Der polare Rückblick – Antarktische Wandervögel, die ihre Grenzen überschreiten | Polarjournal
Kaiserpinguine lieben die eisige Umgebung. Nur selten verlassen sie die Grenzen der Antarktis. Wenn sie es aber doch tun, ist das eine Schlagzeile wert. (Foto: Michael Wenger)

Die Polar-Retrospektive blickt auf Ereignisse der vergangenen Woche zurück, die mit der Arktis und Antarktis zu tun haben und konzentriert sich auf einen oder mehrere Aspekte. Dieses Mal liegt der Fokus auf einem Kaiserpinguin an einem Surferstrand, einem Adéliepinguin, der nicht nach Hause zurückkehrt, und Wanderalbatrossen, die starke Winde nicht mögen. Sie alle zeigen neue Grenzen auf, sowohl geografisch als auch biologisch.

Ein junger Kaiserpinguin watschelt Tausende von Kilometern von seiner antarktischen Heimat entfernt an der Küste von Westaustralien entlang. Ein Adélie-Pinguin, verloren und verwirrt, findet sich an der Küste Neuseelands wieder. Dies sind keine Einzelfälle, sondern vielmehr alarmierende Anzeichen für einen wachsenden Trend, sagen Expertinnen und Experten: Antarktische Vögel entfernen sich zunehmend von ihren angestammten Lebensräumen und geben Anlass zur Sorge über die Auswirkungen des Klimawandels und der Umweltveränderungen auf diese gefährdeten Arten.

Ein Kaiser in Dänemark

Anfang November wurde ein junger Kaiserpinguin am Ocean Beach im westaustralischen Denmark gesichtet, was die Einheimischen in Erstaunen versetzte und die Experten verblüffte. Diese seltene Sichtung, weit außerhalb des üblichen Verbreitungsgebietes des Pinguins, veranlasste die Naturschutzbehörden, den Gesundheitszustand des Vogels zu überwachen. Zunächst hielten sie sich zurück, in der Hoffnung, dass der Pinguin irgendwann in den Ozean zurückkehren und seinen Weg zurück in die Antarktis finden würde. Als der Vogel jedoch am Strand weiterhin blieb, desorientiert wirkte und an Gewicht verlor, wurde er von einer Wildtierpflegerin zur Untersuchung und Pflege aufgenommen.

Der Pinguin, den seine Retter „Gus“ getauft haben, befindet sich derzeit in der Pflege. Fachleute vermuten, dass er in eine starke Strömung geraten ist, die ihn weit von seiner Kolonie weggetrieben hat. Der Fall von Gus zeigt, welchen Gefahren diese Vögel ausgesetzt sind, wenn sie sich weit von ihrer natürlichen Umgebung entfernen. Er wird derzeit in einem speziellen Gehege mit einem Wasserbecken mit gekühltem Wasser gehalten und mit Fisch gefüttert. Seine Fortschritte werden genau beobachtet.

Zu warm, um nach Hause zu gehen

Indes wurde ein Adéliepinguin, der ursprünglich aus der Antarktis stammt, erschöpft und desorientiert an einem Strand in Neuseeland entdeckt. Dieser kleine Pinguin, der Tausende von Kilometern vom Kurs abgekommen war, galt aufgrund des warmen Wetters in der Region als nicht in der Lage, zu seiner Kolonie zurückzukehren. Da das Tier bei seiner Freilassung Symptome von Hitzestress zeigte, gehen Experten davon aus, dass die für diese Jahreszeit ungewöhnlich hohen Temperaturen ein wesentlicher Faktor sind, der seine Rückkehr verhindert, da Adéliepinguine an die eisigen Bedingungen der Antarktis angepasst sind.

Dies ist nicht der erste Vorfall dieser Art. Anfang dieses Jahres wurde ein weiterer Adélie-Pinguin an einem Strand in Wellington gefunden und zur Quarantäne und Krankheitsuntersuchung in den Zoo gebracht. Diese Fälle geben Anlass zur Sorge über die Gesundheit und das Wohlbefinden dieser Pinguine, wenn sie sich so weit von ihrem natürlichen Lebensraum entfernen.

Der neuentdeckte Adélie-Pinguin wird derzeit von Wildtierexperten in einem Rehabilitationszentrum gepflegt, wo er Nahrung und medizinische Versorgung erhält. Er wird in einer temperaturkontrollierten Umgebung gehalten, um seinen natürlichen Lebensraum zu simulieren. Seine Zukunft ist nach wie vor ungewiss, da die Chancen auf eine erfolgreiche Aussetzung, damit er zu seiner Kolonie zurückkehren kann, gering sind.

Der Klimawandel beeinflusst das Verhalten

Diese Vorfälle sind zwar aufsehenerregend, unterstreichen aber eine beunruhigende Tatsache. Antarktische Vögel, die hervorragend an die rauen Bedingungen ihrer eisigen Heimat angepasst sind, werden immer häufiger in unbekannten Gebieten gesichtet, wo sie oft Anzeichen von Stress oder Orientierungslosigkeit zeigen. Das Verhalten der Vögel, immer wieder ihre angestammten Gebiete zu verlassen, ist zwar nicht völlig neu, doch die Häufigkeit und das Ausmaß dieser Reisen lassen bei Fachleuten die Alarmglocken schrillen.

Für dieses Phänomen können mehrere Faktoren verantwortlich sein. Der Klimawandel verändert Wettermuster und Meeresströmungen und kann so die Navigationshilfen und Nahrungsquellen der Vögel beeinträchtigen. Steigende Meerestemperaturen können sich auf die Verbreitung von Beutetieren auswirken und die Vögel dazu zwingen, auf der Suche nach Nahrung weitere Strecken zurückzulegen. Darüber hinaus können menschliche Aktivitäten wie Fischfang und Umweltverschmutzung das empfindliche Gleichgewicht des antarktischen Ökosystems weiter stören, was zu einer Verschlechterung des Lebensraums und zu Nahrungsknappheit führt. Diese Veränderungen können die Vögel desorientieren, sie in die Irre führen und es ihnen erschweren, den Weg zurück zu ihren angestammten Gebieten zu finden.

Zu stark zum Fliegen

Eine kürzlich in Current Biology veröffentlichte Studie liefert weitere Belege für die Herausforderungen, mit denen antarktische Vögel in einer sich verändernden Welt konfrontiert sind. Ein internationales Forschungsteam untersuchte die Auswirkungen von starken Winden auf die Fressgewohnheiten von Wanderalbatrossen, großen Seevögeln, die auf Südgeorgien im südlichen Atlantik brüten.

Die von Dr. Samantha Patrick geleitete Studie ergab, dass starke Winde die Fähigkeit der Albatrosse zur Nahrungsaufnahme erheblich beeinträchtigen. „Bei mehreren Gelegenheiten verfolgten wir wandernde Albatrosse, die bei sehr starken Sturmwinden flogen“, erklärt Jamie Darby, Erstautor der Studie. „Die Loggerdaten zeigen uns, dass die Albatrosse in diesen Zeiten kaum Nahrung aufnahmen. Sie schafften es nicht nur nicht zu fressen, sondern sie landeten und starteten auch regelmäßiger“, fügt er hinzu. Das deutet darauf hin, dass die turbulenten Bedingungen es den Vögeln erschweren, auf dem Wasser zu landen und nach Beute zu suchen, und sie sogar dazu zwingen, zusätzliche Energie aufzuwenden, um in der Luft zu bleiben.

Dr. Patrick wies auch auf die möglichen langfristigen Auswirkungen einer zunehmenden Sturmintensität hin: „Diese neue Studie zeigt, dass selbst diese an Wind angepassten Albatrosse durch stärker verbreitete extreme Winde benachteiligt werden könnten. Diese Studie verdeutlicht, wie anfällig diese Vögel, selbst wenn sie an extreme Bedingungen angepasst sind, für die Auswirkungen des Klimawandels sind.

Auch wenn es sich bei solchen Geschichten um scheinbar isolierte Einzelbeispiele handelt, läuten bei Fachleuten die Alarmglocken, die für die Zukunft eine steigende Zahl solcher Ereignisse erwarten. „Es sollte eine wirklich seltene Anomalie sein und keine häufige Sache“, wie eine Expertin aus Neuseeland betonte. Aber die Realität zeigt, dass diese ikonischen Arten zwangsläufig ihre Grenzen überschreiten werden.

Dr. Michael Wenger, Polar Journal AG

Link zur Studie: Darby et al. (2024) Cur Biol EPub, Strong winds reduce foraging success in albatrosses; doi.org/10.1016/j.cub.2024.10.018

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