Kältester Punkt der Arktis nach 30 Jahren in Grönland entdeckt | Polarjournal
Eine solche automatische Wetterstation, die Klinck-Station, mitten auf dem grönländischen Eisschild, hat die tiefste arktische Temperartur am 22. Dezember 1991 gemessen. Die Station war Teil eines Messnetzes der Universität Wisconsin-Madison. Die Buchstaben beschreiben verschiedene Teile der Station, wobei a) und e) die obere und untere Messsonde für Temperaturen zeigen. Bild: Julie Parais / Weidner et al 2020

Für viele Menschen ist liegt der kälteste Punkt in der Arktis am Nordpol im Winter, da dieser dann ja am entferntesten von der Sonne sei. Tatsächlich aber liegt der kälteste Punkt mitten auf dem Festland, da dort trockenes, kaltes Kontinentalklima herrscht. Bis gestern teilten sich die beiden russischen Orte Werchojansk und Oimjakon in der Republik Sacha den offiziellen Kälterekord. Forscher haben aber nun einen neuen Rekordhalter entdeckt und bestätigt: die Klinck-Station mitten auf dem grönländischen Eisschild.

Die gemessene Temperatur, die von einer automatischen Wetterstation am 22. Dezember 1991 auf 3’105 Metern über Meer aufgenommen wurde, betrug -69.6° C, wie die Forschungsgruppe in ihrer Arbeit schreibt. Damit lag die Temperatur 0.8°C unter dem bisherigen Rekord von -67.8°C, die 1892 in Werchojansk und 1933 in Oimjakon gemessen worden waren. Der Rekord ist von der WMO, der World Meteorological  Organization in Genf offiziell anerkannt worden. «Im Zeitalter des Klimawandels liegt der Fokus oft auf neuen Hitzerekorden,» erklärt der WMO-Generalsekretär Professor Petteri Taalas. «Dieser neue anerkannte Rekord ist eine wichtige Erinnerung an die massiven Gegensätze, die auf diesem Planeten herrschen.» Zum Vergleich: die tiefste gemessene Temperatur in der Schweiz wurde am 12. Januar 1987 in La Brévine mit -42.5°C notiert, in Deutschland am 12. Februar 1929 in Wolznach in Bayern mit -37.8°C und in Österreich am Hohen Sonnblick in Salzburg mit -37.4°C.

Die Karte zeigt die Lage des neuen Kälterekordpunktes auf dem grönländischen Eisschild. Die Klinck-Station liegt auf 3’105 Metern über Meer, nahe am höchsten Punkt des Eisschildes. Die anderen Punkte zeigen die Lage der restlichen Geräte innerhalb des Netzes. Bild: Weidner et al. 2020

Die Messstation, die diesen Tiefstwert aufgenommen hatte, war Teil eines Messnetzwerkes, welches zu Beginn der 1990er Jahre von der Universität Wisconsin in Grönland während zwei Jahren betrieben worden war. Erst 1994 wurden die Stationen wieder zurückgeholt, neu getestet und danach in der Antarktis verwendet. Doch erst ein Klimahistoriker kam den damals gemessenen Daten wieder auf die Spur und informierte die WMO über die Möglichkeit eines neuen Rekords. Um die Daten zu verifizieren, mussten die damals am Projekt teilnehmenden Forscher wieder aufgespürt und von ihnen analysiert werden. Vor allem, ob die Messungen und Kalibrierungen der Messsonden damals richtig durchgeführt worden waren, musste bestimmt werden.

«In Grönland mussten alle Orte mit Schneemobilen erreicht werden. Daher mussten alle Stationen so verpackt werden, dass sie eine Überfahrt auf sehr hartem Schnee überstehen würden.»

Dr. Gerhard Weidner, Universität von Wisconsin

Danach wurden die Daten von der WMO gecheckt und gleichzeitig in der renommierten Fachzeitschrift der Royal Meteorological Society in ihrer vierteljährlichen Ausgabe veröffentlicht. Dr. Georg Weidner, der die Stationen damals entwickelt hatte und heute der Erstautor der Studie ist, meint zu den technischen Aspekten: «In Grönland mussten alle Orte mit Schneemobilen erreicht werden. Daher mussten alle Stationen so verpackt werden, dass sie eine Überfahrt auf sehr hartem Schnee überstehen würden. Jahrelange Erfahrung aus der Antarktis half uns dabei, die Automatischen Wetterstationen sicher und bequem auf den Schlitten festzumachen.»

Die bisherigen Rekordhalter für die tiefsten Temperaturen in der Arktis lagen in der Region Sacha, bei Werchojansk und Oimjakon. Dort wurden 1892 und 1933 jeweils -67.8°C gemessen. Da die Messbedingungen schon damals standardisiert waren, hatten die Daten von damals bis heute Bestand.

Die Tatsache, dass auch nach 30 Jahren die Daten und die Bedingungen, die am Tage der Messung bestanden, rekonstruiert und analysiert werden konnten, zeigen, wie genau und sauber gearbeitet und aufgenommen worden war. Ein Vergleich der Daten mit heute und früher ist jedoch nur möglich, weil die Messbedingungen standardisiert worden sind, auch schon 1892 und 1933, als die bisherigen Rekordhalter gemessen worden waren. «Es ist ein Beweis für das Engagement von Klimaforschern und Wetterhistorikern, dass wir jetzt in der Lage sind, viele dieser älteren Aufzeichnungen zu untersuchen und ein besseres globales Verständnis nicht nur aktueller, sondern auch historischer Klimaextreme zu gewährleisten», erklärt der WMO-Generalsekretär. Der Kälterekord kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Grönland seit jenem 22. Dezember immer wärmer geworden ist und der Eisschild enorm an Eismassen verloren hat. Die mittlerweile dichteren Messnetzwerke und besseren Satellitenmessungen bestätigen diesen Trend.

Dr. Michael Wenger, PolarJournal

Link zur Studie: Weidner et al (2020) Q J R Met Soc 1-9WMO evaluation of northern hemispheric coldest temperature: −69.6 °C at Klinck, Greenland, 22 December 1991, https://doi.org/10.1002/qj.3901

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