Die Nahrungsverfügbarkeit für Seevögel, wie Albatrosse, die auf subantarktischen Inseln brüten, könnte sich verschlechtern, da sich die nährstoffreiche saisonale Meereiszone aufgrund der globalen Erwärmung zunehmend zurückzieht. Dies führt dazu, dass die Entfernungen zwischen Brutgebieten und Nahrungsquellen für die Vögel größer werden.
Albatrosse und Sturmvögel legen bei ihrer Nahrungssuche über dem Südlichen Ozean riesige Entfernungen zurück. Über die Bedeutung der saisonalen Meereiszone rund um die Antarktis als Nahrungsgebiet für die Vögel war bislang jedoch wenig bekannt. Eine von der University of Durham und dem British Antarctic Survey gemeinsam geleitete Studie zeigt jetzt, dass die auf subantarktischen Inseln brütenden Seevögel eng mit der Meereisdynamik verbunden sind: Um Nahrung zu finden, suchen sie genau diese Region auf — tausende von Kilometern entfernt von ihren Brutgebieten. Das antarktische Meereis wird sich Prognosen zufolge jedoch weiter zurückziehen und so die Auswirkungen anderer menschlicher Einflüsse auf diese bedrohten Population weiter verstärken und verschlimmern.
Die Ergebnisse der Studie, die im August in der Fachzeitschrift Progress in Oceanography veröffentlicht wurde, lassen vermuten, dass die Vögel in Zukunft Schwierigkeiten haben könnten, ihren Nahrungsbedarf zu decken, wenn sich das Meereis aufgrund der globalen Erwärmung weiter zurückzieht. Einerseits vergrößern sich die Entfernungen, die die Vögel auf der Nahrungssuche zurücklegen müssen und andererseits können sich auch die räumlichen und zeitlichen Muster der Nahrungsverfügbarkeit verändern, auf die die Tiere seit jeher eingestellt sind.
«Jeden Winter friert der Ozean rund um die Antarktis zu, wobei das Meereis mehrere Millionen Quadratkilometer bedeckt. Wir haben festgestellt, dass Albatrosse und große Sturmvögel Hunderte von Meilen weit in das vom Meereis bedeckte Gebiet vordringen, und wir glauben, dass sie dies tun, um zu fressen», erklärt Dr. Ewan Wakefield, Forscher am Department of Geography der University of Durham und Hauptautor der Studie, in einer Pressemitteilung der Universität. «In diesem Fall könnte der durch den Klimawandel bedingte Rückgang des Meereises in der Antarktis nicht nur die Pinguine betreffen, die vielen Menschen bekannt sind und auf dem Kontinent brüten, sondern auch eine große Zahl von Seevögeln, die Hunderte oder Tausende von Meilen entfernt brüten.»
Das Forschungsteam wertete Trackingdaten von sieben Seevogelarten aus dem Zeitraum von 1992 bis 2023 aus. Alle sieben Arten — Weißkinn-Sturmvogel (Procellaria aequinoctialis), Nördlicher Riesensturmvogel (Macronectes halli), Südlicher Riesensturmvogel (Macronectes giganteus), Graumantelalbatros (Phoebetria palpebrata), Schwarzbrauenalbatros (Thalassarche melanophris), Graukopfalbatros (Thalassarche chrysostoma) und Wanderalbatros (Diomedea exulans) — brüten auf Bird Island bei Südgeorgien.
Die Auswertung von insgesamt 2.497 Nahrungsflügen, die von 1.289 Vögeln während der Brutsaison unternommen wurden, ergab, dass alle sieben Arten regelmäßig in der Meereiszone auf Nahrungssuche gehen. Allerdings gibt es Unterschiede zwischen den Arten. Die meisten Albatrosse und Weißkinn-Sturmvögel meiden eisbedeckte Gebiete eher und bevorzugen im Spätsommer und Herbst, wenn die Meereisausdehnung am geringsten ist, Gebiete, in denen die Eisschmelze den Ozean mit Nährstoffen anreichert. Hingegen ziehen Südliche Riesensturmvögel, die sich überwiegend von Aas ernähren, mitunter hunderte Kilometer in die Packeiszone. Aber auch die Graumantelalbatrosse nutzen während eines Großteils der Brutsaison Meereisgebiete zur Nahrungssuche, jedoch nicht das Packeis.
Die Forscher stellten zudem fest, dass die Arten, die offenes Wasser bevorzugen, im Laufe des Sommers der Meereisschmelze mit einigen Wochen Verzögerung folgen und weiter nach Süden ziehen. Sie vermuten, dass die Vögel ihren Beutetieren folgen, die nach der Phytoplanktonblüte zunehmen und sich immer weiter südwärts ausbreiten. Diese Art der Zugbewegung wird auch als «Green Wave Surfing» bezeichnet, also dem Folgen der «Ressourcenwelle», die aus der Phytoplanktonblüte resultiert. Nur die beiden Eis-assoziierten Arten, der Südliche Riesensturmvogel und der Graumantelalbatros, suchen das ganze Jahr über, der Eisschmelze ohne Verzögerung folgend, die Meereislebensräume auf.
Kein Verlass mehr auf das Meereis
Das antarktische Meereis gehört zu den jahreszeitlich dynamischsten und größten Lebensräumen der Erde und das gesamte Nahrungsnetz im Südlichen Ozean ist auf dessen Schwankungen abgestimmt: Im September bedeckt es mit einer maximalen Ausdehnung von etwa 20 Millionen Quadratkilometern ungefähr 40 Prozent des Südpolarmeers und im Februar schrumpft es auf eine Fläche von etwa 4 Millionen Quadratkilometern. Die Ausdehnung des Meereises war trotz globaler Erwärmung lange stabil. Doch in den letzten fünf Jahren zog es sich immer schneller zurück und erreichte Rekordminima.
Die maximale (links) und minimale Meereisausdehnung (rechts) im September bzw. Februar von 2003 bis 2023 bzw. 2024. Animation: Meereisportal
«In Anbetracht der Tatsache, dass alle sieben von uns untersuchten Albatros- und Sturmvogelarten in die saisonale antarktische Meereiszone ziehen, ist es wahrscheinlich, dass sie und viele andere subantarktische brütende Seevögel mit der Meereisdynamik verbunden sind. Der im Zuge des Klimawandels vorhergesagte Rückgang des antarktischen Meereises könnte die ohnehin schon nicht nachhaltigen Auswirkungen menschlicher Eingriffe auf diese Populationen noch verschlimmern», sagt Professor Richard Phillips, Leiter der Higher Predators and Conservation Group am British Antarctic Survey und Co-Autor der Studie.
Zu den weiteren anthropogenen Bedrohungen gehören unter anderem die Langleinenfischerei, der unzählige Vögel als Beifang zum Opfer fallen, und die Plastikverschmutzung.
Veränderungen in den Ökosystemen
Darüberhinaus gehen die Forscher davon aus, dass die Vögel bei ihrer Nord-Süd-Wanderung mit ihren Ausscheidungen auch Nährstoffe zu den subantarktischen Inseln transportieren, die dort die Primärproduktion begünstigen. Und auch in der saisonalen Meereiszone stehen dort ausgeschiedene Nährstoffe direkt wieder den Primärproduzenten und in der Folge dem gesamten Nahrungsnetz zur Verfügung.
Sollten die Populationen der Seevögel aufgrund des schwindenden Meereises zurückgehen, könnten sich auch die Nährstoffkreisläufe und somit die Ökosysteme um die Brutgebiete und in der saisonalen Meereiszone verändern.
Julia Hager, Polar Journal AG