Der Nordpol hat schon seit Jahrhunderten Menschen in seinen Bann gezogen. Mit allen möglichen Mitteln haben Frauen und Männer den Weg zum nördlichsten Punkt der Erde unternommen. Um die Schwierigkeiten des Packeises zu minimieren, haben sich viele auf den Luftweg konzentriert, unter anderem mit Zeppelinen. Was Amundsen, Nobile und Ellsworth 1926 als erste gelang, will nun eine schwedische Firma für Touristen wieder aufnehmen. Aber anders als damals mit mehr Luxus, sicherer und vor allem nachhaltiger.
Geht es nach den Plänen der Schweden, soll das derzeit grösste Hybrid-Luftschiff, der «Airlander 10» der Firma Hybrid Air Vehicles Ltd. ab 2023 oder 2024 maximal 16 Gäste zum Nordpol bringen. Gestartet wird, wie schon Amundsen, Nobile und Ellsworth 1926, ab Svalbard. Doch während die letzteren drei Pioniere ab der nördlichsten Siedlung Ny-Ålesund gestartet waren, plant Oceansky Cruises seinen Abflug ab Longyearbyen. Während zweier Tage wird das Luftfahrzeug die Gäste zum Nordpol bringen, wo Zeit und Aktivitäten zur Verfügung stehen werden, und danach wieder zurück nach Longyearbyen fliegen. Dabei soll unterwegs nicht einfach geflogen werden, sondern die arktische Landschaft und die Tierwelt auch beobachtet werden können. Insgesamt eine Woche veranschlagt Oceansky Cruises für die gesamte Expedition, um gegebenenfalls schlechtes Wetter aussitzen können. Entsprechende Angebote vor und nach der Reise arbeitet die Firma nach eigenen Angaben zurzeit aus.
Mit der Reise sollen Abenteuer und Entdeckergeist geweckt werden. Doch man will auch mit Stil reisen. Ein Team von sieben Crewmitgliedern wird sicherstellen, dass alles an Bord reibungslos verlaufen wird. Vier der Mitglieder sind Piloten, die das Fahrzeug steuern werden. Gemäss Oceansky Cruises CEO Carl-Oscar Lawaczeck, selbst früher Pilot bei SAS, kann man sich die Reise wie an Bord einer Jacht vorstellen. Die Kabinen und die Ausstattung an Bord ist sehr komfortabel und scheint luxuriös. Aber man wolle keinen 5-Sterne-Luxusservice anbieten, sagt Oceansky Cruises. Und statt durch das Packeis zu brechen, fliegt man ruhig und sicher darüber hinweg. Gegenüber CNN erklärte er: «Wir fliegen in der Regel rund 1’800 Meter über der Oberfläche, können aber auch auf 90 Meter oder sogar 30 Meter heruntergehen, um unseren Gästen einen guten Blick auf die polare Landschaft bieten zu können.» Doch Tiere sollen weder gejagt noch um jeden Preis gestört werden. Denn das Ziel ist es, die Expedition auf die nachhaltigste, sicherste und sanfteste Art durchzuführen, die möglich ist.
Nachhaltigkeit und Sicherheit sind für Carl-Oscar Lawaczeck und Oceansky Cruises enorm wichtig bei dieser Expedition. Deswegen setzt man auf ein komplett neues Konzept von Luftfahrzeug, welches das beste von Zeppelin, Flugzeug und Hubschrauber in sich vereint: Der «Airlander 10». Dabei handelt es sich um ein mit Helium gefüllte Hülle mit einer Kabine darunter (wie bei einem Zeppelin), die aber aufgrund ihrer Form einen «Lift» generiert und so in der Luft gehalten wird (wie ein Flugzeug). Motoren an der Seite, die gedreht werden können, funktionieren wie die Propeller eines Hubschraubers und geben die notwendige Startkraft, die aber geringer sein wird als bei einem konventionellen Hubschrauber oder Flugzeug, da das Helium das Ganze viel leichter machen wird. Somit wird das Luftfahrzeug viel effizienter und leiser sein. Angetrieben werden die Motoren momentan noch mit Biodiesel. Doch gemäss Carl-Oscar Lawaczeck ist die Herstellerfirma des Airlander dabei, elektrische Motoren zu entwickeln.
Der «Airlander» wird anders, als die früheren Zeppeline, mit einer geringeren Bodeninfrastruktur auskommen. Da das Gerät mithilfe der Motoren selbstständig vom Boden abheben kann, entfällt ein Mast zur Fixierung. Daher können die Piloten auf einer geeigneten Unterlage am oder nahe am Nordpol landen und die Gäste aussteigen lassen. Auch in Longyearbyen wird weniger Aufwand für das Fahrzeug betrieben werden müssen, erklärt Oceansky Cruises. Dank dem niedrigen Verbrauch und dem Einsatz neuester Technologien und Materialien wird das Fahrzeug für die extremeren Bedingungen gerüstet sein. Seine Reichweite soll 2’000 Seemeilen betragen und mit dem Treibstoff rund 3 Tage, je nach Reisegeschwindigkeit, in der Luft bleiben können. Neben den vier ausgewiesenen Expertenpiloten an Bord wird auch ein Expeditionsleiter, der alle notwendigen Zertifizierungen und Kenntnisse mitbringt, für die Sicherheit verantwortlich sein und die Gäste instruieren. Oceansky Cruises ist stolz, dafür den bekannten britischen Polarforscher und Umweltschützer Robert Swan gewonnen zu haben. Der bekannte Arktisforscher war einer der ersten, der sowohl den Nord- wie auch den Südpol zu Fuss erreicht hatte.
Das Ganze soll nur der Start sein, die Luftfahrtindustrie zu revolutionieren mit dieser Art des Transportes. Das ist das eigentliche Ziel von Oceansky Cruises. Langfristig will man weiter ausbauen und Waren- und Passagierflüge überall anbieten. Dazu ist die Expedition auch als wegweisend zu betrachten. Doch das ganze Konzept hat seinen Preis: Mit knapp € 195’000 (US$ 230’000) für eine 2-Personen-Kabine ist man bei der Expedition dabei. Doch CEO Carl-Oscar Lawaczeck ist sehr stolz auf sein Konzept und hofft, mit der Expedition und dem neuartigen Luftfahrzeug Menschen zu einem Umdenken im Bereich «Fliegen» bewegen zu können, hin zu einem nachhaltigeren Konzept. Im Interview mit CNN erklärt er: «Wir hoffen, dass wir einen wirklichen Unterschied bewirken werden, wie die Menschen in der Zukunft reisen werden und wir sehen ein riesiges Potential in unserem Konzept als eine erschwingliche Option für komfortables, elegantes und saubere Reisen für bewusste Passagiere. Doch dafür benötigen wir tausende von solchen Luftfahrzeugen.»
Dr. Michael Wenger, PolarJournal