Plastik – Gefahr für die Arktis | Polarjournal
Die Eintragswege für Plastik in die Arktis sind vielfältig. Foto: Julia Hager

Weltweit ist die Verschmutzung der Meere, Gewässer und Landschaften mit Plastik unübersehbar, selbst in der spärlich besiedelten Arktis und dessen negative Effekte auf die Ökosysteme werden mittlerweile anerkannt. In mehreren Studien wurden bereits Quellen, Eintragswege, Konzentrationen und Auswirkungen von Plastik auf die Lebewesen in der Arktis untersucht. Zwei Wissenschaftlerinnen fassten die Ergebnisse dieser Studien in einem aktuellen Bericht zusammen.

Die globale Kunststoffproduktion betrug laut PlasticsEurope in 2018 fast 360 Millionen Tonnen, elf Millionen Tonnen mehr als im Jahr zuvor. In direktem Zusammenhang dazu steht die Zunahme der Menge an Kunststoffabfällen. Schätzungen zufolge enden zwischen fünf und zwölf Millionen Tonnen Plastik jedes Jahr in den Ozeanen.
Die Auswertung der beiden Forscherinnen Claudia Halsband und Dorte Herzke vom Fram Center for Climate and the Environment in Tromsø, Norwegen zeigen, dass die Auswirkungen der Plastikverschmutzung in der Arktis ebenso schwerwiegend sind, wie in stärker besiedelten Regionen weiter südlich.

Die Quellen
Es gibt viele Wege, auf denen Plastik in die Ozeane eingetragen wird. Hauptsächlich sind dafür fehlende Entsorgungsmöglichkeiten in Städten, die an Küsten oder großen Flüssen liegen, sowie eine unzureichende Abwasserbehandlung verantwortlich.
Von Bedeutung für die Situation in der Arktis ist vor allem der Bevölkerungszuwachs in den Städten Nordeuropas, Kanadas und Alaskas. Dort wird immer mehr Plastikmüll erzeugt, was zu einer weiteren Akkumulation von Plastik in der Arktis führen wird. Der Eintrag von Plastik in die arktische Umwelt hängt dabei auch von den lokalen und regionalen Entwicklungen ab. Darüberhinaus wird die Errichtung geeigneter Abfallentsorgungseinrichtungen und Recyclinganlagen – oder das Fehlen einer solchen Infrastruktur – entscheidende Auswirkungen haben. So sind beispielsweise Kläranlagen für Abwasser in dünn besiedelten arktischen Regionen nicht üblich.
Kunststoffabfälle, die in den dicht besiedelten und industrialisierten Regionen weiter im Süden in die Umwelt gelangen, werden mit den Meeresströmungen bis in die abgelegenen und scheinbar unberührten Gebiete der Arktis transportiert. Durch die Verbindungen von den großen Ozeanen in den Arktischen Ozean, wie die Framstraße oder die Beringstraße, verläuft der Transport von im Wasser treibendem Plastik weitgehend ungehindert. Für kleinste Plastikpartikel – Mikro- und Nanoplastik – spielt auch die über tausende Kilometer weite atmosphärische Verbreitung durch Winde eine Rolle.

Plastik in der arktischen Umwelt
Die allerersten Berichte über Kunststoffverschmutzung in der Arktis stammen aus den 1970er Jahren.  Forschungsergebnisse, die 1980 veröffentlicht wurden, beschreiben Beobachtungen von Meeresmüll aus Plastik an Stränden auf Amchitka, einer der Aleuteninseln im Beringmeer. Die Gezeitenzonen an den Stränden wurden über einen Zeitraum von drei Jahren einmal jährlich untersucht, wobei sich die Gesamtzahl der Plastikteile innerhalb von zwei Jahren von über 2.200 auf über 5.300 erhöht hat. Die Akkumulationsrate nach Gewicht betrug fast 60% pro Jahr. Die meisten Plastikabfälle stammten von Fischereischiffen, doch einige Objekte kamen von der asiatischen Küste und legten mehr als eintausend Kilometer zurück. Damals wurde erstmals der Langstreckentransport von Plastik nachgewiesen.

Reste von einem Netz aus der Fischerei in der Tundra Ostgrönlands. Foto: Julia Hager

In neuerer Zeit sind mehrere Studien über Plastik in der Arktis hinzugekommen. Die Forschung konzentrierte sich hier vor allem auf die marine Umwelt, wobei Plastik in der Wassersäule, am Meeresboden, an der Küste und im Meereis nachgewiesen wurde. In Schneeproben von Eisschollen in der Framstraße fanden Melanie Bergmann und ihre Kollegen, Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts, bis zu 14.400 Mikroplastikpartikel in einem Liter geschmolzenem Schnee. Daten über die Belastung terrestrischer Ökosysteme und Binnengewässer fehlen hingegen.
“Um den Transport von Plastikabfällen in die Arktis zu verstehen, müssen wir zunächst die regionalen Verteilungsmuster innerhalb der Arktis und die zeitlichen Trends verstehen. Wir brauchen Kenntnisse über lokale Quellen und müssen verstehen, dass deren Beiträge zur Verschmutzung durch Plastik in der Arktis von Bedeutung sind. Aber wir brauchen auch Kenntnisse über die Quellen und Transportwege aus dichter besiedelten Gebieten weiter südlich”, erklärt Claudia Halsband.

Auswirkungen auf die Tierwelt der Arktis
Insbesondere Seevögel verwechseln an der Wasseroberfläche treibende Plastikteilchen mit Nahrung. Der Eissturmvogel Fulmarus glacialis ist wahrscheinlich einer der am stärksten betroffenen Vögel. Bei 35 von 40 untersuchten Eissturmvögeln von Spitzbergen wurden durchschnittlich 15 Plastikpartikel im Magen gefunden.

Plastikpartikel, die im Magen eines Eissturmvogels gefunden wurden. Foto: Jan van Franeker

Plastik wird nicht nur von Seevögeln sondern auch von anderen Arten im Nahrungsnetz aufgenommen – vom Plankton bis zum Wal. So ist beispielsweise bekannt, dass Plastik auch von Eisbären gefressen wird.  Jedoch fehlen auch hier noch wichtige systematische Untersuchungen.

Noch viele Wissenslücken
Halsband und Herzke kommen zu dem Schluss, dass die derzeitigen Kenntnisse über die Verbreitung und die Auswirkungen von Plastikabfällen in der Arktis nicht ausreichend sind. “Die Arktis ist bedroht und kann unter negativen Auswirkungen leiden, wenn Plastik in die Nahrungskette gelangt. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Makro- und Mikroplastik nicht effizient aus der Arktis entfernt werden können, müssen wir die Situation besser verstehen. Noch wichtiger ist, die Wechselwirkungen mit dem Klimawandel, der Verschmutzung durch andere Umweltgifte und der Ozeanversauerung zu verstehen”, sagen beide Wissenschaftlerinnen. Es sind also noch weitere Studien nötig, um die derzeitigen Wissenslücken zu schließen.

Viele Prozesse, in denen die Plastikverschmutzung eine Rolle spielt, sind noch unbekannt. Rote Pfeile = Plastikeintrag, gelbe Pfeile = Transportwege, orangefarbene Pfeile = Transfer im Nahrungsnetz. Grafik: Halsband & Herzke 2019

Quellen: The Barents Observer, Plastics Europe, Bergmann et al. 2019, Trevail et al. 2015

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