Vorhandensein früher Lebensstadien in flacheren Gewässern lässt vermuten, dass es sich um eine gefährdete Art handelt, die durch die Krillfischerei beeinträchtigt werden könnte.»

Das Autorenteam empfiehlt daher, insbesondere in Anbetracht der zunehmenden Bedrohung durch den Klimawandel, «die außergewöhnlich große Zahl an Larven von A. gouldae und anderer Antarktisfische an der Westküste der Antarktischen Halbinsel während des Südsommers zu berücksichtigen, wenn CCAMLR [Convention on the Conservation of Antarctic Marine Living Resources – Kommission zur Erhaltung der lebenden Meeresschätze der Antarktis, Anm. d. Red.] saisonale und regionale Schließungen für die Krillfischerei entwickelt».

«Da wir so wenig über die Biodiversität in diesem Gebiet wissen, sind wir der Meinung, dass wir bei der Gewinnung von Ressourcen vorsichtig sein sollten, bis wir ein besseres Verständnis der Auswirkungen auf das größere Ökosystem haben», sagt Corso.

Julia Hager, Polar Journal AG

Link zur Studie: Andrew D. Corso, Thomas Desvignes, Jan R. McDowell, Chi-Hing Christina Cheng, Ellen E. Biesack, Deborah K. Steinberg, Eric J. Hilton. Akarotaxis gouldae, a new species of Antarctic dragonfish (Notothenioidei: Bathydraconidae) from the western Antarctic Peninsula. Zootaxa, 2024; 5501 (2): 265 DOI: 10.11646/zootaxa.5501.2.3

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